Die Eckpfeiler sind gesetzt – der Bundesrat will bis 2050 den Energieverbrauch senken, den Anteil an fossiler Energie am Gesamtmix reduzieren und Alternativenergie fördern. Die Schweiz soll grüner werden. Aber gehen auch die grossen Konzerne diesen Weg? Die Nachhaltigkeits-Rating-Agentur Inrate hat für BILANZ zum fünften Mal die Umweltfreundlichkeit der grossen Player unter die Lupe genommen. Dieses Mal konzentrierte sich die Bewertung auf die CO2-Emissionen. Dabei wurde jeweils der höchstkapitalisierte Schweizer Leader aus den Sektoren Finanzen, Industrie, Nahrungsmittel und Pharma herausgepickt und mit seinen direkten Mitbewerbern im Ausland verglichen.
Das Fazit: Die Schweizer sind in diesem Wettbewerb eine Nasenlänge voraus. Best in Class ist die Swiss Re, die im Finanzbereich die mit Abstand beste CO2-Bilanz ausweist. Der Konzern ist sowohl beim firmeneigenen Verbrauch (Scope 1: direktes Heizen und Verbrennen, Maschinen, Firmenflotte etc.) als auch beim Stromverbrauch (Scope 2: Emissionen, die durch die Produktion des bezogenen Stromes entstehen) am weitesten. Ein tiefer Wert von 397 Tonnen CO2 kommt bei Swiss Re auch heraus, wenn man den Ausstoss ins Verhältnis zur Marktkapitalisierung stellt. Der Rückversicherer ist nicht ganz überraschend so gut: Bereits 2003 hat man einen Massnahmenplan eingeleitet, um CO2-neutral zu werden. Unter anderem wurde an vielen Standorten auf erneuerbare Energien umgestellt. Im Gesamt-Rating* von Inrate, das diverse andere Kriterien berücksichtigt, erhält Swiss Re die Note A– (höchster Rang). Nur gerade ein C (zweittiefster Rang) erhält dagegen die Grossbank UBS. Sie schlägt beim CO2-Ausstoss zwar ihre Mitbewerber Deutsche Bank und HSBC. Seit 2004 hat die Bank die Emissionen um 49 Prozent reduziert. Das avisierte Ziel von 50 Prozent bis 2016 dürfte erreicht werden.
UBS nicht nachhaltig
Dass die UBS trotzdem nur ein C in der Gesamtwertung erntet und damit als nicht nachhaltig eingestuft wird, hat diverse Gründe. Allen voran finanziert die Grossbank Projekte mit schwerwiegenden Umwelt- und Sozialauswirkungen. Die damit verbundenen CO2-Emissionen werden nicht ausgewiesen und fliessen daher nicht in die CO2-Bilanz der Datenerheberin Carbon Disclosure Project (CDP) ein, aber Inrate berücksichtigt sie genauso wie unethische Geschäftspraktiken. «Ansonsten kämen die meisten Unternehmen in der reinen CO2-Frage zu gut weg, und es entstünde ein verzerrtes Bild», sagt Tobias Jung, Leiter Research von Inrate. Für ihn ist klar, dass CO2 trotz der angestrebten Energiewende die Nachhaltigkeitsbilanz der Unternehmen noch immer stark belastet.
Dass die Schweizer im Vergleich mit den ausländischen Konzernen besser dastehen, erklärt Inrate unter anderem mit den strengeren Umweltschutzauflagen und der staatlichen Förderung erneuerbarer Energien.
Nestlé in Rücklage
Noch einiges zu tun gibt es beim Nahrungsmittelriesen Nestlé. Der Koloss wird nur mit einem C– eingestuft, das heisst, dass seine Aktivitäten als «nicht nachhaltig» bewertet werden. Der Konzern hat im Vergleich zu den Mitbewerbern Danone und Unilever den mit Abstand höchsten betriebsinternen CO2-Ausstoss. Weil die Marktkapitalisierung von Nestlé höher ist als jene der anderen, steht der Konzern aus Vevey in dieser Relation zwar etwas besser da. Das heisst, er stösst weniger CO2 im Verhältnis zu seiner Grösse aus. Schlecht weg kommt Nestlé aber vor allem deshalb, weil der Konzern eine starke Exposure im Bereich der energieintensiven Tiefkühlprodukte hat. Auch Fertigprodukte, sogenannter Convenience Food, werden von Inrate nicht goutiert: Diese erfordern einen hohen Energieaufwand durch Aufbereiten, Erhitzen, Kochen und Kühlen. Danone dagegen bekommt von den Nachhaltigkeitsanalysten ein Rating von B–. «Das Unternehmen übernimmt Verantwortung entlang der ganzen Wertschöpfungskette», kommentiert Inrate.
Treibhausgasemissionen zu senken, das ist auch das Ziel der sogenannten CO2-Zertifikate, die ein Unternehmen berechtigen, eine bestimmte Zahl von Tonnen CO2 auszustossen. Doch der Handel mit diesen Zertifikaten läuft in Europa noch nicht wie gewünscht (siehe Interview auf Seite 56). Die Zertifikate verwässern auch das Bild der reellen Leistung: «Die UBS äussert sich nicht dazu, welcher Anteil ihrer Ziele mit ‹harten› Massnahmen, das heisst ohne den Zukauf von Zertifikaten, hätte erreicht werden sollen», kritisiert Inrate etwa in ihrer Analyse.
Vorbildliche Roche
Lob gibt es hingegen für einen Pharmagiganten – Roche. Die Branche wird gerne und oft verteufelt. Was die Nachhaltigkeit betrifft, steht der Schweizer Riese aus Basel aber gut da. Roche wird als nachhaltig eingestuft (B-Rating), vor allem wegen ihrer Produkte, die Positives bewirken. Im Vergleich mit den Mitbewerbern Johnson & Johnson und Merck & Co. weisen die Basler den tiefsten Wert bei den CO2-Emissionen aus. Man will den Wert pro Mitarbeitenden bis 2020 gegenüber 2009 um 20 Prozent senken. Minuspunkte erhält Roche dafür für ihre kontroverse Preispolitik bei den Medikamenten.
Vorbildlich schliesslich auch der klassische Industriekonzern ABB, der von der Thematik am meisten betroffen ist. Mit einem B– erhält ABB eine der besten Bewertungen in der Industrie. «ABB liefert Lösungen zur Reduktion des Energieverbrauchs in Industrie, Bahn, Haushalten und Büros», anerkennt Inrate.
* Die Bewertungsskala von Inrate berücksichtigt Umwelt- und Sozialmanagement-Prozesse, die ökologische und soziale Wirkung der Produkte und Dienstleistungen sowie umstrittene Geschäftspraktiken. A (A+, A, A–) = Firma ist klar nachhaltig. B (B+, B, B–) = Aktivitäten sind langfristig nachhaltig, aber nicht alle Anforderungen werden erfüllt. C (C+, C, C–) = nicht nachhaltig, Produkte oder Praktiken stellen eine Belastung für Umwelt dar. D (D+, D, D–) = nicht nachhaltig, Produkte/Aktivitäten haben schwerwiegende Einwirkungen auf Umwelt.
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