Der Begriff «Change Management» hat etwas Mystisches. Es gibt immer etwas zu «changen». Den begrifflichen und praktischen Schwächen ist die Studie «Change Management 2003/2008 Bedeutung, Strategien, Trends» von Cap Gemini Ernst & Young nachgegangen, die im Herbst 2003 durchgeführt wurde und seit kurzem in gedruckter Form vorliegt. Sie liefert zwar kein repräsentatives Bild, aber eine aktuelle Impression.
Aus dem Mangel an Konkretem macht die Studie auch keinen Hehl. Befragt wurden Manager aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Auswertung der Fragebögen ergab: «Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Change Management», so das Fazit von drei Seiten der Studie. Viele Standardwerke zum Thema windeten sich regelrecht um eine Begriffsbestimmung. Garniert sei die Definition «gestern mit einem Schuss Vision, heute oft mit einer Prise Esoterik und morgen vielleicht mit einer Portion Struktur».
Das Problem, dass sich viele mit Veränderungsprozessen schwer tun, wird ebenso wenig verschwiegen: «Change-Prozesse nerven und hakeln, sie sind sperrig und träge, vergeuden Zeit und Geld. Reformen können ganz schön weh tun.» Woran das liegt, hat Cap Gemini ebenfalls in Erfahrung gebracht. Herausgekommen ist eine ganze Liste von Stolpersteinen.
Cap Gemini vergleicht Change Management mit einer kalorienreichen Mahlzeit. Professionelles Change Management sei wie die Zubereitung eines Nachtessens, aber eines möglichst gut zubereiteten: «Der Wandel schmeckt einfach besser, stösst nicht auf und liegt leichter verdaulich im Magen.» Wie geht das?
Möglichst vermenschlichen
Die Berater von Cap Gemini raten dazu, die Veränderungsprozesse zu vermenschlichen. Dadurch würden sie nicht teurer oder langsamer, sondern günstiger und schneller. Patentrezepte gebe es jede Menge, hilfreiche Kochbücher tatsächlich auch einige, und es gebe auch Meisterköche. Die Methoden erforderten keine technische Perfektion, sondern engagierte und motivierte Akteure.
Einen Drei-Sterne-Koch, so die Studie, brauche es dazu nicht unbedingt. Apropos Köche: Einige der Befragten nannten an geeigneter Stelle Unterlagen renommierter Strategieberater. An diesen Luxusköchen übt die Studie Kritik: Bei ihnen dürften Anspruch und Wirklichkeit «erheblich auseinander klaffen, punkten doch einige unter ihnen in der Praxis nicht gerade im Kompetenzbereich Change Management».
Ein Umfrageteilnehmer gab zu Protokoll: «Der Erfolg oder Misserfolg eines Veränderungsprozesses hängt vom Verhalten und der Einstellung der Beteiligten ab. Deshalb ist den weichen Faktoren mindestens ebenso viel Bedeutung beizumessen wie den Fakten. Wenn die betroffenen Unternehmenseinheiten über das Projekt und seine Akteure den Kopf schütteln oder sogar lachen, dann sollte die beabsichtigte Veränderung grundsätzlich renoviert werden.»
Darauf sollte der Finger gelegt werden. Change Management, wenn man es als geführten Wandlungsprozess im Unternehmen versteht, umfasst drei Bereiche: Den Wandel der Strategie, den Struktur- bzw. Prozesswandel und den Kulturwandel und das ist der schwierigste Teil. Während Berater von aussen bei den ersten zwei Bereichen viel helfen können, sind ihre Mittel im dritten Teil beschränkt. Denn das Verändern von kulturellen Werten ist ein Sickerungsprozess, der das Personalmanagement herausfordert. Es geht um die Rekrutierung, Entwicklung und die Erhaltung der Betroffenen, um stimmige Anreizsysteme. Und jeder Change-Prozess beinhaltet andere Nuancen.
Der Betriebswirtschaftsprofessor Norbert Thom von der Uni Bern rät deshalb wie Cap Gemini Ernst & Young neben der Priorisierung vor allem zur Vermenschlichung: Von der Beschleunigungsfalle weg hin zu einem menschlich erträglichen Tempo. Schliesslich müssen es Menschen ausleben; tun sie das nicht, bleibt alles ein Hobby von Strategiepapier-Kritzlern.
Weiter empfiehlt Thom, «Veränderungskoalitionen» zu bilden: Eine tragfähige Mehrheit muss heranwachsen und dahinter stehen. Weiter solle man den Sieg nicht zu früh verkünden und abgeschlossene Projekte nicht als abgehakt betrachten. Schliesslich ist nach dem Wandel vor dem Wandel.
Umsetzungsbarrieren bei Change Management in %
D/A/CH Deutschland Österreich Schweiz*
Zu viele nicht priorisierte 52.0 42.9 68.2 55.6
Aktivitäten
Langfristige Massnahmen werden 48.0 53.1 31.8 44.4kurzfristige Ergebnisverbesserung geopfert
Schlechtes Monitoring 47.0 46.9 45.5 55.6
Keine klare Zielsetzung 44.0 42.9 50.0 33.3
Interessens-/Zielkonflikte 42.0 38.8 45.5 33.3
der Beteiligten
«Top down» und «bottom up» 40.0 42.9 31.8 44.4
nicht verknüpft
Lähmende Reorganisationen 35.0 30.6 40.9 55.6
Kein Committment d. Vorstands 32.0 28.6 45.5 22.2
Fehlende Anbindung mit der 31.0 34.7 22.7 22.2
Unternehmensstrategie
Schwaches Projektmanagement 29.0 34.7 13.6 44.4
* wegen zu wenigen Antworten sind die Zahlen aus der Schweiz «nicht signifikant».
Quelle: Cap Gemini Ernst & Young