Nichts ärgere ihn mehr, als wenn er bei einem Mountainbike-Rennen geschlagen werde, heisst es über Carsten Schloter, wenn man sich innerhalb der Swisscom über den neuen CEO kundig macht. Kein Wunder, absolviert Schloter doch allmorgendlich auf dem Laufband im Keller seines Hauses im freiburgischen Tafers zwanzig Kilometer – eine Trainingsdisziplin, die wohl die wenigsten seiner Mitarbeiter oder seiner sportlichen Kontrahenten aufbringen. Und komme er einmal nicht zu seinem Lauftraining, sei er tagsüber bisweilen unausstehlich, ist aus seinem Umfeld zu hören. Sport sei denn auch die einzige ausserberufliche Tätigkeit, die dem ehrgeizigen Manager neben seinen 14-Stunden-Tagen noch bleibe. Tage, die er praktisch immer ohne Mittagspause durcharbeitet. Tage auch, die mit dem Frühsport bereits um fünf beginnen. Nur die Wochenenden widmet er seiner Frau und seinen drei Kindern.

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Doch nicht nur seine sportlichen Ambitionen decken sich mit dem weit verbreiteten Musterbild des Erfolgsmanagers – das sehr an die schematischen Vorzeigebiografien von McKinsey-Adepten erinnert –, auch fachlich kämpft der neue Swisscom-CEO um die Vorherrschaft. Er kenne jede Kennzahl seines Unternehmensbereichs, keine noch so unbedeutende Neuigkeit entgehe ihm, das Leistungsprinzip sei das Einzige, was er gelten lasse. «Carsten Schloter hat sich allein durch seine Leistung an die Spitze gearbeitet, im Gegensatz zu Jens Alder verfügt er nur innerhalb seines Teams über eine gewisse Seilschaft, und die intensive Netzwerkarbeit seines Vorgängers ist ihm völlig fremd», erzählt einer aus seinem Umfeld.

Mit viel Achtung und einer gehörigen Portion Bewunderung sprechen die Mitarbeiter über ihren Chef, auch wenn sie sich durchs Band darüber beklagen, dass er ihnen eher zu wenig Freiraum lasse. Er höre sich zwar alle Vorschläge an, die Entscheidung fälle er aber im Alleingang, was bei seinen Mitarbeitern doch hin und wieder zu Frustration führt. Da er alles unter Kontrolle haben wolle, falle es ihm auch schwer zu delegieren. «Schloter ist sich bewusst, dass er diesen Kontrollwahn so rasch als möglich ablegen muss. Was im Mobilbereich noch möglich war, wird er im Konzern kaum mehr durchsetzen können, muss er sich doch jetzt auch mit weniger interessanten Bereichen beschäftigen. Die vollständige Kontrolle über alles und jedes wird er hier kaum mehr ausüben können», sagt einer aus seinem Team.

Das Bild, das sein engeres Umfeld von ihm zeichnet, deckt sich weitgehend mit seiner Wahrnehmung in den Medien. Auch wenn sich viele verwundert die Augen gerieben haben, als die langjährige Nummer zwei im Swisscom-Konzern ohne zu zögern seinen Vorgänger beerbte. Und dies, obwohl er die Strategie, die heute vom Bundesrat harsch kritisiert wird, jahrelang mitgetragen hatte. «Ich habe keinen eigenen Radar. Ich sehe nur, was auch Jens Alder sieht», sagte er vor zwei Jahren in einem Interview. Verblüfft hat es vor allem intern viele Mitarbeiter, wie schnell sich Schloter das vom Bundesrat geschnürte Strategiekorsett übergezogen hat, um seine eigene Karriere zu beschleunigen. Nur: Für einmal wird er es selber sein, der mit kurzer Leine zu leben hat. Denn, so ist man sich in der Branche einig, in den nächsten zwei Jahren wird er kaum grosse strategische Würfe realisieren können. Der entscheidende Befreiungsschlag, auf den die Kapitalmärkte schon seit langem warten, wird so schnell nicht kommen.

