Ein Jahr lang war der Posten des Generaldirektors beim Touring Club Schweiz faktisch verwaist. Nach dem Abgang von Josef Andres wurde das operative Geschäft ad interim von Zentralpräsident Edgar Schorderet geführt. Mit der Wahl des Ökono-men Bruno Ehrler an die Spitze des grössten Verkehrsverbandes des Landes unterstreicht der TCS seine Ambitionen hinsichtlich Erneuerung und Verjüngung in der Führungsetage.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Ehrler, 38-jährig, ist einerseits ein Quereinsteiger und doch auch wieder nicht. Als Direktionsmitglied der Schweizer Mobi-liar zeichnete er in den letzten Jahren verantwortlich für den Bereich Privatpersonen (Nicht-Leben); ein Teich, in dem sowohl die Versicherungsgesellschaft als auch der Touring Club fischt, mit Rechtsschutzversicherungen und Mobilitätsgarantien beispielsweise.

Fremd ist dem Versicherungsfachmann die Materie also nicht. Und auch der TCS mit all seinen Dienstleistungen ist ihm seit Kindesbeinen ein Begriff: «Meine Familie bringt es bestimmt auf 45 Jahre Mitgliedschaft.» Selber jedoch sei er erst seit kurzem Clubmitglied.

Der oberste Pannenhelfer

Als Kaderangehöriger der Mobiliar griff er in der Vergangenheit auf die Angebote und Produkte aus dem eigenen Haus zurück. Mit grossem Respekt jedoch habe er stets zum TCS geschielt. «Eine eigene Flotte, Autobahnhoheit, sympathisches Image und ein kaum zu überbietender Bekanntheitsgrad das ist schon was!» Dass er dereinst selber die Geschicke des Touring Clubs lenken würde, daran allerdings hat der gebürtige Bieler nie auch nur einen Gedanken verschwendet.

Ein Headhunter habe ihn vielmehr auf die freie Stelle aufmerksam gemacht. Lange habe er indes nicht überlegen müssen: «Ich liebe die Vielfalt, die Spannung und die Herausforderung, ich brauche den Kontakt zu den Menschen und führe diese gerne an ein Ziel. Genau dieses Profil bietet der Posten des TCS-Generaldirektors.»

Ehrler, ein ruhiger und sachlich argumentierender Typ, in seiner Funktion nunmehr oberster Pannenhelfer der Schweiz, will die Position des TCS als des führenden Dienstleistungsunternehmens in Mobilitätsfragen nicht nur festigen, sondern auch ausbauen. Auf die Frage nach konkreten Ideen bleibt er mit Aussagen allerdings vage. Er sei zusammen mit der Geschäftsleitung daran, verschiedene Optionen zu prüfen. Es würde wohl kaum erstaunen, wenn der Touring Club unter diesbezüglich fachlich prädestinierter Führung gerade im Bereich Versicherungen zur Offensive hupen würde.

1,45 Mio Mitglieder, 1100 Mitarbeiter, 47 Geschäftsstellen, 24 Sektionen. Im, wie es Bruno Ehr-ler nennt, «mit föderalistischem Touch» bedachten Touring Club Schweiz gilt es viele Interessen und Begehrlichkeiten unter einen Hut zu bringen. Als ehemaliges Direktionsmitglied einer schweizweit tätigen Versicherungsgesellschaft sei er mit der damit verbundenen Unternehmensmentalität sehr wohl vertraut, betont der ehemalige KV-Stift.

Im Wissen darum, dass ihm im organisatorischen Gefüge des Clubs, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit den Sektionen, auch als Generaldirektor keinerlei Weisungsrecht zusteht, baut er auf den Dialog und auf gegenseitige Vereinbarungen.

Statt diktatorisch verordnet über die Schnellstrasse einem Ziel entgegenzublochen, gehe es im politisch auf Neutralität justier-ten TCS eben oftmals über eine demokratisch bestimmte Route. «Das dauert dann halt ein bisschen länger, dafür ist der Entscheid breit abgestützt.» Dass der Touring Club deshalb, was die Wirtschaftlichkeit betrifft, mit angezogener Handbremse unterwegs sei, das stellt der Mercedes-Fahrer vehement in Abrede. «Zwar steht bei uns nicht der Gewinn an erster Stelle, sondern der Mitgliedernutzen. Das bedeutet aber nicht, dass Effizienz ein Fremdwort für uns wäre ganz im Gegenteil», so der TCS-Chef. Der Club sei vor allem bekannt für seine Pannenhelfer. «Wer mit seinem Auto irgendwo stehen bleibt, der will, dass ihm schnellstmöglich geholfen wird. Denn eine Stunde auf dem Pannenstreifen, das kann sehr lange sein.»

