Managersaläre
Es ist Mode geworden, im "Neoliberalismus" das Grundübel, ja das Böse schlechthin zu sehen. Die Kritiker haben offenbar nicht begriffen, dass der Liberalismus das vielleicht unbequeme, aber unumgängliche Fundament zur Lösung unserer Probleme bildet. Die westlichen Industriestaaten kranken an einer überregulierten Wohlfahrt, an der Entfremdung des Bürgers vom Staat, sie sind gekennzeichnet von schwachem Wirtschaftswachstum und einer generellen Überforderung des Staates.

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Keine Lehre hat so zur hohen Beschäftigung, zur Wohlfahrt und zur Überwindung der Armut beigetragen wie der Liberalismus! Auch zu aktuellen Fragen finden wir bei den Neoliberalen wichtige Antworten: etwa zum derzeit viel diskutierten Thema über die Höhe von Managersalären. Diese Debatte ist von Unverständnis und oft auch Neid geprägt. Vergleiche zwischen Arbeiter- und Managerlöhnen führen uns jedoch nicht weiter, und der Neid darf nicht die politische Agenda diktieren. Die Frage nach den "richtigen" Managerlöhnen ist wesentlich komplexer, als es die plakativen Aussagen der Kritiker wie auch der Befürworter dieser Entschädigungen glauben lassen.

Was also ist zu tun? Es sind hier ein paar Grundwahrheiten, die zurzeit zugeschüttet sind, hervorzuholen und an den Anfang zu stellen:

Eine erste Grundwahrheit

Auf Grund der Erfahrungen der letzten 200 Jahre ist es wohl unbestritten, dass privatwirtschaftliche, florierende Unternehmen die besten Arbeitsplätze, hohen Verdienst, breiten Wohlstand, Reichtum und Steuersubstrat und damit die Voraussetzungen für einen sozialen Staat schaffen.

Als Unternehmer sagte ich mir stets: "Meine sozialste Aufgabe ist, das Unternehmen erfolgreich zu führen", denn erfolgreiche Unternehmen schaffen Beschäftigung und sind die Quelle für allgemeine Wohlfahrt.

Als Bundesrat sage ich mir, es ist die sozialste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass im Land möglichst viele Unternehmer ihr Unternehmen erfolgreich führen können.

Eine zweite Grundwahrheit

Der Erfolg eines Unternehmens ist abhängig von der Führung: "Es gibt keine schlechten Mitarbeiter, sondern nur schlechte Chefs!" Das gilt überall: In den Unternehmen, in Organisationen, Verbänden und Parteien. Das gilt auch in den Schulen und Universitäten, und - wenn Sie mir diese kollegiale Bemerkung erlauben - das gilt auch für den Bundesrat. Darum ist es die Hauptaufgabe des Unternehmers, ein gutes Management bereitzustellen.
Das heisst aber auch: Ein Versager an der Spitze der Firma ist unverzüglich abzusetzen, denn die Spitze des Unternehmens sorgt für das Resultat - für das gute oder das schlechte.

Eine dritte Grundwahrheit

Ein klassischer Unternehmer ist ein Mensch, dem eine Firma gehört und der diese auch selbst führt. Er ist Manager und Eigentümer in einem. Sein Dasein - man könnte etwas pathetisch auch von Schicksal reden - ist eng mit der Firma verbunden, weil sein Kapital in der Firma steckt. Das unterscheidet ihn vom Manager, der als Angestellter die Firma nur führt.
Bei den börsenkotierten Unternehmen ist es allerdings anders. Dort gibt es den klassischen Unternehmer - der Eigentümer und Manager zugleich ist - nicht. Führung und Eigentum fallen nicht zusammen. Der Eigentümer besteht darüber hinaus aus einer Vielzahl von Aktionären. Das erschwert die volle Interessenwahrung zusätzlich.

Eine vierte Grundwahrheit

Für den Erfolg ist es wichtig, dass die Eigentümer die Manager zu einem leistungs- und marktgerechten Salär einsetzen. Weder der Staat noch irgendwelche Aussenstehende sind in der Lage, die richtige Entschädigung oder deren Obergrenze festzulegen. Auch nicht die Manager selbst. Denn das Unternehmen gehört nicht ihnen. Es ist die Sache des Eigentümers - bei den Aktiengesellschaften der Aktionäre -, die Bezüge des Managements festzulegen.

Eine fünfte Grundwahrheit

Generell gesprochen sollte die Entschädigung so hoch sein, dass sie der Leistung und dem Marktwert entspricht. Das gilt für alle Angestellten. Auch für die obersten. Die Anstellungsbedingungen sollen hervorragende Leistung zu einem möglichst günstigen Preis generieren.

Eine sechste Grundwahrheit

Das Anliegen, ein gutes Management an der Spitze zu haben, ist für eine erfolgreiche Unternehmung dermassen wichtig, dass es auch falsch wäre, das Lohnniveau von einer generellen Akzeptanz der Öffentlichkeit oder der Medien abhängig zu machen. Soziales Denken heisst, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen von erfolgreichen Managern so geführt werden, dass sie Gewinn abwerfen und Wohlstand erzeugen. Das Salär richtet sich allein nach der Leistung und dem Marktwert.

