Fährt man durch die Schweiz, so erhält man - trotz Winter und damit saisonal gedrosselter Bauaktivitäten - den Eindruck, in unserem Land werde kräftig gebaut. Täuscht dieses Bild?

Christian Bubb: Wir haben kein Volumenproblem. Wir haben Schwierigkeiten mit den tiefen Preisen. Wenn ich für Zschokke den Auftragsbestand analysiere, so bin ich durchaus zufrieden. Nicht aber mit der Entwicklung der Preise.

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Sie stimmen ein in die für die Branche altbekannte Jammermelodie ...

Bubb: Die Überkapazitäten in der Branche sind nicht verschwunden, der Preiskampf bleibt akut, die Marge permanent tief. Die zu tiefen Preise sind längst zum Evergreen geworden.

Und das bisher ohne entscheidende Konsequenzen.

Bubb: Zurzeit braut sich einiges zusammen. Der «suizidale Preiskampf» wird Opfer fordern. Viele Unternehmungen haben ihre restliche Substanz aufgebraucht, es ist kein Fett mehr vorhanden. Die Banken wissen um diese Situation. Es wird zu negativen Überraschungen kommen.

Das bedeutet, dass im Winterhalbjahr für die eine oder andere Bauunternehmung das Aus kommt.

Bubb: Wir stecken mitten im harten Winter, es wird Bauanbieter geben, die den Frühling nicht mehr erleben. Ähnliche Negativmeldungen erwarte ich aus der Ausbaubranche, denn auch dort ist der Kostendruck immens.

Das Verschulden an dieser Situation trägt die Branche selbst.

Bubb: Leider. Wir bringen es nicht fertig, trotz genügend Aufträgen das düstere Preisgefüge zu verbessern. Erholt sich der Markt auch nur minim, so werden sofort die Kapazitäten hinaufgefahren.

Hängen diese Reaktionen nicht auch mit der tiefen Eintrittsschwelle zusammen?

Bubb: Vielen Firmen geht zwar der Schnauf aus. Aus jeder Liquidation oder jedem Konkurs wachsen zwei, drei neue Anbieter heran. So wird die Strukturbereinigung der Baubranche zum Kampf gegen Windmühlen. Zudem: Bauunternehmer kann jeder werden, ein Diplom hiezu braucht es nicht - nur gewisse finanzielle Mittel und Maschinen sowie Geräte. Die kann man aus Liquidationen und Konkursen günstig erwerben.

Sie rufen in einer Zeit der Liberalisierungen nach Regulierung.

Bubb: Eine Zulassungsbestimmung würde die Spreu vom Weizen trennen.

Die öffentliche Hand kann die Auftragsvergabe über die Präqualifikation steuern. Reicht dies nicht?

Bubb: Wenn diese Regeln seriös angewandt werden und keine Alibiübungen sind, so kann Einfluss genommen werden. Die Idee, in den Submissionsverordnungen weiche Faktoren zu berücksichtigen, finde ich positiv. Nur: Die öffentliche Hand tendiert - allein gestützt auf den Preis - zur Vergabe an den günstigsten Anbieter. Sie kann mit dieser Taktik Rekurse, die vergabeaufschiebende Wirkung haben, verhindern.

Heute existieren in der Schweiz mehr als 6000 Baufirmen. Wie viele müssen verschwinden, damit die Strukturbereinigung Realität wird?

Bubb: Ein Drittel wäre sicherlich nicht schlecht.

Wer müsste abbauen? Die paar wenigen Grossen oder die vielen Kleinen?

Bubb: Das Rasenmäher-Prinzip bringt nichts. Verschwinden müssten vor allem mittelgrosse Betriebe. Diese werden es in Zukunft äusserst schwer haben.

Weshalb?

Bubb: Diese Firmen sind weder Fisch noch Vogel, weder klein genug, um mit sehr tiefen Fixkosten operieren zu können, noch gross genug, um mit den Ressourcen und den finanziellen Mitteln aus dem Vollen schöpfen zu können.

