Markus Bosserts Dilemma dürfte den meisten KMU-Chefs bekannt vorkommen: Der Gründer des St.-Galler Beratungs- und Schulungsunternehmens McBoss hatte bei einem Kunden eine Rechnung in der Höhe von mehreren Zehntausend Franken ausstehend, wollte aber nicht mit dem Gang zum Betreibungsamt drohen aus Angst, der Kunde könnte ihm verloren gehen. Bossert hatte seinen Ärger schon beinahe hinuntergeschluckt, als er per Zufall in einer KMU-Publikation auf das Inserat einer Factoring-Gesellschaft stiess, die ihren Kunden gegen das Vorzeigen einer Rechnung Cash versprach. Bossert sondierte den Markt und kam rasch zum Schluss, dass ihm die Zusammenarbeit mit einem Factoring-Anbieter viele Probleme gleichzeitig vom Hals schaffen könnte.
Vor knapp einem Jahr unterschrieb er bei der Thurgauer Prosperco Factoring. Die Tochter der Zürcher Finanzholding Prosperco managt seither für McBoss das Mahnwesen, bevorschusst die ausgehenden Rechnungen und versichert bei der Mehrzahl der Kunden auch noch das Delkredere. Mit diesem für die Factoring-Anbieter typischen Paket ist Markus Bossert restlos zufrieden. «Um offene Rechnungen brauche ich mich nicht mehr zu kümmern», kommentiert der Chef von unterdessen 18 festen und 51 freien Mitarbeitern, der früher durchschnittlich 58 Tage auf seine Rechnungseingänge warten musste.
Im Nachhinein wundert sich Bossert, dass er die Dienstleistung Factoring bis vor einem Jahr noch gar nicht gekannt hat, obwohl er eine solide kaufmännische Ausbildung vorweisen kann. Ein Zufall ist das allerdings nicht, denn das Factoring ist traditionell ein stilles Gewerbe. Der Grund: Vor allem der Rechnungsbevorschussung haftet in der konservativen Schweizer Geschäftswelt fast etwas Anrüchtiges an. Viele KMU-Chefs und -Manager glauben immer noch, es handle sich um das Geschäft zwischen einem Unternehmen, dem das Wasser bereits am Hals steht, und einem Kreditinstitut, das diese Notlage sittenwidrig ausnützt. Das ist falsch. Schwarze Schafe gibt es zwar auch in der Factoring-Branche, doch die meisten Anbieter sind seriös und wenden sich an Kunden mit einem funktionierenden Geschäftsmodell.
«Grosse Vorteile bringt das Factoring vor allem Unternehmen, die schnell wachsen und deswegen immer einen überproportional hohen Anteil von offenen Rechnungen haben», sagt Markus Bossert. Heuer will er seinen Umsatz von knapp 2 auf rund 4,4 Millionen Franken hochfahren. «Zwar könnten wir unsere Debitorenausstände auch mit einem Kontokorrent vorfinanzieren, doch das hat eine starre Limite, während die Bevorschussung durch unseren Factoring-Partner im Gleichschritt mit dem Umsatz wächst.»
Solche Aussagen sind Wasser auf die Mühlen von Hans-Peter Kellenberger, Geschäftsführer der UBS-Tochter Factors. Die 1963 vom damaligen Bankverein gegründete Factors hält gemäss eigenen Aussagen 80 Prozent Marktanteil und setzt jährlich rund zwei Milliarden Franken um. «Wir wachsen seit Jahren im zweistelligen Prozentbereich», erläutert Kellenberger und verweist auf einen der zentralen Gründe für den steten Aufwärtstrend. «Bis in die Neunzigerjahre konnte ein KMU-Chef zur Bank gehen und seine Rechnungen zu Geld machen. Heute jedoch gewährt praktisch kein Institut mehr diese Form des Zessionskredits.» Zusammen mit den neu eingeführten Risikoaufschlägen auf Krediten habe diese Umorientierung der Banken viele KMUs in Liquiditätsschwierigkeiten gebracht.
Von der verschärften Kreditpolitik der Banken betroffen war auch Werner Jost, Geschäftsführer der Berner Beleuchtungssystem-Herstellers Optelma. Ihn erwischte das Umdenken der Geldhäuser auf dem falschen Fuss, denn seine Optelma stand mitten in der internationalen Expansion. Da sei das Factoring eine ideale Lösung gewesen: «Ohne die zusätzliche Liquidität», blickt Werner Jost zurück, «hätten wir uns mit der Expansion schwer getan.»
