Der Schweizer Beratungsmarkt ist ein reifer Markt: Zwischen Beratern und Kunden gibt es vielfältige Beziehungen, und die Nachfrager kennen Stärken und Schwächen der Anbieter ausgezeichnet. Die Management-Consultants haben es mit gut informierten Managern zu tun, die keine Folienschleuderer dulden, sondern konkrete Ergebnisse erwarten.
Wer sich also in einem Beratungshaus in der Schweiz als Chef bewähren will, muss nicht nur den Markt und die Kunden gut kennen, sondern auch einen ausgezeichneten Leistungsausweis besitzen. Und das Traditionshaus Roland Berger würde auch nicht irgendeinen Berater dafür aussuchen. Im Falle von Carsten Henkel hatte die Strategieberaterin in Zürich Glück: Erstens führte er bereits über fünf Jahre lang erfolgreich eine Konkurrentin, die Monitor Group. Und bei seiner alten Arbeitgeberin war man über seinen Weggang nicht gerade erfreut. Zweitens war das Angebot von der Neumünsterallee in Zürich nicht das erste, das Henkel bekam – ein gefragter Mann.
Unternehmerischer Geist
Warum aber der Wechsel? Was hat Carsten Henkel an Monitor gestört? Wer bei einer solche Frage eine richtige Antwort erwartet, wäre naiv – Diskretion gehört seit jeher zu den wichtigsten Tugenden der Beratergilde. Erst die Nachfrage in seinem Umfeld schafft Klarheit: Zu Anfang muss es ihm grossen Spass gemacht haben, ein Büro von 2 auf 17 Berater auszubauen, und das in einer schwierigen Zeit. Denn ab 2001, seinem Beginn bei Monitor, ging es mit der Branche im Gefolge der platzenden New-Economy-Blase und «9/11» so schlecht wie schon seit Jahrzehnten nicht. Trotzdem konnte Henkel das Haus vergrössern. Dennoch hatte der deutschsprachige Raum für Monitor wohl einfach zu wenig Bedeutung. Carsten Henkel sagt dazu jedoch nur: «Es war eine gute und wertvolle Erfahrung, und ich habe viel gelernt.»
Bei Roland Berger geniesst Carsten Henkel die enge Zusammenarbeit in einem Team von Senior-Beratern, um im täglichen Geschäft mit den Kunden am Ball zu bleiben. Denn die Arbeit mit den Kunden bleibt auch für den Chef der Landesniederlassung die wichtigste Tätigkeit. «Das ist es, was mir bei Roland Berger so gefällt: Auch nach 40 Jahren gibt es in unserem Hause noch echten unternehmerischen Geist.» Dazu gehörten Pragmatismus und wenig Bürokratie mit kurzen Entscheidungswegen. Was US-Unternehmen ja nicht immer nahe liegt …
Kindheit auf dem Bauernhof
Wer aber ist dieser Carsten Henkel, dessen Namen unzweideutig auf eine deutsche Herkunft schliessen lässt? Gross geworden ist er auf dem elterlichen Bauernhof in der Nähe von Hannover. Sein Vater arbeitete später aber auch in der Transportindustrie. Als Junge spielte der junge Carsten oft in den Wäldern, rundum ein «normales» Leben also, ohne besondere Bevorzugung. Dies liess ihn immer Bodenhaftung bewahren. Und arrogant wirkt er kein bisschen; wer den unsympathischen Deutschen sucht, wird bei ihm nicht fündig. Das gilt auch für den Umgang mit Journalisten, die er respektvoll behandelt: Nicht zuletzt dank gelegentlichem Feedback seiner Schwester, selber Journalistin.
Reserveoffizier Carsten Henkel absolvierte eine Banklehre bei der Deutschen Bank in Hamburg und machte an der dortigen Uni auch das Vordiplom. 1987, also vor 20 Jahren, lockte es ihn an die HSG, wo er nach dem Studiumabschluss in Betriebswirtschaftslehre auch noch ein Doktorstudium anhängte. Er bekam sogar ein Stipendium von Volkswagen. Dann, zurück in Deutschland, arbeitete er knapp acht Jahre bei A.T. Kearney in Düsseldorf für Projekte in ganz Europa und wurde Principal; seit 1999 lebt er in der Schweiz. Er war hier zuerst bei der Boston Consulting Group Senior Manager, dann ab 2001 bei Monitor.
Wochenenden nicht besetzen
Henkel spricht kein Schweizerdeutsch. «Ich bin teilassimiliert», beschreibt er sich selber; seine Frau, die er vor neun Jahren geheiratet hat, ist Österreicherin. Kennengelernt hat er die Modedesignerin im Flugzeug.
Die Familie ist für ihn die klare Nummer eins im Leben. Und es soll trotz vielem Stress immer genug Zeit für sie sowie für Freundschaften und den Sport bleiben. Deshalb rät er auch allen Beratern davon ab, das Wochenende mit zu viel Arbeit zu verplanen: «Nur ausgeschlafene Berater entwickeln kreative Ideen.» Auch er selber nimmt nur selten Arbeit mit nach Hause.
