Für eine Branche, die Zeitersparnis verkauft, sollte es schneller gehen. Da überbieten sich die Businessjet-Hersteller mit Geschwindigkeitsrekorden, Gulfstream hängt gerade alle mit ihrem ultraschnellen G650 ab – und doch spüren die Unternehmen in diesem Markt für Reiche und Geschäftsreisende erst einen Hauch von Aufwind. Nur langsam kehrt die Zuversicht zurück, endet die jahrelange Krise. «Nach einer Reihe verfehlter Hoffnungen auf den Aufschwung ist der Pessimismus verständlich», sagt Richard Aboulafia, Chefanalyst der Beratungsfirma Teal Group. Und doch unbegründet: In fünf Jahren wird sich der Markt für Businessjets auf 28 Milliarden Franken fast verdoppeln, schätzt er.

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Erste Unternehmen geben bereits Gas. Als VistaJet-Gründer Thomas Flohr Ende März in Bombardiers Hauptquartier in Montreal stand, sagte der Selfmade-Milliardär beim Anblick seines neuen Riesenfliegers Global 6000 bewegt: «Das ist ein sehr spezieller Tag.» Immerhin hat Flohr einen riesigen Schritt gewagt. Insgesamt 56 Flugzeuge hat er bei Bombardier für seine in Baar ZG angesiedelte Privatjet-Firma geordert, mit einer Option auf 86 weitere – für insgesamt sieben Milliarden Franken. Flohr will expandieren, so schnell es geht. Nicht anders die Businessjet-Firma NetJets von Investor Warren Buffett, die ihr Europa-Hauptquartier ebenfalls in der Schweiz hat. Sie orderte mehrere hundert Flieger für neun Milliarden Franken.

Starke Schweiz. So beeindruckend die Milliarden-Investments auch klingen: Noch ist das Vertrauen in der Geschäftsfliegerbranche so schmal wie ein Kondensstreifen. Zu viel Geduld wurde den Managern abverlangt, die seit dem schweren Markteinbruch 2009 jahrelang unter der Wirtschaftskrise litten. Seither schrumpften die Orders vor allem für die kleineren Flieger – die 4 bis 23 Millionen Franken pro Stück kosten – um sagenhafte 56 Prozent. Nur die wirklich Reichen, die sich Jets weit über diesem Preis leisten können, liessen sich von der Flaute nicht beeindrucken und kauften weiter. Jetzt starrt die Branche auf die Absatzzahlen der günstigeren Flieger, die das Businessjet-Geschäft allein durch ihre schiere Masse wieder richtig in Fahrt bringen könnten. Sie erhalten gerade wieder Auftrieb – wenn nicht neue Krisenherde auftauchen.

Vor allem in den USA nehmen wieder mehr Unternehmen Geschäftsflugzeuge auf die Budgetlisten. Dort erhole sich die Wirtschaft deutlich schneller als in Europa, stellt etwa Daniel Clare, Präsident des Schweizer Geschäftsflieger-Dienstleisters Jet Aviation, fest. Innerhalb Europas, wo hohe Kosten durch strenge Regulierung und teure Ökoauflagen die Businessjets zum noch kostspieligeren Vergnügen machen, erhält vor allem die Schweiz den Markt aufrecht.

Nirgends sonst sind derart viele Kunden so eng versammelt wie auf schweizerischem Territorium. So ist Genf nach Paris-Le Bourget einer der am häufigsten angesteuerten Flugplätze Europas, Zürich folgt auf einem der vorderen Ränge. Sie werden im kommenden Auftrieb der Branche gewinnen. Teal-Berater Aboulafia erwartet dieses Jahr ein weltweites Plus beim Absatz der Businessjets von acht Prozent. «Die Bedingungen sind gut», sagt er. «Die Firmengewinne erholen sich, es gibt genug Flugzeuge im Markt. Das kann plötzlich ganz schnell losgehen.»

Gerade in der Schweiz stellen sich mehr und mehr Firmen auf einen neuen Boom ein. Am EuroAirport in Basel hat Amac einen dritten Hangar eröffnet und 150 neue Jobs geschaffen. Konkurrent Jet Aviation entliess seit 2009 jeden dritten Mitarbeiter – und plant nun laut Präsident Clare, wieder vermehrt Leute einzustellen. Die in Zürich ansässige ExecuJet Aviation Group investiert erstmals in Helikopter und prüft den Aufbau einer ganzen Helikopterflotte für VIP-Passagiere in Europa. Genauso stockt Hersteller Cessna seine Vertriebstruppe in der Schweiz, Deutschland und Spanien auf. Weltweit sollen im Vertrieb fast 50 Prozent mehr Jobs entstehen. «Dieser Schritt zeigt, dass wir in die Zukunft investieren», sagt CEO Scott Ernest.

Asien und Afrika sind die grossen Schlagworte der Manager, wenn es um die neuen Zünder für das Businessjet-Geschäft geht. Beide Regionen sind jung für die Branche, die Märkte erst im Aufbau, das Interesse allerdings hoch. Cessna-Chef Ernest rechnet damit, dass China bis 2025 zu einem seiner Top-Ten-Märkte aufsteigt. Im April startete er dafür eine Gemeinschaftsfirma mit dem chinesischen Hersteller Caiga zur Produktion von Fliegern des Typs Citation XLS+ in dem Land. Auch VistaJet-Gründer Flohr sagt: «Ich sehe eine starke Nachfrage nach Transportmöglichkeiten von Afrika nach China, von Russland in den Mittleren Osten.» Darauf richtet er sein Unternehmen jetzt aus.

Hoffnungsträger Afrika. Gerade der afrikanische Kontinent, der derzeit auch Grosskonzerne wie Nestlé mit seinen immensen Wachstumschancen anlockt, hat es den Businessjet-Firmen neuerdings angetan. Im Februar eröffnete Flohr in Uganda eine Basis für VistaJet. Seine Jets hoben allein im vergangenen Jahr mehr als 900-mal von Nigeria aus ab. Bombardier-CEO Pierre Beaudoin sieht in Afrika grosse Chancen. «Die dortige Bevölkerung ist ein Gefangener ihrer mangelnden Infrastruktur.» Es fehle an Flugverbindungen. Dabei zögen gerade Afrika, Asien und Südamerika schon den Hauptteil der Investitionen in der weltweiten Wirtschaft an: Voriges Jahr seien dort 630 Milliarden Franken investiert worden, verglichen mit 510 Milliarden in Industrienationen. «Wir sind an einem Wendepunkt. Wir müssen dort vorstossen», sagt Beaudoin über die neuen Wachstumsländer. Sonst täten es andere.

Für den grossen Sprung fehlt noch ein wichtiges Element: genügend Finanzmittel. Erst allmählich finanzieren Banken Businessjets zu günstigeren Konditionen als in Krisenzeiten. Der leichtere Zugang zu Geld wird zum Turbo für den Aufschwung – vor allem auch ausserhalb des Geschäftsfeldes der Firmenjets. Schliesslich kann sich nicht jeder Privatkäufer wie die Flugzeugfans und Piloten John Travolta und Tom Cruise oder Showmasterin Oprah Winfrey einen eigenen Jet von Gulfstream, Boeing oder Bombardier leisten. So soll Cruise 26 Millionen Franken für seine Gulfstream gezahlt haben, die ihm einen Webzugang ermöglicht und viele weitere Extrawünsche.