Unterdessen sind die Exportpläne beim 90-Mann-Unternehmen Optelma verwirklicht, und der Liquiditätsbedarf ist entsprechend gesunken. Grundsätzlich könnte die Optelma auf die Rechnungsbevorschussung wieder verzichten und nur noch die Inkasso- und Versicherungsleistungen des Factoring-Partners beanspruchen. Doch Jost sieht keinen Änderungsbedarf – nicht zuletzt weil die Rechnungsbevorschussung seine Kreditkonditionen günstig beeinflusst. Der Grund: Das Factoring entfernt grosse Fremdkapitalbrocken aus der Bilanz und steigert so die Eigenkapitalquote, was wiederum die Bonität erhöht.
Für Daniel Trochsler, Geschäftsführer der Prosperco Factoring, ist das allerdings kaum mehr als ein «schöner buchhalterischer Nebeneffekt» des Factorings. Heute litten die Unternehmen weniger unter der Politik der Banken als unter ihren immer schlechter zahlenden Kunden. Mit anderen Worten: Zu schaffen machen nicht mehr die Konditionen der Überbrückungskredite, sondern ihr schieres Volumen. Im internationalen Vergleich zahlen die Eidgenossen zwar immer noch gut, doch der Nimbus der Musterschüler verblasst. So steigt beispielsweise die Menge der Zahlungsbefehle seit langem und hat im Jahr 2000 den vorläufigen Höchststand von 2,16 Millionen erreicht. «Die Zahlungsmoral in der Schweiz wird jedes Jahr schlechter», bestätigt auch Claude Federer, Sekretär des schweizerischen Verbands Creditreform, einer Genossenschaft, der unterdessen rund 12 000 Firmen angehören.
Schuld an der schwindenden Zahlungsfreude sind nicht einmal so sehr die zahlreichen KMUs, die selbst in einem Liquiditätsengpass stecken. Eher das Gegenteil ist der Fall. Konkrete Namen mag Claude Federer zwar keine nennen, aber er bestreitet nicht, was viele KMU-Chefs schon lange wissen: Besonders schlechte Zahler sind oft gerade renommierte Grossfirmen – sowie die öffentliche Hand. Das hat laut Federer System: Unbezahlte Rechnungen sind zinslose Darlehen, die bei Konzernen schnell einmal Millionenbeträge erreichen, «und mit diesem billigen Geld erzielen die Grossen schöne Gewinne».
Dieses Gehabe wird dem Factoring weiter Auftrieb geben. Die Anbieter jedenfalls sind darauf vorbereitet und besetzen laufend neue Nischen. Während beispielsweise Branchenprimus Factors nur mit Kunden zusammenarbeitet, deren Debitorenforderungen eine Million Franken im Jahr übersteigen, ist man bei der Prosperco Factoring schon mit der Hälfte dabei. Und Newcomer wie die Zürcher Interfactoring betreuen jeden Kunden, dessen gesamter jährlicher Rechnungsbetrag über 100 000 Franken liegt. Es sind aber nicht nur kleine Anbieter aus der Finanzbranche, die neu auf den Markt drängen. Der Milliardenmarkt Factoring lockt auch branchenfremde Anbieter auf den Plan, die ein Synergiepotenzial mit ihren Kernkompetenzen wittern.
«Wir haben weltweit mehr als 10 000 Kunden. Unser Debitorenmanagement ist optimiert auf globales Inkasso, und das können wir zusammen mit einer Debitorenbevorschussung auch unseren Kunden anbieten», sagt Gerard van Kesteren, Chief Financial Officer (CFO) von Kühne & Nagel (KN) International. Grenzüberschreitendes Inkasso und Debitorenbevorschussung bieten zwar auch die Finanzdienstleister an – vor allem über die beiden grossen Verbände International Factors Group und Factors Chain International –, doch van Kesteren ist überzeugt, dass sich sein Arbeitgeber ein schönes Stück vom Kuchen abschneiden wird. Denn als Logistikkonzern kann Kühne & Nagel die logistischen und finanziellen Exportdienstleistungen aus einer Hand anbieten.
Bereits in den kommenden Monaten startet die Abteilung Financial Services des Acht-Milliarden-Konzerns einen entsprechenden Pilotversuch mit Kunden, für die KN neben dem Speditions- auch das Lagergeschäft abwickelt. Van Kesteren rechnet indes damit, dass sich diese Art von Dienstleistungen in drei bis fünf Jahren auch auf die reinen Speditionskunden ausdehnen wird. Er glaubt zu wissen, dass Kühne & Nagel damit einem Kundenwunsch entspricht: «Wir spüren ein grosses Interesse.»