Das klingt nach nahezu perfekter Work-Life-Balance. Aber auch hier macht seine Reaktion klar, dass er nichts mit Beschönigungen am Hut hat: «Work-Life-Balance, ja, das versuchen wir krampfhaft. In meinem Beruf ist das äusserst schwierig.» Er sei dem grossen Ziel zwar näher gekommen, aber es sei noch nicht richtig gelungen, diese Balance hinzubekommen. «Wichtig ist einfach», meint Henkel, «dass die Arbeit auch Freude macht.» Und ohne gesunden privaten Hintergrund könne sie das ja nicht. Und deswegen werden Erfolge auch gemeinsam mit allen Beteiligten gefeiert.
Welche Zusatzaufgaben bringt die Funktion eines Managing Partners mit sich? Auch hier bleibt Henkel bescheiden: «Es ist halt eine formale, administrative Rolle und noch ein wenig mehr die Aufgabe der Beziehungspflege. Das Wichtigste bleibt aber die gute Kundenberatung und die Ausbildung der Berater.»
Doch wie führt man Berater, die von Natur aus eher wie Katzen statt wie etwa Hunde geführt werden wollen, keine «Leine» vertragen? Berater seien erfolgsorientiert, da sei Führung einfach die Überwachung eines gemeinsamen Ziels. «Ich sehe es auch als wichtige Aufgabe an, Jung-Consultants frühzeitig in die Aufträge zu involvieren. Und entscheidend ist immer das Teamplay auf der Partner- und Principal-Ebene. Ohne Team gibt es keinen Chef. Die tägliche Führung passiert immer im Projekt.»
Dabei gilt für ihn immer, dass man nicht führen kann, ohne die Ansprüche gegenüber Kollegen auch selber vorzuleben. Henkel fordert klare Ergebnisse ein, lässt aber auch Freiräume und unterstützt, wo nötig. Und bei Teamsitzungen passiert es immer wieder, dass sich ein junger Consultant mit seinen Argumenten durchsetzt: «Das beste Argument muss gewinnen, egal von wem es kommt», erklärt Henkel. Und Teams funktionierten nur durch offene Kommunikation.
Zuerst ein Lächeln
Carsten Henkel ist kein kühler Norddeutscher, «unaufgeregt» im positiven Sinne trifft es eher. Er ist von der Persönlichkeit her sehr belastbar – «mich wirft so schnell nichts aus der Bahn», sagt er über sich selber. In Krisenzeiten – und die gab es freilich auch – bleibe er ruhig, versuche zuerst einmal etwas Zeit zu gewinnen und nachzudenken, um dann aber schnell zu entscheiden. «Ich bin ein leidenschaftlicher Problemlöser», sagt er, und die Freude an Herausforderungen kann man ihm fast an den Gesichtszügen ablesen. Bei kritischen Fragen reagiert er denn auch zuerst mit einem Lächeln und nicht mit Abwehr, bevor er zu argumentieren beginnt, nicht dogmatisch, und immer gespickt mit Humor. Der Mann kann auch über sich selber lachen.
Carsten Henkel hat Vorbilder. Aber solche, die man gerade bei Beratern nicht erwarten würde: Mutter Teresa und Gottlieb Duttweiler. Sie hätten beide auf ihre Art konsequent für ihre Ziele gelebt und damit auch Erfolg gehabt.
Ende August feiert Roland Berger mehrfach: Gründer Roland Berger, ein überzeugter Bayer, wird 70. Sein Unternehmen wird 40, und die Schweizer Niederlassung 10 Jahre alt. Und der Norddeutsche passt da gut hinein.
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ZUR PERSON
Steckbrief
Name: Carsten Henkel
Funktion: Managing Partner, Roland Berger AG Strategy Consultants
Schweiz, Zürich
Alter: 44
Wohnort: Küsnacht
Familie: Verheiratet
Karriere:
- 1991–1999 A.T. Kearney, Düsseldorf, Principal
- 1999–2001 The Boston Consulting Group, Senior Manager, Leiter Industrial Goods/operational Effectiveness Schweiz
- 2001–2006 Managing Partner, Monitor Group Zürich
- Seit 2007 Managing Partner, Roland Berger Schweiz, Zürich
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Führungsprinzipien
1. Führen durch Beispiel.
2. Führen durch Zielsetzung und Freiräume.
3. Führen durch offene Kommunikation.
4. Spass an Teamarbeit fördern.
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Firma
Roland Berger Strategy Consultants 1967 gegründet, ist sie eine der weltweit führenden Strategieberatungsfirmen, mit 33 Büros in 23 Ländern, getragen von über 130 Partnern. 1700 Beschäftigte erwirtschafteten 2006 einen Umsatz von 555 Mio Euro. Die Roland Berger AG Schweiz hat 50 Beschäftigte.