Marktführerin Visilab deckt die Medien mit einer «Fielmann-Lüge» ein. Fielmann gibt in gleicher Währung zurück. Das erweckt den Eindruck, als würde auf einem enger werdenden Brillenmarkt Auge um Auge, Zahn um Zahn gekämpft. Dabei handelt es sich um ein Scheingefecht, das den Run auf die günstigste Brille aufrechterhalten soll.

Denn Grund zum Jammern haben die Optiker keinen; weder die grossen Discounter noch die Inhaber kleiner Fachgeschäfte. Die Aussichten sind gut: In diesem Jahrzehnt kommen die Babyboomer ins Lesebrillenalter. Computer machen immer mehr Arbeitnehmer zu Teilzeitträgern von Korrekturgläsern. Und die steigenden Bedürfnisse in Sport und Mode treiben Zweit- und Drittbrillenträger in Scharen in die Optikergeschäfte. Seit das Schweizer Brillenkartell Mitte der 90er Jahre aufgebrochen ist, haben grosse Ketten wie Visilab und Fielmann ihren Marktanteil kontinuierlich auf 43% steigern können. Den leicht schrumpfenden Rest teilen sich rund 950 unabhängige oder in Einkaufs- und Marketinggesellschaften organisierte Anbieter. Gesamthaft werden in der Schweiz jährlich Brillen und Kontaktlinsen für 750 Mio Fr. abgesetzt. Tendenz: Die Stückzahlen steigen, die Preise sinken.

*Grenzen für Discounter*

Dennoch scheint das Wachstum den beiden grossen Discountern nicht zu bekommen: «Der Kuchen ist weitgehend verteilt», sieht Peter Lüthi, Geschäftsführer der Einkaufs- und Marketinggesellschaft Dynoptic, als wahren Grund für Auseinandersetzungen. Visilab und Fielmann haben den traditionellen Optikergeschäften gegen einen Fünftel ihres Marktanteils abgegraben, stossen in seinen Augen nun aber an Grenzen. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass sich der Anteil zwischen 48 und 55% einpendelt. Das Sterben der unabhängigen Optikergeschäfte habe nicht stattgefunden. Diese Beobachtung bestätigt auch Dominic Ramspeck vom Schweizerischen Optikerverband: «Es schliessen weniger Optikergeschäfte als neue eröffnet werden. Unsere Mitgliederzahl steigt jährlich leicht an.»

Kurt Halder, Inhaber von Götte-Optik, nennt einen simplen Grund: «Es ist nur ein Teil der Konsumenten, die McDonald?s wollen. Qualitätsbewusste Gourmets wird es immer geben.» Er hat sein Optik-Geschäft an der Zürcher Bahnhofstrasse erweitert ? trotz einer grossen Fielmann-Filiale in umittelbarer Nachbarschaft.

Liegen sich Visilab und Fielmann in den Haaren, weil es auf dem traditionellen Markt nichts mehr zu holen gibt? «Fielmann ist eine Kriegsmaschine, die über Leichen geht», ereifert sich Visilab-Direktor Roger Willhalm. Er sieht sich in der Rolle des redlichen Marktführers, der dem ausländischen Konkurrenten die eidgenössischen Spielregeln beibringen will. Streitpunkt: Visilab warb ? von einer «Saldo»-Studie unterstützt ? mit dem Vorwurf, Fielmann täusche seine Kundschaft, wenn er behaupte, er würde die billigsten Brillen anbieten.

Fielmann zitierte Visilab vor Gericht. «Fielmann sei nicht immer der Günstigste», befanden Anfang Oktober die Richter und schützten Visilabs Werbefeldzug. Fielmann will das Verdikt nicht auf sich sitzen lassen und droht mit dem Weiterzug vor Bundesgericht. Diese Strategie praktiziere Fielmann auch in Deutschland, erklärt Willhalm. «Er versucht unliebsame Konkurrenten vor Gericht fertig zu machen. Wir wollen dafür sorgen, dass er sich an schweizerische Verhältnisse anpasst.»