Schloter wird wie sein Vorgänger vom Wohlwollen des Bundesrates abhängig sein. Ohne Absprache mit der Landesregierung wird er keinen grösseren Schritt wagen können. Entsprechend positiv sind denn auch die Signale, die aus dem bundesrätlichen Umfeld zur Wahl Schloters kommen, weil die Landesregierung davon ausgeht, dass mit Alders Nachfolger die Chancen für eine vollständige Privatisierung der Swisscom gestiegen sind. Während sich Alder dagegen wehrte, hielt sich Schloter zurück. Auch sei er bei den Verhandlungen mit ausländischen Übernahmekandidaten nie anwesend gewesen, ebenso wenig bei den Gesprächen mit dem Bundesrat, so Verwaltungsratspräsident Markus Rauh in einem Interview mit der «Südostschweiz». Rauh weiter: «Diesbezüglich ist Schloter unbefleckt.»

2001 war Schloter als jüngstes und erstes ausländisches Mitglied in die Konzernleitung der Swisscom berufen worden. Zuvor hatte der studierte Betriebswirtschaftler und Informatiker für Mercedes-Benz in Frankreich die Telekomtochter Debitel aufgebaut und seit 1992 geleitet. Dass er nun dem zweiten internen Favoriten für die Nachfolge Alders vorgezogen wurde, hängt damit zusammen, dass er im Gegensatz zu den Managern der Swisscom-Festnetzsparte nicht als von der Technologie, sondern als vom Marketing angetriebener Manager gilt. Dieser Umstand sei bei der Wahl Schloters im Verwaltungsrat ausschlaggebend gewesen – der intern lange als Kronfavorit gehandelte Festnetzchef Adrian Bult ging leer aus. Als externer Kandidat war überdies noch Urs Fischer im Gespräch, der ehemalige Sunrise-CEO und heutige Chef von Hewlett-Packard Schweiz.

Für Schloters Wahl sprachen in erster Linie die finanziellen Erfolge bei Swisscom Mobile. Die Sparte steuert mehr als die Hälfte zum Konzerngewinn bei, 4,2 Millionen Kunden telefonieren heute mit einem Swisscom-Mobilabonnement. Auch war Schloter massgebend für die Erfolg versprechende Kooperation mit Vodafone verantwortlich, die heute mit 25 Prozent an der Swisscom Mobile beteiligt ist. «Diese Entscheidungsfreude ist genau das, was die Swisscom auch in Zukunft braucht», urteilt Fritz Sutter, ehemaliger Swisscom-Manager und heutiger Präsident des Schweizerischen Verbandes der Telekommunikationsbenützer (Asut).

Allerdings irritiert doch ein wenig, dass die Gewinnzahlen von Swisscom Mobile als Hauptargument für Schloters Fähigkeiten herhalten müssen. Denn schliesslich war es nicht zuletzt der Mobilbereich der Swisscom, der dank später Liberalisierung und Privatisierung in der Schweiz jahrelang eine faktische Monopolrente einfahren konnte. So galten die Swisscom-Mobiltarife lange als die höchsten Europas, die Kunden zahlten das Doppelte oder das Dreifache dessen, was Mobilkunden etwa in Deutschland für vergleichbare Leistungen bezahlen mussten.

Das ging so weit, dass die Schweizer Swisscom-Handykunden im Jahr 2004 gar um beinahe fünf Prozent weniger mit ihren Mobiltelefonen telefonierten. Und das in einem Bereich, der weltweit boomt und bis zu zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Erst im vergangenen Jahr gab die Swisscom ihre Position des friedlichen und quasioligopolistischen Nebeneinanders mit ihren Konkurrenten Sunrise und Orange auf und betätigte sich erstmals als Preisbrecherin im Mobilbereich. Schloter musste reagieren, um die Abwanderung der Kunden zur Konkurrenz zu bremsen. Doch vor allem galt es, den durch die Hochpreispolitik der Swisscom ausgelösten Verweigerungstrend der Stammkunden umzukehren.

