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Das Unternehmen ist noch nicht einmal zwölf Jahre alt, ist gerade erst in den Börsenindex der Schweizer Grosskonzerne, den SMI, aufgestiegen, und bereits in seinem ersten Jahr in der Champions League avanciert Jean-Paul Clozel mit seiner Biotechfirma Actelion zu dem CEO, der für sein Gehalt die beste Leistung bringt. Der forschungsbegeisterte Kardiologe Clozel gründete Actelion eher aus Verlegenheit – sein früherer Arbeitgeber Roche hatte kein Interesse an einem Wirkstoff gezeigt, den Clozel zusammen mit seiner Frau Martine und einem weiteren Forscher, Walter Fischli, entwickelt hatte.
Also suchten sie Geldgeber und gründeten Actelion. Der Rest ist eine phänomenale Erfolgsgeschichte. Und da schwere Krankheiten auch vor der Wirtschaftsflaute nicht haltmachen, «hat sich die Finanzkrise nicht speziell auf unsere Verkäufe ausgewirkt», sagt Jean-Paul Clozel. «Ausserdem haben wir 2008 dank zusätzlichen Daten über Tracleer eine Erweiterung des Labels in der EU erhalten.» Das heisst: einen breiteren Anwendungsbereich für das wichtigste Medikament, den Milliardenseller Tracleer. Er bekämpft den tödlichen Überdruck in der Lungenarterie, der nicht nur schwer zu diagnostizieren ist, sondern lange Zeit nicht medikamentös zu behandeln war.
Clozel hat sich in zwei Kategorien an die Spitze des CEO-Ratings der BILANZ gesetzt: Er erzielte die grösste Steigerung des inneren Werts der Firma und war auch in der äusseren Wertschaffung am besten; dort also, wo es die Entwicklung der Aktionärsdepots betrifft (siehe Box als PDF). Auch bei der dritten Bewertungssäule, dem Gehalt, leistet sich Actelion-Chef Clozel keinen Ausreisser: Mit 5,2 Millionen Franken liegt er zwar «im Mittelfeld der SMI-Firmen – doch in Kombination mit der operativen Unternehmensleistung sowie der Aktienkursperformance an der Spitze», urteilt Stephan Hostettler, der das CEO-Rating berechnet hat.
Mit seiner Firma Hostettler & Partner hat sich der promovierte Berater auf wertorientierte Unternehmensführung und Vergütungsfragen spezialisiert. Diese beiden Sphären bringt das Rating nun zusammen. Denn ob ein Konzernleiter sein Geld wert ist oder überrissene Saläre einstreicht, während die Aktionäre unter seinen Aktionen leiden – diese Frage gibt insbesondere, aber nicht nur in Zeiten dahinschmelzender Anlagevermögen oft genug den Ausschlag für Treue zum oder Trennung vom Investitionsobjekt. Deshalb hat BILANZ mit Berater Hostettler eine «Pay per Performance Ratio» (siehe «Methodik» als weiteren Artikel) entwickelt. Denn eine reine Beurteilung der Kompensation wiederum wäre auch «nicht sinnvoll, ohne eine Relation zur Performance zu machen», gibt Hostettler zu bedenken.
Hogans Handicap. Vorteil Clozel: Als einziger CEO eines Schweizer Grosskonzerns brachte er seinen Aktionären 2008 überhaupt Geld in die Kasse, immerhin gut 14 Prozent Zuwachs. Alle anderen Chefs von SMI-Unternehmen vernichteten Anlegervermögen (siehe Tabelle als PDF). Bei Actelion ist zudem die Entwicklungs-Pipeline prall gefüllt. «Nichts motiviert mehr, als neue Medikamente zu entdecken, um Menschen zu helfen», jubelt Clozel. Zu den vielversprechenden Substanzen gehören das Schlafmittel Almorexant und Clazosentan, das bei Hirnblutungen eingesetzt werden soll. Auch ein verbesserter Nachfolger von Tracleer ist in Planung.
Im Kerngeschäft läuft es auch bei der jahrelang topplatzierten ABB noch gut. Der neue CEO Joe Hogan hat kräftig inneren Wert geschaffen, «trotz Auftragseinbruch im zweiten Halbjahr», wie der Amerikaner betont. Die gute Performance führt er auf «starke Nachfrage nach Energieinfrastruktur und energieeffizienten Produkten» zurück sowie auf die fortlaufenden «operativen Verbesserungen». Dass Hogan weit hinten liegt, ist Folge seines Salärs. Es ist das zweithöchste, übertroffen nur vom Dauer-Grossverdiener Daniel Vasella, der Novartis zugleich führt und präsidiert. Sein Salär und die schwache Gewinnentwicklung werfen Vasella in den Rückraum der Rangliste – obwohl sich die Novartis-Aktie in der Krise gut hielt. Konkurrent Severin Schwan von Roche kommt, trotz schlechterer Aktienentwicklung, deutlich besser weg.
