Carsten Schloter sprach niemand ein gesundes Selbstvertrauen ab, doch von oben herab trat er nicht auf. Ausser vielleicht, wenn er seinen täglichen Frühsport - 20 Kilometer auf dem Hometrainer, in 30 Minuten - auslassen musste. «Wenn ich das nicht mache», so Schloter in einem Interview, «bin ich unausstehlich.»
Da der gebürtige Deutsche beruflich wie sportlich sehr ehrgeizig war, kam das höchst selten vor. Normalerweise trat er motiviert, offen und direkt auf - «und immer mit Augenkontakt», sagte er der «Handelszeitung» im Jahr 2006. «Das ist eine Frage des Respekts gegenüber den Mitmenschen.»
Respekt hatte beim Senkrechtstarter, der im Jahr 2000 jüngstes Geschäftsleitungsmitglied von Swisscom wurde, viel mit Toleranz zu tun. Sein persönlicher Assistent etwa ging jeden Sommer zwei Monate in die Ferien. Sein Chef arbeitete in dieser Zeit. «Das ist für mich kein Problem», sagte Schloter. «Ich weiss, dass viele Angestellte bezüglich meines Arbeitspensums nicht mit mir tauschen möchten.»
Schloters Anspruch war Effizienz
Dazu gehörten damals auch die Mitarbeiterinnen seines Sekretariats. Drei Frauen teilten sich die 100-Prozent-Stelle. Zwei arbeiteten je einen Tag die Woche, die dritte war zu 60 Prozent angestellt. Sie wurde Mutter und reduzierte ihr Pensum. «Ich hätte sagen können: Okay, jetzt hat es keinen Platz mehr für dich. Doch warum sollte ich anderen Menschen mein Lebensmodell aufzwängen?»
Die Antwort gab Schloter gleich selbst: «Dafür gibt es keinen Grund. So lange jemand die Leistungsvorgaben erfüllt, soll er entscheiden, wie er am besten die Balance zwischen Arbeit und Privatleben findet.» Schloters Anspruch war Effizienz. Ausgedehnte Mittagspausen gab es bei ihm nicht.
Er war ein Arbeitstier. Auch zu Hause. Dort sass er oft an seinem Laptop. Über die Kommunikationskarte Swisscom Unlimited checkte er seine E-Mails. Auf dieses Produkt, das einige Preise gewann, war Schloter stolz. Es verschaffte Swisscom ein Erfolgserlebnis. Und ihm.
«Gemeinsame Momente, die wichtig sind»
Carsten Schloter startete als Chef der rentabelsten und am schnellsten wachsenden Swisscom-Sparte - Swisscom Mobile. Der Protégé von Swisscom-Chef Jens Alder folgte auf den fast 20 Jahre älteren Natel-Pionier Walter Heutschi. Dieser hinterliess zwar viele Ideen und Projekte, aber auch ein kreatives Chaos.
Der Betriebswirtschaftler und Informationstechniker Schloter hatte die Aufgabe, Ruhe und Struktur in die Division bringen. Er meisterte sie bravourös.
Jens Alder und er gingen alle paar Wochen ein Bier zusammen trinken. Ein Mal pro Jahr wurde sogar gemeinsam gekocht - zusammen mit den andern Geschäftsleitungsmitgliedern. «Wir tun das immer mit einer grossen Freude», sagte Schloter. «Das sind gemeinsame Momente, die wichtig sind.»
Direkte Kommunikation
Für ihn hatten institutionalisierte Erlebnisse mit den Mitarbeitern ausserhalb des Büroalltags einen festen Platz. «Darum herum entwickelt sich etwas Spontanes, Natürliches.» Diese Freimütigkeit pflegte er auch im Geschäftsalltag.
Eine einfach, direkte Kommunikation war für Schloter sehr wichtig. «Eine Begeisterung, wie wir sie bei uns haben, ist nur möglich, wenn man permanent ehrlich kommuniziert.»
Als er Chef der Swisscom wurde, stand Carsten Schloter für Aufbruch, für Jugendlichkeit. Er war von dem, was er tat, fasziniert und trug diese Begeisterung auch nach aussen. Er vermittelte ein frisches, dynamisches Bild des Unternehmens.
Mühe, sich von der Arbeit abzugrenzen
Sein deutscher Pass, seine Erfahrungen in Frankreich und seine Vielsprachigkeit gaben Swisscom im Auftritt eine internationale Note. Ausserdem galt er als innovativ, insbesondere was seinen Führungs- und Arbeitsstil betrifft.
So führte er bei der Swisscom ein, dass sich alle Mitarbeiter duzen. Auch hatte er kein eigenes Büro mehr. In Interviews erklärte er, dass er ohnehin viele Zeit in Sitzungen verbringe und dass er dank der modernen Telekommunikation von überall aus arbeiten könne.
So nahbar wie er war, als so fordernd galt er zugleich. Er war eine Führungskraft, welche von seiner Crew sehr viel einforderte. Selbst hatte er aber offenbar Mühe, sich von der Arbeit abzugrenzen - er stritt nicht ab, ein Workaholic zu sein, und er gab zu, sein Smartphone nicht abschalten zu können, um immer erreichbar zu sein.
Zu wenig Zeit für die Familie
In einem Interview mit der Zeitung «Schweiz am Sonntag» sagte er vor kurzem, dass er immer grössere Schwierigkeiten habe, zur Ruhe zu kommen und das Tempo herunterzunehmen.
Dennoch war er der Überzeugung, dass der Mensch Momente brauche, an denen er frei von jeder beruflichen und privaten Verpflichtung sei. Und dass zu viele Verpflichtungen jedem die Kehle zuschnürten. «Unter einem solchen Eindruck - dass es weniger Verpflichtungen sein könnten - stehe ich immer noch», sagte er in dem im Mai geführten Interview.
Schloter hinterlässt drei Kinder, seine Ehe ist in die Brüche gegangen. Der ehemalige Swisscom-Konzernchef räumte nach der Scheidung öffentlich ein, dass er sich zu wenig Zeit für die Familie genommen habe.
Mit Material von sda