Wenn Begriffe sich verwirren, ist die Welt in Unordnung», pflegte schon der chinesische Philosoph Kung Tse, besser bekannt unter seinem lateinischen Namen Konfuzius, zu sagen. Mit Blick auf die Termini Chronograph und Chronometer kann man ihm nur beipflichten. Denn sie sorgen immer wieder für die apostrophierte Art von Unordnung. Zugegeben, beide liegen dicht beieinander und sind deshalb leicht zu verwechseln. Zudem haben sie mit Zeit zu tun, wie der Wortstamm Chronos signalisiert. Doch damit endet die Gemeinsamkeit. Ein Chronograph, nach heutiger Diktion ein Instrument zum Stoppen von Zeitintervallen, kann auch ein Chronometer sein, muss dies aber nicht zwangsläufig sein.
Chronometer, Zeitmesser mit offiziell zertifizierter Ganggenauigkeit, sind eher selten auch Chronographen. Zur Bestätigung dieser Behauptung muss man nur die Zahlen der Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres (COSC) analysieren. Grösster Kunde dieser 1973 gegründeten Institution mit Aussenstellen in Biel, Le Locle und Genf ist unbestritten Rolex. Von den jährlich 1,2 Mio Gangzeugnissen nehmen allein die Genfer 750000 in Empfang. Die verraten allerdings nicht, wie viele davon auf den Daytona-Chronographen entfallen. Hingegen weiss jeder, der sich in der Szene ein wenig auskennt, dass sich die zeitschreibenden Quantitäten in relativ engen Dimensionen bewegen.
120000 COSC-Scheine für die Marke aus Grenchen
Etwas anders liegen die Dinge bei einer Uhrenmarke, welche mittlerweile ebenfalls zu den Topkunden der amtlichen Prüfinstitution gehört. Das ist Breitling. Der 1884 gegründete Spezialist für Kurzzeitmessung belegt im Ranking der COSC-Klientel mittlerweile den ehrenvollen dritten Platz. Von 2001 bis 2004 konnte das Grenchner Familienunternehmen im Durchschnitt jährlich um die 120000 Gangscheine in Empfang nehmen. Und die entfielen grösstenteils auf Chronographen.
Warum das so ist, erläutert ein kurzer Blick in die Geschichte: Schon während seiner Uhrmacherlehre war Léon Breitling besessen von der Idee, die Kurzzeitmessung mit Hilfe spezieller Uhren weiterzuentwickeln. Deshalb wundert es nicht, dass kurz nach Abschluss seiner Ausbildung ein eigener Chronograph Gestalt annahm. Damit war sein beruflicher Lebensweg quasi vorgezeichnet. 1884 gab es erste Zähler-Chronographen mit der Signatur des Erfinders. 1892 rief er in La Chaux-de-Fonds die G. Léon Breitling SA, Montbrillant Watch Factory, ins Leben.
1914 startete Gaston Breitling seine berufliche Karriere im Familienbetrieb. Er hatte die Leidenschaft für Chronographen vom Vater geerbt. Eines seiner patentierten Spezialmodelle, Vitesse genannt, erfreute sich bei Polizisten grosser Beliebtheit, denn damit konnten sie Geschwindigkeitsüberschreitungen messen. Im Trend der Zeit forcierte Gaston Breitling die Entwicklung und Fabrikation von Armband-Chronographen.
Mit der Fliegerei in neue Sparten vorgestossen
1932 übernahm die dritte Generation in Person seines Sohnes Willy Breitling das Ruder. Er lancierte 1936 einen Chronographen für Flugzeug-Cockpits, 1947 den Chronomat mit Rechenscheibe und 1952 den Navitimer mit optimierten arithmetischen Fähigkeiten. 1962 wurde ein Breitling-Chronograph am Handgelenk des Astronauten Scott Carpenter ins All katapultiert. Und 1969 gehörte Breitling zu den Pionieren des Automatik-Chronographen.