Bei Joe Hogan bestand die Hälfte seines Salärs aus einer Einmalzahlung von zehn Millionen Dollar. ABB glich ihm damit den Totalverlust seiner Anwartschaften aus, die er durch seinen Ausstieg bei General Electric verlor; dem US-Multi hatte Hogan mehr als 20 Jahre gedient. Die Kompensation floss zudem nicht in bar, sondern in ABB-Aktien, die über mehrere Jahre gesperrt sind und verfallen, falls Hogan früher kündigt. Wenn im kommenden Jahr sein Salär auf ein Normalmass zurückfällt, werden die Karten neu gemischt.
Das dürfte auch für die Finanztitel gelten, die sich alle in der unteren Hälfte des Rankings wiederfinden. Ganz hinten die beiden Versicherer Zurich Financial Services und Swiss Re, bei denen die Geschäftszahlen schwach, die Börsenperformance schwächer, die Gehälter der Chefs aber immer noch üppig waren. James Schiro, der Ende Jahr als Chef der «Zürich» abtritt, integrierte mehr als zehn Millionen Franken in sein Privatkonto – auch dies verschafft ihm die rote Laterne. Immerhin brachte der unauffällige Schiro nach den desaströsen Jahren unter Rolf Hüppi den Versicherer in solide Bahnen, stärkte die Bilanz und hielt seine Anlageabteilung von unkalkulierbaren Derivatpapieren fern. Aufsehen erregte Schiro kürzlich mit dem Kauf des Autogeschäfts der US-Grossversicherung AIG, womit die «Zürich» schlagartig zum drittgrössten Sachversicherer auf dem amerikanischen Markt avanciert.
Jahr der Schrecken. Strategische Fehler hat hingegen Swiss-Re-Chef Jacques Aigrain zu verantworten. Der ehemalige Investment Banker wollte den Rückversicherer zu höheren Renditen prügeln und trieb ihn in jene undurchschaubaren Finanzmärkte hinein, wo es Papiere namens ABS, CDO oder Subprime zu kaufen gab. Die Börse revanchierte sich mit dramatischen Kurseinbrüchen, von denen die «Zürich» verschont blieb. Die Chefs der beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse, der inzwischen abgetretene Marcel Rohner und Brady Dougan, können sich vor allem aufgrund ihrer geringen Saläre im Mittelfeld halten.
2008 war für die Finanzbranche das Jahr der Schrecken. «Die Krise», konstatiert Hostettler, «hat die Entlöhnung bei den meisten Banken und Finanzdienstleistern im Einklang mit der Performance teilweise deutlich reduziert.» Die Chefs der Finanzkonzerne verdienen im Mittel knapp über fünf Millionen Franken – und damit fast eine Million weniger als die Industriekapitäne. Die haben dafür ihr Waterloo noch vor sich. Bei ihnen dürfte sich der Einfluss der Krise in der Auswertung des Jahres 2009 zeigen.
Der Chef von Nestlé, Paul Bulcke, dem der schwache Geschäftsgang bei Wasser und Süssigkeiten zu schaffen macht, reagierte auf die Krise mit einer Verstärkung der tiefpreisigen Produktsegmente und mehr Innovationen. Solche forcierte auch der Konzernleiter der drittplatzierten Nobel Biocare, Domenico Scala. Ihn hat zwar die Börse brutal abgestraft, aber die Gewinnmargen sind nach wie vor sensationell hoch. Zudem hat Scala kleinere Firmen akquiriert, etwa im Softwarebereich, um die Produktpalette auszubauen. So will er, der von Vorgängerin Heliane Canepa vor allem eine gut geölte Vertriebsmaschine übernommen hat, den Marktauftritt verbreitern.
Diesen Schritt hat Swisscom-Chef Carsten Schloter, mit der Übernahme des italienischen Kabelnetzbetreibers Fastweb, längst hinter sich gebracht. Heute muss Schloter vor allem Effizienzen steigern – was ihm gelungen ist. Trotz Preissenkungen von rund einer halben Milliarde Franken konnte er Umsatz und Betriebsergebnis halten; ein «korrektes Geschäftsjahr» nennt Schloter das. Im laufenden Jahr wird die Cash Cow der Swisscom, der Schweizer Mobilfunkmarkt, «zum ersten Mal überhaupt schrumpfen». Die Anforderungen steigen weiter, die Leistung liegt konstant auf der Höhe.
Umso erfreulicher, dass sich der Rennradfahrer mit dem niedrigsten Gehalt aller Chefs bescheidet – und die Frage, ob er das als ungerecht empfinde, so beantwortet: «Die über Jahre gute Performance der Swisscom kommt aus dem Engagement von 20 000 Mitarbeitern und nicht nur vom CEO.» Und «bei einem Salär in dieser Höhe von Ungerechtigkeit zu sprechen, wäre skandalös.»
Eine Einstellung, die das altmodische Wort «vorbildhaft» verdient hat.