Etwas detaillierter: Wer wird zum Verlierer?

Bubb: Schwierig wird die Zukunft für den klassischen KMU mit zwischen 50 und 150 Beschäftigten.

Und die Kleinunternehmer?

Bubb: Für diese sehe ich nicht so schwarz, sie werden immer Arbeit finden. Auch als Subunternehmer. Zudem hat der Kleinbetrieb absolut seine Existenzberechtigung, weil die Grossen bei gewissen, beispielsweise einfacheren Aufträgen infolge ihrer höheren Fixkosten nicht konkurrenzfähig sind.

Zschokke ist in der ganzen Schweiz tätig. Gibt es in der Bautätigkeit starke regionale Unterschiede?

Bubb: In Genf hat sich der Personalbestand in den letzten zehn Jahren halbiert, das Preisniveau ist aber nach wie vor schlecht. Zudem muss der Bau mit Auftragsschwankungen leben, auch aus geografischem Blickwinkel.

Aus der Branche hört man allerdings, vor allem der Grossraum Zürich und die Achse Lausanne- Genf würden sich deutlich vom Durchschnitt abheben. Stimmt diese Beurteilung?

Bubb: Ja, den restlichen Regionen unseres Landes droht die Gefahr, aus bauwirtschaftlicher Sicht zur Provinz degradiert zu werden.

Ich unterscheide aber eher nach städtischen und ländlichen Regionen. In ländlichen Gegenden verfügt der lokale Anbieter über Wettbewerbsvorteile, in den Städten und Agglomerationen spielt die Herkunft der Unternehmung keine Rolle.

Ihnen als Leiter der grössten Schweizer Baugruppe werden täglich Übernahmeangebote unterbreitet. Weshalb greifen Sie nicht zu, um Zschokkes Angebot auszuweiten oder abzurunden?

Bubb: Zu viele Bauunternehmer sind dem Substanz- und nicht dem Ertragsdenken verfallen. Eine Studie der Universität St. Gallen eruierte, dass der Substanzwert einer durchschnittlichen Schweizer Baufirma 3,6 mal höher ist als der Ertragswert. Bauunternehmungen sind deshalb nicht oder nur schwer verkäuflich. Hat jemand seine sieben Sinne zusammen, kauft er Ertrag und nicht Substanz.

Die Produktivität der Baubranche ist in den letzten Jahren gewaltig gestiegen, es braucht nicht mehr 100000 Beschäftigte, um ein ähnliches Volumen wie vor zehn Jahren mit 160000 Arbeitern zu realisieren.

Bubb: Aufgepasst mit der Beurteilung der Fortschritte der Produktivität. Die Fertigungstiefe wurde reduziert, verschiedene Arbeitsgattungen wie das Schalen, das Betonieren usw. wurden an Subunternehmer ausgelagert. Eine Studie des Baumeisterverbandes rechnet allerdings für das Jahr 2020 nur noch mit 65000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe.

Tendenziell zeichnet sich eine Verlagerung des gesamten schweizerischen Bauvolumens vom Bauhauptgewerbe, dem Rohbau, Richtung Um- und Ausbau ab. Deutet das an, dass die Schweiz gebaut ist?

Bubb: Nein. Das Bauhauptgewerbe ist nicht allein im Neubau tätig, sondern auch im Umbau und der Renovation, also im Erhalt der vorhandenen Bausubstanz.

Sie sehen Potenzial im Unterhalt.

Bubb: Was heute aus Spargründen aufgeschoben wird, muss irgend- wann einmal erneuert werden. Zum Beispiel unsere Kanalisationsnetze. In Städten - gebaut vor mehr als 80 Jahren - sind diese eine «Zeitbombe». Diese Netze sind nicht mehr dicht. Diese Probleme werden sich akzentuieren.

Besteht kein akuter Handlungsbedarf?

Bubb: Wahrscheinlich braucht es noch einen schlechteren Zustand dieser Bausubstanz.