Teamplayer, kein Solist

Die schnelle Eingreiftruppe sei denn auch die beste Werbung für den Verkehrsverband. 32 Minuten dauert es heute im Durchschnitt, bis die Patrouilleure vor Ort sind; «Wir streben hier eine weitere Verbessung auf 30 Minuten an.»

Was das bedeutet, davon hat sich Ehrler in den ersten Monaten nach seinem Amtsantritt selber ein Bild gemacht. Als Beifahrer eines Patrouilleurs. «Eindrücklich, was diese Leute leisten. Das geht jeweils weit über die Behebung eines technischen Problems hinaus. Nicht selten nämlich ist auch psychologisches Geschick gefragt.»

Psychologisches Geschick will Bruno Ehrler auch im Umgang mit Mitarbeitenden anwenden. «Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass es einem von Natur aus gegeben sein muss, ob man führen kann oder nicht», ist der 38-Jährige überzeugt.

Was seine eigene Karriere anbelangt, will der in mittelständischen Verhältnissen aufgewachsene Seeländer nie eine eigentliche Initialzündung wahrgenommen haben. Vielmehr habe er einen logischen Schritt auf den anderen folgen lassen.

So habe ihn nach der KV-Stifti interessiert, wie ein Unternehmen und das dazugehörende Wirtschaftssystem eigentlich funktionieren, deshalb entschloss er sich, noch einmal die Schulbank zu drücken und die Matur nachzuholen. Anschliessend gings an die Hochschule St. Gallen, wo er Ende der 90er Jahre auch seine Dissertation verfasste. Titel: «Kernkompetenzorientiertes Management der Versicherung Strategien in Risiko- und Finanzdienstleistungsnetzen».

So kompliziert der Titel, so offen war Bruno Ehrler, als er im Anschluss an seine Doktorarbeit nach einer neuen Tätigkeit Ausschau hielt. Sollte er eher in die Beratung wechseln oder doch in die Versicherungsbranche? Dass er sich schliesslich für Letzteres entschied und ein Angebot der Mobiliar angenommen hat, dies habe primär mit den Möglichkeiten zu tun gehabt, direkt einen Linienjob zu übernehmen und damit für ein Team und ein Geschäft verantwortlich zu sein.

Ehrler, der sich selber als «erfolgssüchtig» bezeichnet, blickt mit Genugtuung auf seine Zeit beim Versicherungskonzern zurück. «Mein Team und ich meisterten erfolgreich diverse Relaunches, lancierten neue Produkte und legten in attraktiven Bereichen an Marktanteilen zu.»

Das Team und die Arbeit im Verbund sind dem neuen TCS-Generaldirektor äusserst wichtig. Der sportlich wirkende Sportabstinent pflegt die Kultur der offenen Worte, laut hingegen will er nicht werden. «Man kann durchaus im Ton kulant und gleichzeitig in der Sache konsequent sein», betont Ehrler.

Seinen Führungsstil bezeichnet er als «situativ» und als Hobby-Schlagzeuger versteht er es, den Takt anzugeben, gleichzeitig aber auch, sich in die Gruppe einzufügen. «Ich bin nicht der Trommler, der den Galeerensklaven das Tempo zum Rudern vorgibt», lacht Bruno Ehrler.

Wenn überhaupt, dann sehe er sich eher in der Rolle des Spielertrainers, der sein Team auf das Feld führt, die Taktik durchgibt und das Toreschiessen auch den anderen überlassen kann. «Als Solist wird man im Beruf längerfristig nicht wirklich glücklich. Man muss die Gruppe am Erfolg partizipieren lassen», so seine Meinung.

-----

Zur Person: Steckbrief

Name: Bruno Ehrler

Ausbildung: Dr. oec. HSG

Funktion: Generaldirektor Touring Club Schweiz TCS

Alter: 38

Wohnort: Lausanne

Familie: Ledig, in fester Beziehung lebend

Karriere:

- 1995-1996 Projekt Consultant trend Fact Market Management Consultants, St.Gallen

- 1996-1999 Projektleiter Inst. für Versicherungswirtschaft, HSG

- 2000-2005 Schw. Mobiliar Versicherung Bern, Leiter Haushaltversicherungen, Leiter Privatpersonen, Direktionsmitglied

Führungsprinzipien

1. Situativ führen;den Stil der jeweiligen Situation anpassen.

2. Im Ton kulant, in der Sache konsequent sein;nicht die Lautstärke ist entscheidend, sondern der Inhalt.

3. Erfolgserlebnisse im Team generieren.

4. Offen kommunizieren und Entscheide nicht verschieben.

-----

Firma

TCS

Der 1896 gegründete TCS vereint mit seinen 24 Sektionen rund 1,5 Mio Mitglieder. Der landesweit grösste Verkehrsverband beschäftigt über 1000 Personen und erzielt pro Jahr einen Umsatz von über 400 Mio Fr.