Nach dem Tod Willy Breitlings gelangte das Traditionsunternehmen in den Besitz von Ernest Schneider, der es ganz im Sinne der Gründerfamilie weiterführt. Chronographen stehen weiterhin hoch im Kurs. Manche betrachten Breitling und Chronographen als Synonym, was beim Blick in die Kollektion nicht sonderlich schwer fällt.
Qualität hielt nicht immer mit dem Wachstum Schritt
Unter der visionären Schneider-Ägide gedieh Breitling in ungeahnter Weise, erhielt die Marke sogar einen Kultstatus. Nur einen kleinen Schönheitsfehler hatte die Sache. Diesen pflegten insbesondere die Importeure und Fachhändler zu bemängeln: Die Qualität und Zuverlässigkeit der Uhrwerke korrespondierten nicht immer mit dem professionellen Anspruch.
Doch Kritikpunkte dieser Art gehören spätestens seit dem Zeitpunkt der Vergangenheit an, als Breitling in La Chaux-de-Fonds eine neue Chronometrie eröffnete. Die blitzsauberen, Licht durchfluteten Ateliers westlich der Stadt verlässt heute keine Uhr ohne amtliches Gangzeugnis. «Dieses Dogma duldet keine Ausnahme», wie der operative Breitling-Chef, Jean-Paul Giradin, beim Rundgang betont. Diese beispiellose Initiative, welche den Mitarbeitern konsequentes Handeln und rigorose Checks auf allen Ebenen abverlangt, bescherte Breitling mehr Image bei und weniger Probleme mit den Kunden rund um den Globus. Girardin formuliert das so: «Die 100-Prozent-Lösung brachte einen deutlich spürbaren Qualitätsanstieg mit sich. Beim komplexen Chronographenwerk Valjoux 7750 liegt die COSC-Ausfallquote nur noch in der Grössenordnung von durchschnittlich 1%.»
Kein Wenn und Aber, auch keine Ausnahmen geduldet
Diese ungemein erfreulichen Zahlen resultieren aus einer beispielgebenden Philosophie, die in der Breitling-Chronometrie an allen Ecken und Enden zu spüren ist. Da gibt es kein Wenn und kein Aber. Ausnahmen, welche die Regel im Allgemeinen bestätigen, werden nicht toleriert. Die lückenlose Qualitätskontrolle bezieht sich auf alle Stationen der Produktion. «Zum Beispiel checken wir ausnahmslos alle Zugfedern samt ihren Federhäusern mit einer neu entwickelten Apparatur. Obwohl wir ohnehin nur das Beste einkaufen, erfüllen 11 bis 12% nicht die geforderte Qualität», erklärt Girardin mit Blick auf die komplexe Prüfapparatur, deren Sinn sich Laien kaum erschliesst. Federn, deren Kennlinien nicht im akzeptablen Bereich liegen, wandern gnadenlos ins Abseits. Ob sie danach gut genug sind für andere Fabrikanten mit geringen Ansprüchen, verrät der Spross aus der Bieler Zeiger-Dynastie Aiguila nicht.
Dafür bringt er etwas anderes zum Ausdruck: «Ehe unsere Werke zur COSC gehen, haben sie zehn verschiedene Kontrollstadien hinter sich. 19 Mitarbeiter sind mit der Regulierung unserer verschiedenen Uhrwerke beschäftigt.» Ob sie Zusatzfunktionen besitzen oder nicht, spielt keine Rolle. Deshalb ist die Versagerquote bei den Chronometerprüfungen gering. Das spart einiges an Geld, denn die nicht unbeträchtliche Prüfgebühr wird in jedem Fall fällig.
Damit es hinterher keine bösen Überraschungen gibt, lässt Breitling den fertigen Uhren eine ähnlich sorgfältige Kontrolle angedeihen. Die COSC nimmt satzungsgemäss nur Werke mit Prüfgehäusen und -zifferblättern entgegen. Somit kann es sein, dass die zertifizierten Daten nach Fertigstellung des Ensembles nicht mehr stimmen. Etwa, wenn das Befestigen des Werks in der Schale gangverändernde Spannungen der Platine verursacht. Hier hält es Breitling mit Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt als Lenin: «Vertrauen ist gut, Kontrolle aber besser.»
