Es gibt Produkte, die lassen sich durch klares Offenlegen ihres Inhaltes gut verkaufen. Autos zum Beispiel (Leistung, Interieur) oder Fernsehgeräte (Anzahl Sender, HD-Tauglichkeit) oder Ausgabe 8/07 der «Annabelle» (Frauen über Fünfzig, fudiblutt). Die Details im Innern des Produktes beeinflussen ganz direkt den Kaufentscheid. Wer will schon untermotorisiert auf die Autobahn, technisch unterversorgt TV gucken oder uninformiert in der Kaffeepause erscheinen? Eben.



Dann aber gibt es Produkte, da weiss eh jeder, was drin ist, also wird ein bisschen intensiver darauf geschaut, was drumherum ist. Als Beispiel hierfür führen wir, nicht ganz zufällig, Schokolade an. Der Schein in diesem Fall ist mindestens so wichtig wie das Sein. Qualität einmal vorausgesetzt. So wahnsinnig stark unterscheiden sich die verschiedenen Schokoladen heutzutage nämlich auch wieder nicht voneinander, als dass das Gros der Konsumenten Kilometer unter die Füsse nehmen würde, nur, um an die eine oder andere «Milch» oder «Nuss» zu gelangen. Wie aber lässt sich der Gluscht auf eben diese eine oder andere Schokolade dennoch fördern, wenn nicht durch die eigentliche Benchmark, den Geschmack? Genau – gut verpackt ist halb verkauft! Manchmal klappt das besser. Manchmal schlechter. Wie das Beispiel Cailler im letzten Jahr eindrücklich aufgezeigt hat.

Im Februar 2006 nämlich verpasste die Nestlé-Tochter ihren altbewährten Produkten ein cooles Outfit. Und landete damit einen veritablen Flop. Die Konsumenten machten fortan einen grossen Bogen um die zweifelsohne einwandfreie Ware, die transparente Verpackung schien sie eher vom Kauf abzuhalten als dazu zu animieren. Discounter Denner gar warf die Marke aus dem Sortiment, weil die Verpackungsorgie zu geänderten Konditionen geführt hätte. «Die Konsumenten wollen keine Verpackung essen», sagte damals Denner-Chef Philippe Gaydoul.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Rückgewinnung der Vergraulten



Man sei wohl «zu modern» aufgetreten in einem Segment, das grossen Wert auf Tradition lege, auf History und Erinnerungen, heisst es heute in der Cailler-Zentrale kurz und bündig. Der Konsument, ein Gewohnheitstier beseelt vom Glauben an das gute Alte, hat sich durch den von der damaligen Nestlé-Chefin Nelly Wenger und Star-Architekt Jean Nouvel inszenierten Verpackungscoup schlicht vor den Kopf gestossen gefühlt.

Eineinhalb Jahre später macht sich Cailler nun daran, die Zuneigung der vergraulten Käuferschicht zurückzuerobern. Und wie im wirklichen Leben muss auch auf der Ebene Vermarktung die eine Liaison zuerst abgeschlossen werden, damit die andere sich unbelastet entwickeln kann.

Erster Streich abgeschlossen



In Phase 1 wurde deshalb ein Schlussstrich unter die «Plastik-Affäre» gezogen. Im Frühjahr gelangte «die Cailler» in leicht modifiziertem, jedoch altbekannten Erscheinungsbild in den Verkauf. Vor einem Monat folgte der logistische Kraftakt: Über 2 Mio Tafeln Schokolade, akkurat verpackt, wurden übers ganze Land verteilt (siehe auch Handelszeitung Nr. 19, Seite 8).

Versehen war das Stückgut mit einem Empfehlungsschreiben von «ihrem Cailler-Team», das mit salbungsvollen Worten auf gemeinsame schöne Erinnerungen aufmerksam machte. «Mit diesem Brief wollten wir mit dem Konsumenten in einen Dialog treten, ihm aufzeigen, dass wir zugehört und sein Anliegen verstanden haben», bemerkt dazu Esther Flückiger von Cailler; «das Vertrauen in unsere Produkte soll wieder gestärkt werden». Die Reaktionen auf die Geschenkaktion auf jeden Fall seien durchs Band positiv ausgefallen.

Doch der Zweite folgt sogleich



Letzte Woche nun läutete man bei der Nestlé-Tochter Phase 2 des Relaunches ein – die Emotionalisierung der Marke. In einem TV-Spot entdeckt eine junge Frau die hohe Kunst der Schokoladenherstellung. Und die sieht in etwa so aus: Man nehme Liebe, Freude, Leidenschaft, vermenge diese mit gesunder Alpenmilch und Kakao – fertig ist die Qualitätsschoggi. Ein modernes Märchen, stimmig umgesetzt und tausendfach bewährt in seiner Art, ideal, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf ein Produkt des Massenmarktes zu lenken.

Oder, wie Kurt Schmid, Chef der Zürcher Werbeagentur Lowe, sagt: «Die Leute sollen merken, dass jede Schokolade eine emotionale Bestimmung hat. Wir geben den Konsumenten jene Cailler zurück, die sie kennen und mögen».

Die Botschaft, die da zwischen Bottichen und Sternenstaub vermittelt wird, ist einfach und zielt auf den Mehrwert des Produktes ab. Und der besteht aus «pure chocolat» (reiner Schokolade) und «pure émotion» (unverfälschter Emotion).

------

Partnerwahl: Erfahrung verbindet



Relaunch

Kurt Schmid ist Chef der Zürcher Werbeagentur Lowe (1818, BMW, Nestea). Und diese zeichnet mitverantwortlich für die Cailler-Kampagne. Die Agentur hat schwierige Zeiten hinter sich, musste zwei lukrative Kunden ziehen lassen, hat redimensioniert, ist eine Allianz mit DraftFCB eingegangen und von der City in die Agglomeration gezogen. Nun erlebe man in Wallisellen «eine wahre Renaissance», sagt Kurt Schmid. Zwischen dem Schokoladenhersteller und der Kreativfirma bestehen also durchaus Parallelen. Insbesondere mit Blick auf den Neustart. Bei Lowe nämlich weiss man aus eigener Erfahrung, was es heisst, sich neu am Markt positionieren zu müssen.