Fielmann-Geschäftsführer Thomas Loehr will von Krieg nichts wissen: «Vielleicht ist das die Befindlichkeit bei Visilab. Uns geht es darum, grundsätzlich feststellen zu lassen, ob die Publikation der Saldo-Studie gegen Wettbewerbsrecht verstösst.» Fielmanns Anwälte sind davon überzeugt. Visilab vergleiche Äpfel mit Birnen, wenn sie ihr günstiges Gesamtangebot mit billigsten Einzelbrillen bei Fielmann in Relation setze, sagt Loehr. Ausserdem seien die Preise in der «Saldo»-Studie nur telefonisch abgeklärt worden, stellt der Fielmann-Geschäftsführer deren Glaubwürdigkeit in Frage.

*Fielmann sorgt für Wirbel*

Doch hinter dem Streit steckt noch etwas anderes: Bis zu Fielmanns Markteintritt 1995 war Visilab mit der «Brille in einer Stunde» und einem breiten Sortiment die unangefochtene Marktführerin. Heute setzt sie in 60 Filialen 100 Mio Fr. um. Doch Fielmann holt mit Riesenschritten auf. 2001 setzte er in 25 Verkaufslokalen beinahe gleich viel um. «Das geht nur mit einem Lockvogelangebot», macht Willhalm seinem Ärger Luft. Dieses ist weit verbreitet in der Branche. «Fielmanns Werbung suggeriert ein Angebot, das nicht ganz mit jenem im Geschäft übereinstimmt», erklärt auch Halder. Steine des Anstosses sind insbesondere die Werbung für Markenprodukte. Diese seien bei Fielmann kaum zu bekommen. Der versprochene Service werde bei Brillen für 49 Fr. nicht geboten: Dies die Vorwürfe. Dass die Werbung verfängt, bestreitet indes niemand in der Branche. Visilabs Gegenkampagne macht daher wenig Sinn, glaubt selbst Ramspeck vom Optikerverband. «Fielmann will der Billigste sein und würde dafür sogar auf den Nullpreis gehen.» Visilabs breites Sortiment mit regelmässigen Rabattaktionen ist da viel schwieriger zu kommunizieren.

*Preise sinken*

Bei Fielmann reagiert man auf die Anwürfe der Konkurrenz gelassen: «Es spielt doch keine Rolle, wie viele Markenprodukte wir anbieten. Wir verkaufen dem Kunden das, was er haben will», erklärt Loehr. Und das ist in seinen Augen eine Brille, die gut aussieht. «Die Mehrheit will kein Label auf der Nase tragen.» Sein Personal sei zudem gut geschult, tritt Loehr einem weiteren Vorwurf entgegen. «Die meisten Angestellten sind gelernte Optiker aus traditionellen Schweizer Fachgeschäften. Ausserdem bilden wir gegenwärtig 72 Lehrlinge aus.»

Von Fielmanns Markteintritt habe die Brillenträger profitiert. Und die Preise werden weiter sinken. Gesund ist der Markt dennoch geblieben. Das Optikersterben hat nicht eingesetzt, und laut Loehr ist die Zahl der Fachgeschäfte in Deutschland kontinuierlich gestiegen, seit Fielmann vor 30 Jahren die ersten Brillen verkaufte. Auf der anderen Seite beobachtet Lüthi ein Zusammenrücken der traditionellen Optiker ? in Einkaufs- und Marketinggesellschaften wie der Dynoptic und Optic 2000. Mit gemeinsamen Werbe- und Servicestrategien bewähren sie sich im geöffneten Markt, so Lüthi . Der Markt verlangt heute beides: Die günstige «sexy Brille» (Lüthi) für den Gelegenheitsgebrauch und «den Optiker, der sich an Qualität, Individualität und Stil orientiert» (Halder). Zumachen müssen «nur Penntüten, die noch in weissen Schürzen herumlaufen», sagt Lüthi.

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