Noch weiss niemand, wann der Boom auch hier zu Lande so richtig einsetzt. Doch lange wird es wohl nicht mehr dauern, bis der Factoring-Markt Schweiz aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und rasant zulegt. Langfristig hofft die Branche auf britische Zustände: Auf der Insel arbeitet jedes zweite KMU mit einer Factoring-Gesellschaft zusammen.
Vor knapp einem Jahr unterschrieb er bei der Thurgauer Prosperco Factoring. Die Tochter der Zürcher Finanzholding Prosperco managt seither für McBoss das Mahnwesen, bevorschusst die ausgehenden Rechnungen und versichert bei der Mehrzahl der Kunden auch noch das Delkredere. Mit diesem für die Factoring-Anbieter typischen Paket ist Markus Bossert restlos zufrieden. «Um offene Rechnungen brauche ich mich nicht mehr zu kümmern», kommentiert der Chef von unterdessen 18 festen und 51 freien Mitarbeitern, der früher durchschnittlich 58 Tage auf seine Rechnungseingänge warten musste.
Im Nachhinein wundert sich Bossert, dass er die Dienstleistung Factoring bis vor einem Jahr noch gar nicht gekannt hat, obwohl er eine solide kaufmännische Ausbildung vorweisen kann. Ein Zufall ist das allerdings nicht, denn das Factoring ist traditionell ein stilles Gewerbe. Der Grund: Vor allem der Rechnungsbevorschussung haftet in der konservativen Schweizer Geschäftswelt fast etwas Anrüchtiges an. Viele KMU-Chefs und -Manager glauben immer noch, es handle sich um das Geschäft zwischen einem Unternehmen, dem das Wasser bereits am Hals steht, und einem Kreditinstitut, das diese Notlage sittenwidrig ausnützt. Das ist falsch. Schwarze Schafe gibt es zwar auch in der Factoring-Branche, doch die meisten Anbieter sind seriös und wenden sich an Kunden mit einem funktionierenden Geschäftsmodell.
«Grosse Vorteile bringt das Factoring vor allem Unternehmen, die schnell wachsen und deswegen immer einen überproportional hohen Anteil von offenen Rechnungen haben», sagt Markus Bossert. Heuer will er seinen Umsatz von knapp 2 auf rund 4,4 Millionen Franken hochfahren. «Zwar könnten wir unsere Debitorenausstände auch mit einem Kontokorrent vorfinanzieren, doch das hat eine starre Limite, während die Bevorschussung durch unseren Factoring-Partner im Gleichschritt mit dem Umsatz wächst.»
Solche Aussagen sind Wasser auf die Mühlen von Hans-Peter Kellenberger, Geschäftsführer der UBS-Tochter Factors. Die 1963 vom damaligen Bankverein gegründete Factors hält gemäss eigenen Aussagen 80 Prozent Marktanteil und setzt jährlich rund zwei Milliarden Franken um. «Wir wachsen seit Jahren im zweistelligen Prozentbereich», erläutert Kellenberger und verweist auf einen der zentralen Gründe für den steten Aufwärtstrend. «Bis in die Neunzigerjahre konnte ein KMU-Chef zur Bank gehen und seine Rechnungen zu Geld machen. Heute jedoch gewährt praktisch kein Institut mehr diese Form des Zessionskredits.» Zusammen mit den neu eingeführten Risikoaufschlägen auf Krediten habe diese Umorientierung der Banken viele KMUs in Liquiditätsschwierigkeiten gebracht.
Von der verschärften Kreditpolitik der Banken betroffen war auch Werner Jost, Geschäftsführer der Berner Beleuchtungssystem-Herstellers Optelma. Ihn erwischte das Umdenken der Geldhäuser auf dem falschen Fuss, denn seine Optelma stand mitten in der internationalen Expansion. Da sei das Factoring eine ideale Lösung gewesen: «Ohne die zusätzliche Liquidität», blickt Werner Jost zurück, «hätten wir uns mit der Expansion schwer getan.»
Unterdessen sind die Exportpläne beim 90-Mann-Unternehmen Optelma verwirklicht, und der Liquiditätsbedarf ist entsprechend gesunken. Grundsätzlich könnte die Optelma auf die Rechnungsbevorschussung wieder verzichten und nur noch die Inkasso- und Versicherungsleistungen des Factoring-Partners beanspruchen. Doch Jost sieht keinen Änderungsbedarf – nicht zuletzt weil die Rechnungsbevorschussung seine Kreditkonditionen günstig beeinflusst. Der Grund: Das Factoring entfernt grosse Fremdkapitalbrocken aus der Bilanz und steigert so die Eigenkapitalquote, was wiederum die Bonität erhöht.