Ruft dieses zukünftige Bauvolumen nach einem neuen Typus von Bauunternehmung, weil die klassische Unternehmung mit den beiden Abteilungen Hoch- und Tiefbau ausgedient hat?

Bubb: Die aktuellen Probleme der Bauwirtschaft haben wenig mit der bisherigen Ausrichtung zu tun. Entscheidender ist, dass der Bauunternehmer in der Wertschöpfungskette heute am falschen Platz sitzt. Will der Bauunternehmer seine Ertragslage verbessern, so muss er diversifizieren ...

... und sich damit auch anders positionieren. Wie?

Bubb: Die Wertschöpfung passiert nicht in der Bauausführung, die Renditen auf dem investierten Kapital sind zu mager. Zschokke erwirtschaftete 2003 mit rund 700 Mio Fr. Umsatz in der klassischen Bautätigkeit einen Ebit von 12 Mio Fr. Ein Schritt zur Verbesserung der Ertragslage zielt in Richtung Dienstleistung, vor- und nachgelagert der Ausführung. Dort braucht es weniger Kapital - und die Margen sind besser.

Eine Konsequenz wäre der Verzicht auf den produktiven Teil: Stossen Sie ihre Produktionsfirmen ab?

Bubb: Das ist kein Thema, wir brauchen die Wechselwirkung zwischen allen Sparten. Die eigene Produktion darf nicht marginalisiert werden, zumal sie Ertrag generiert, wenn auch im Verhältnis zum Umsatz zu wenig. Wir wollen nicht abhängig werden von «Zulieferern», wir wollen unser Bau-Know-how nicht verlieren. Und: Auf zwei Beinen stehend ist man konjunkturresistenter. Denn auch der Dienstleister lebt in einem Zyklus.

Zschokke will qualitativ und nicht quantitativ Wachsen. Lässt Sie das Thema Akquisitionen kalt?

Bubb: Es kann mal eine Opportunität geben, die wir einlösen. Management und Preis müssten stimmen, auch die Branche sowie die geografische Ausrichtung.

Zschokke ist also nicht verdammt zum Wachsen, etwa im Ausland.

Bubb: Nein. Wir sind zu annähernd 100% in der Schweiz tätig. An ein Ausland-Engagement denken wir nur im Tunnelbau. Wachstum macht nur Sinn, wenn die heutige Rentabilität verbessert wird. Wir haben eine Eigenkapitalrendite von 10%. Jede Ausweitung müsste diese Marge nach oben korrigieren.

Deshalb verzichten Sie denn auch in der Produktion auf den Gang ins benachbarte Ausland.

Bubb: Im Ausland ist die Preissituation ähnlich mies wie in der Schweiz. Ausgenommen ist der Tunnelbau.

Und bei den Dienstleistungen?

Bubb: Wir sind ennet der Grenze mit unserem Know-how sehr gerne gesehen, aber wir haben Nachteile. Unsere Dienstleistungen sind teuer - und meist wird von einem Dienstleister gleichzeitig auch die Finanzierung eines Projektes erwartet. Dafür fehlen uns die gleich langen Spiesse - etwa die staatliche Unterstützung.

Für Zschokke setzten Sie vor drei Jahren eine operative Marge von 3,5% als Ziel. Wird diese 2004 erreicht?

Bubb: Wir sind noch nicht dort, wir müssten 45 bis 50 Mio Fr. Ebit erreichen. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir mit der zusätzlichen Fokussierung auf die der Bauausführung vor- und nachgelagerten Sparten in die Nähe dieser Bottomline kommen. Auch am Ziel der Eigenkapitalrendite von 15% hält Zschokke fest.

Wie fällt 2004 aus?

Bubb: Wir werden ein Resultat in der Grössenordnung des Vorjahres erreichen. Das ist zufrieden stellend.

Und der Börsenkurs?

Bubb: Diesen hätte ich gerne etwas höher. Im Verhältnis zum Eigenkapital sollte er über dem Substanzwert des Unternehmens liegen. 700 bis 750 Fr. pro Titel wären ein fairer Kurs.