Die wichtigsten Schweizer Chronometermacher
Zur Prüfung bei der COSC eingelieferte Werke
Marke 2001 2002 2003
Rolex 762175 814720 756408
Omega 207879 165543 207668
Breitling 142825 131815 107689
Bulgari 36380 11141 8870
Panerai 27275 38016 36714
TAG-Heuer 20650 20207 9184
Baume & Mercier 10416 15504 1457
Chopard 7273 7684 7116
Zenith 5664 4676 4569
Vacheron Constantin 3083 2825 2540
Ebel 2837 2437 2286
Ikepod 2687 3246 1006
Tissot 2600 6221 18648
Krieger Watch 2267 keine keine
Ulysse Nardin 2253 4671 6985
Eterna 2119 3316 4021
Mühle-Glashütte 1290 31 622
Sonstige 15842 39881 *36383
Summe aller Werke 1255515 1271934 1212166
* Darunter Manufacture L.U. Chopard, Fleurier, und Chopard, Genf
Quelle: COSC
COSC: So wird geprüft
Für die Hüter der Zeit gilt: Neutralität ist das erste Gebot
Von Amts wegen behandeln die neutralen Prüfer der Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres (COSC) alle Werke gleich. Bedingung sind das Swiss Made und die Einhaltung der vorgeschriebenen Dimensionen. Die Herkunft spielt hingegen keine Rolle.
Für das Verfahren gilt nur eines: Die Schweizer Norm SN/ISO 3159. Dazu sind die Probanden in transparenten Kunststoff-Schalen einzuliefern, ausgestattet mit speziellem Prüfzifferblatt und genormtem Sekundenzeiger. Aufzugsrotoren bei Automatikwerken duldet die COSC ebenso wenig wie firmeneigene Kronen.
Das eigentliche Prozedere beginnt mit dem ersten Aufziehen der Werke per Elektromotor. Danach läuft alles stets nach Schema F ab: 24 Stunden Flachlage mit Krone links bei 23 Grad Celsius, Kontrollmessung; maschineller Aufzug; nochmals 24 Stunden Flachlage mit Krone links bei 23 Grad Celsius; Kontrollmessung; maschineller Aufzug usw.
Zur Feststellung der Ergebnisse bedient sich die COSC angesichts beträchtlicher Quantitäten modernster, natürlich rechnerunterstützter Methoden. Eine Spezialkamera hat dabei alles genauestens im Blick. Pro Stunde erfasst sie bis zu 3600 Werke. In Verbindung mit einem Computer und einem funkgesteuerten Zeitsignal aus Mainflingen bei Frankfurt registriert sie Abweichungen im Bereich winziger Sekundenbruchteile. Die verschiedenen Daten wandern in den elektronischen Speicher. Somit stehen die Resultate nach Ablauf der Testperiode sehr schnell fest. «Versager», also Uhren, die irgendwann stehen bleiben oder die Kriterien nicht erfüllen, gehen kommentarlos an den Absender zurück.
Die erfolgreichen Werke, bei denen sich der mittlere tägliche Gang in einer Bandbreite von maximal 4 bis +6 Sekunden bewegt, nehmen diesen Weg in Begleitung eines Grand Bulletin de Marche, in dem alle erreichten Werte detailliert aufgelistet sind.
Zum Thema Ganggenauigkeit mechanischer Uhren an dieser Stelle nur so viel: Ihre Konstruktion basiert auf der astronomischen Tatsache, dass der mittlere Sonnentag aus 86400 Sekunden besteht. In Relation dazu ergibt der bei offiziell geprüften Chronometern maximal zulässige mittlere tägliche Gang (plus 6 Sekunden) eine Fehlerquote von gerade einmal 0,007%. Bezogen auf eine Waage, die einen 40-Tonner trägt, ist das so viel wie ein neu geborenes Baby.