Seit 2001 sind Umsätze und Kontraktvolumen in derivativen Instrumenten stark gestiegen. Entsprechend liegen die Ausfallrisiken aus derivativen Instrumenten per Ende 2004 bei geschätzten 1,5 Billionen Dollar. Nicht erst die Bilanzskandale von Fannie Mae und Freddy Mac zeigen auf, dass Buchführung und Rechnungslegung komplexer Finanzinstrumente an das bilanzierende Unternehmen und den Bilanzleser hohe Anforderungen stellen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Fehlende Vorschriften

Das Schweizer Aktienrecht, das keine spezifischen Vorschriften für die Buchführung und Rechnungslegung derivativer Instrumente kennt, und der komplexe US-Rechnungslegungsgrundsatz zur Verbuchung und Offenlegung zeigen die krassen Gegensätze für deren Behandlung auf. Aus Sicht des Aktienrechts lassen sich aus der Vorgabe, die Bücher ordnungsgemäss zu führen, das Niederstwert- und das Marktwertprinzip für die Bewertung der Derivate ableiten. Nach dem Niederstwertprinzip werden Forderungsrechte aus derivativen Instrumenten zum tieferen Wert von Anschaffungskosten oder Marktpreis bewertet. Für drohende Verluste sind Rückstellungen zu bilden. Beim Marktwertprinzip werden, falls ein aktiver und liquider Markt besteht, Derivate zu Marktwerten bewertet.

Eine Offenlegung kann man damit begründen, dass ein zuverlässiger Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens vermittelt werden soll. Gemäss der gängigen Lehre ist für den Ausweis nach Aktienrecht bei Unternehmen mit starken Aktivitäten in Derivaten eine Anlehnung an die Swiss GAAP FER (Fachempfehlungen zur Rechnungslegung) zweckmässig. Die Bewertungsvorschriften für Derivate der Swiss GAAP FER orientieren sich an den Gründen des bilanzierenden Unternehmens für den Einsatz derivativer Instrumente. Dabei werden drei Motive unterschieden: Der Handel, die Absicherung und «andere Motive». Bei der Handelsabsicht verlangt der Standard FER 10 die Bewertung zu Markwerten. Für Derivatkontrakte, die der Absicherung operativer Geschäfte dienen, das heisst ein Risiko reduzieren oder schliessen sollen, können die gleichen Bewertungsgrundsätze wie beim abgesicherten Grundgeschäft verwendet werden. Für andere Motive, wie Anlage, gilt das Niederstwertprinzip. In jedem Fall verlangen die Swiss GAAP FER die Offenlegung der Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze. Zusätzlich sind für die drei Motive die Kontrakt- sowie die Wiederbeschaffungswerte auszuweisen. Somit verbuchen Unternehmen, die ihre Jahresrechnungen nach den aktienrechtlichen Bestimmungen oder nach Swiss GAAP FER aufstellen, Derivate vornehmlich als Ausserbilanzgeschäfte.

Das Ausmass der eingegangenen Geschäfte und die damit zusammenhängenden Risiken können im Anhang nachvollzogen werden, sofern dieser mindestens nach den Vorgaben von FER 10 erstellt wird. In der internationalen Rechnungslegung sind Derivate zwingend in der Bilanz zu erfassen. Die Bewertung orientiert sich in der Regel an Marktwerten. Die Wertänderungen zwischen den Bilanzstichtagen sind im Normalfall erfolgswirksam zu erfassen. Auch wird der Begriff des Derivates im Vergleich mit unseren gängigen Vorschriften erheblich weiter gefasst. Dies führt dazu, dass bestimmte Verträge, wie der beabsichtigte Kauf von Elektrizität, für die Rechnungslegung bereits ein derivatives Finanzinstrument darstellen können. Zusätzlich sind neu «eingebettete Derivate» definiert worden. Diese kombinieren einen Basisvertrag (wie eine Anleihe) mit einem Derivat (zum Beispiel Option zum Bezug von Aktien), in diesem Fall in der Form einer Wandelanleihe.

Umgehungen verhindern

Somit könnte das Unternehmen die Vorschriften zur Rechnungslegung für Derivate durch eine Kombination wie den Kauf einer Anleihe und den zeitgleichen Kauf einer Option auf die Aktien des gleichen Unternehmens umgehen. Um das zu vermeiden, verlangen die internationalen Vorschriften die Zerlegung dieser Produkte in ihre Komponenten und eine getrennte Bewertung, ausser das kombinierte Produkt wird als Ganzes zum Marktwert verbucht. Von der erfolgswirksamen Erfassung von Marktwertänderungen sind derivative Finanzinstrumente einzig ausgeschlossen, sofern Absicherungszwecke für Risiken aus dem operativen Geschäft verfolgt werden. Bei der Absicherung wird einem Grundgeschäft ein Gegengeschäft gegenübergestellt, sodass sich Verluste und Gewinne kompensieren. Die Abbildung solcher Sicherungsbeziehungen in der Rechnungslegung ist der Kernpunkt des Hedge Accounting. Dieses ist notwendig, da bestimmte Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die abgesichert werden, anderen Bewertungsvorschriften als die Derivate selbst unterliegen. Damit solches Hedge Accounting nicht Tür und Tor dafür öffnet, dass Gewinne und Verluste auf Derivaten unsichtbar werden, knüpfen die Rechnungslegungsgrundsätze diese Anwendung an Voraussetzungen. So werden die Merkmale von Grundgeschäften, die abgesichert werden können, und von risikominimierenden Absicherungsgeschäften genau beschrieben. Zudem wird die Effektivität der Absicherung gefordert, ihre Messung verlangt und die Dokumentation solcher Beziehungen vorgeschrieben. Nur unter Einhaltung dieser Vorschriften können Gewinne und Verluste aus gesicherten Transaktionen und dem zur Absicherung eingesetzten Derivat in einer Position erfasst werden.

Nur bedingte Transparenz

Die Offenlegungspflichten wollen dem Bilanzleser Aufschluss geben, welche Bedeutung Derivate für die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens haben. Neben den Rechnungslegungsgrundsätzen sowie Art und Umfang der eingesetzten Instrumente sind daher die mit Derivaten verbundenen Risiken wie das Zinsänderungsrisiko, die Marktwerte und die Methoden zu deren Ermittlung anzugeben. Zudem sind Angaben zum Management des Risikos aus Derivaten und zum Hedge Accounting vorgeschrieben. Einfachere Rechnungslegungsgrundsätze für Derivate sind erwünscht und sind ein Schritt in die richtige Richtung. Denn die Rechnungslegung muss einen klaren Blick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens fördern.

Andreas Loetscher, Partner bei Ernst & Young, Wirtschaftsprüfung Banken und Versicherungen, Zürich.