Die fetten Jahre sind für die Swisscom vorbei. Die letzte Meile wird in absehbarer Zeit fallen, keiner der befragten Experten rechnet damit, dass die Swisscom um weitere Marktanteilsverluste herumkommen wird. «Vor allem Cablecom wird der Swisscom das Leben schwer machen, und auch die Internettelefonie dürfte schmerzhafte Einbussen bringen», so Asut-Präsident Fritz Sutter. Und der Präsident der Kommunikationskommission Comcom, Marc Furrer, rechnet für die Swisscom mit einem weiteren Margenverlust.

Entscheidend wird jedoch sein, wie stark sich Schloter in nächster Zeit in die politische Diskussion einbringen kann. Immerhin will das Parlament in diesem Frühjahr über die volle Privatisierung der Swisscom entscheiden, wie dies vom Bundesrat gewünscht wird. Allerdings sind infolge der Ablehnung durch die SP, die Grünen und auch die CVP die Chancen nicht allzu gut, dass die Vollprivatisierung die erste Hürde im Parlament überhaupt nehmen wird. «Hier muss Schloter in die Hosen, die Swisscom muss sich erklären», so Marc Furrer.

Der Bayer Schloter, der den Grossteil seiner Jugend und auch seine Studienzeit in Frankreich verbracht hat, soll indes nach dem Wunsch des Swisscom-Verwaltungsrates aus der politischen Debatte herausgehalten werden. Verständlich, wenn man sich vor Augen führt, wie Schloter als Deutscher etwa in einer «Arena»-Sendung gegen eine heimatschützerische Gegnerschaft den Schweizerinnen und Schweizern eine Vollprivatisierung schmackhaft machen sollte.

Nur: Wer sich an die intensive Lobbyarbeit seines Vorgängers erinnert, der
die Parlamentarier in unzähligen Einzelgesprächen von seinen Plänen zu überzeugen versuchte, oder wer sich die politische Frontarbeit von SBB-Chef Peter Weibel vor Augen führt, dem fällt es schwer, daran zu glauben, dass ein Konzern wie die Swisscom ohne einen politisch engagierten CEO den schwierigen Gang in die Selbständigkeit schaffen soll. Zumal auch die Bevölkerung der Vollprivatisierung mehrheitlich ablehnend gegenübersteht.

Ob ihm der Verwaltungsrat diese Arbeit erfolgreich abnehmen kann, ist fraglich. Der heutige Verwaltungsratspräsident, Markus Rauh, tritt dieses Jahr ab und übergibt an den Ex-Migros-Boss Anton Scherrer. Beides Männer, die zwar in ihren Branchen grosses Ansehen geniessen, zwei Manager aber auch, die nicht gerade für ihre Lobbyingfähigkeiten bekannt sind.

Für Comcom-Chef Marc Furrer ist klar, dass sich Schloter zunächst daran gewöhnen muss, Chef eines politisierten Unternehmens zu sein. «Das heisst, dass er sich auch an die entsprechenden Nachteile gewöhnen muss», so Furrer.

Auch konzernintern warten Herausforderungen auf Carsten Schloter. So wird von ihm erwartet, dass er seine mehrfach geäusserte Vision der Zusammenlegung der Mobil- mit der Festnetzsparte umsetzt – was auch in der Konzernleitung zu einigen Veränderungen führen dürfte. Viele seiner Untergebenen im Mobilbereich hoffen darauf, dass er einem Teil von ihnen den Aufstieg in die Konzernspitze ermöglicht. Dabei werden ihre Chancen wohl geringer sein, als es ihre Hoffnungen heute sind.

Auf Schloter kommt vieles zu, was ihn bisher nicht zu interessieren brauchte. Deshalb wird er auf das Know-how der bisherigen Konzernleitungsmitglieder angewiesen sein. Intern wird kolportiert, Schloter habe dem Verwaltungsrat erst zugesagt, nachdem ihn Festnetzchef Bult seiner Zusammenarbeit für die nächsten 18 Monate versichert hatte. Was doch darauf hindeutet, dass Schloter so schnell keine grossen Veränderungen an der Konzernspitze vornehmen wird.

Länger dauern werden personelle Änderungen möglicherweise auch, weil in der Konzernleitung keiner Schloter wirklich ärgern wird. Denn sportlich und konditionell, so ist zu vernehmen, könne ihm auf dem Mountainbike keiner aus der Konzernleitung das Wasser reichen.