Für Daniel Trochsler, Geschäftsführer der Prosperco Factoring, ist das allerdings kaum mehr als ein «schöner buchhalterischer Nebeneffekt» des Factorings. Heute litten die Unternehmen weniger unter der Politik der Banken als unter ihren immer schlechter zahlenden Kunden. Mit anderen Worten: Zu schaffen machen nicht mehr die Konditionen der Überbrückungskredite, sondern ihr schieres Volumen. Im internationalen Vergleich zahlen die Eidgenossen zwar immer noch gut, doch der Nimbus der Musterschüler verblasst. So steigt beispielsweise die Menge der Zahlungsbefehle seit langem und hat im Jahr 2000 den vorläufigen Höchststand von 2,16 Millionen erreicht. «Die Zahlungsmoral in der Schweiz wird jedes Jahr schlechter», bestätigt auch Claude Federer, Sekretär des schweizerischen Verbands Creditreform, einer Genossenschaft, der unterdessen rund 12 000 Firmen angehören.
Schuld an der schwindenden Zahlungsfreude sind nicht einmal so sehr die zahlreichen KMUs, die selbst in einem Liquiditätsengpass stecken. Eher das Gegenteil ist der Fall. Konkrete Namen mag Claude Federer zwar keine nennen, aber er bestreitet nicht, was viele KMU-Chefs schon lange wissen: Besonders schlechte Zahler sind oft gerade renommierte Grossfirmen – sowie die öffentliche Hand. Das hat laut Federer System: Unbezahlte Rechnungen sind zinslose Darlehen, die bei Konzernen schnell einmal Millionenbeträge erreichen, «und mit diesem billigen Geld erzielen die Grossen schöne Gewinne».
Dieses Gehabe wird dem Factoring weiter Auftrieb geben. Die Anbieter jedenfalls sind darauf vorbereitet und besetzen laufend neue Nischen. Während beispielsweise Branchenprimus Factors nur mit Kunden zusammenarbeitet, deren Debitorenforderungen eine Million Franken im Jahr übersteigen, ist man bei der Prosperco Factoring schon mit der Hälfte dabei. Und Newcomer wie die Zürcher Interfactoring betreuen jeden Kunden, dessen gesamter jährlicher Rechnungsbetrag über 100 000 Franken liegt. Es sind aber nicht nur kleine Anbieter aus der Finanzbranche, die neu auf den Markt drängen. Der Milliardenmarkt Factoring lockt auch branchenfremde Anbieter auf den Plan, die ein Synergiepotenzial mit ihren Kernkompetenzen wittern.
«Wir haben weltweit mehr als 10 000 Kunden. Unser Debitorenmanagement ist optimiert auf globales Inkasso, und das können wir zusammen mit einer Debitorenbevorschussung auch unseren Kunden anbieten», sagt Gerard van Kesteren, Chief Financial Officer (CFO) von Kühne & Nagel (KN) International. Grenzüberschreitendes Inkasso und Debitorenbevorschussung bieten zwar auch die Finanzdienstleister an – vor allem über die beiden grossen Verbände International Factors Group und Factors Chain International –, doch van Kesteren ist überzeugt, dass sich sein Arbeitgeber ein schönes Stück vom Kuchen abschneiden wird. Denn als Logistikkonzern kann Kühne & Nagel die logistischen und finanziellen Exportdienstleistungen aus einer Hand anbieten.
Bereits in den kommenden Monaten startet die Abteilung Financial Services des Acht-Milliarden-Konzerns einen entsprechenden Pilotversuch mit Kunden, für die KN neben dem Speditions- auch das Lagergeschäft abwickelt. Van Kesteren rechnet indes damit, dass sich diese Art von Dienstleistungen in drei bis fünf Jahren auch auf die reinen Speditionskunden ausdehnen wird. Er glaubt zu wissen, dass Kühne & Nagel damit einem Kundenwunsch entspricht: «Wir spüren ein grosses Interesse.»
Noch weiss niemand, wann der Boom auch hier zu Lande so richtig einsetzt. Doch lange wird es wohl nicht mehr dauern, bis der Factoring-Markt Schweiz aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und rasant zulegt. Langfristig hofft die Branche auf britische Zustände: Auf der Insel arbeitet jedes zweite KMU mit einer Factoring-Gesellschaft zusammen.
Partner-Inhalte