Schutz der Freiheitsrechte?

Wie gesagt: Die Unternehmer, die Eigentümer, die Aktionäre oder die Verwaltungsräte - als die Treuhänder der Eigentümer - haben diese sechs Grundwahrheiten zu beherzigen. Deshalb stellt sich die Frage: Ist der Ruf nach dem Staat angesichts der enormen Managersaläre überhaupt gerechtfertigt? Hat der Staat in diesem Bereich überhaupt etwas zu suchen?
Ich meine, ja. Gerade als Verfechter des liberalen Rechtsstaates bin ich dieser Überzeugung.
Warum? Der Schutz der Freiheitsrechte ist eine der zentralen Aufgaben im liberalen Rechtsstaat. Und hier im Besonderen der Schutz des Privateigentums.

In grossen Publikumsgesellschaften mit Tausenden von Aktionären ist es für die Eigentümer heute kaum möglich, ihr Eigentumsinteresse zu wahren und durchzusetzen. Die Eigentümerfunktion ist häufig so pulverisiert, dass der Einzelne seine Interessen kaum wahrnehmen kann.

Weil der Schutz des Privateigentums jedoch eine zentrale und für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebende Staatsaufgabe ist, besteht für den Staat immer dann Handlungsbedarf, wenn er feststellen muss, dass das Privateigentum nicht genügend geschützt ist. Bei grossen börsenkotierten Aktiengesellschaften braucht es staatliche Vorschriften über die Corporate Governance, damit das Eigentum geschützt ist. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Verwaltungsräte und das Management zu Lasten der Eigentümer ungerechtfertigt bereichern und damit das Privateigentum verletzen.

Massnahmen im schweizerischen Aktienrecht

Hier muss der Staat Ernst machen. Dies ist aktueller Gegenstand der schweizerischen Aktienrechtsreform. Der Entwurf liegt jetzt in der Vernehmlassung. Was will diese Reform?
1. Die Bezüge der Verwaltungsräte müssen im Einzelnen bis ins Detail veröffentlicht werden, ebenso das höchste Salär der Geschäftsleitung und das Gesamtsalär der Geschäftsleitung. Die Revisionsstelle hat dies zu prüfen und zu bestätigen. Diese Regelung ist bereits beschlossen, sie wird auf den 1. Januar 2007 in Kraft treten. Damit kann der Eigentümer die Managemententschädigungen im Verhältnis zur Leistung und zum Markt beurteilen.

2. Die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder sind jährlich einzeln zu wählen bzw. zu bestätigen. So können die Eigentümer, das heisst die Aktionäre, bei der jährlichen Wahl bzw. Wiederwahl des Verwaltungsrates direkt oder indirekt über die Leistung und die Bezüge der obersten Führungskräfte urteilen.

3. Damit dem Willen der Eigentümer zum Durchbruch verholfen werden kann, müssen stimmenverfälschende Aktionen untersagt werden (so insbesondere das Depotstimmrecht der Banken oder die Stimmenmanipulation durch geborgte Aktien).

4. Der Verwaltungsrat hat die Auswahlprozesse - wie bei allen Mitarbeitern - auch bei den führenden Managern anzuwenden. Der Salärfindungsprozess ist in freier Konkurrenz und nicht unter Koordination einiger weniger Beratungsfirmen zu gewährleisten. Der Verwaltungsrat ist Treuhänder der Eigentümer und nicht die Beratungsfirmen. Er hat diese Funktion wahrzunehmen. Tut ein Verwaltungsrat, der für getreue Geschäftsbesorgung verantwortlich ist, dies nicht, ist er zur Rechenschaft zu ziehen. Die gesetzlichen Vorschriften dazu bestehen schon heute.

5. Für die nicht börsenkotierten Firmen ist vorgesehen, dass die Bezüge der Verwaltungsräte auf Verlangen von Aktionären bekannt gegeben werden müssen. Damit können auch Aktionäre in kleinen Firmen als Unternehmer über Leistung und Entlöhnung durch die Stimmabgabe bestimmen.

Solche Bestimmungen sind kein staatlicher Interventionismus. Wer von der Marktwirtschaft überzeugt ist, für den ist es selbstverständlich, dass der Staat die Rahmenbedingungen schafft, damit Leistung, marktgerechte Entschädigung und das Privateigentum gewährleistet sind.

Andere Lösungsvorschläge wie gesetzliche Höchstlöhne von Managern, die Festsetzung der Löhne durch Aussenstehende oder gar der sozialistische Schlachtruf "Gleiche Löhne für alle" sind unsinnig und hätten verheerende Folgen für die Volkswirtschaft eines Landes.

Mit dem neuen Aktienrecht werden die unseligen Diskussionen über die Managerlöhne ein Ende nehmen.

Lasst den Staat tun, was er unbedingt tun muss. Der Rest sei Demokratie, Marktwirtschaft und Freiheit.

Bei diesem Essay handelt es sich um eine gekürzte Fassung der Rede, die Christoph Blocher am 36. St. Galler Symposium an der Universität St. Gallen gehalten hat.

Christoph Blocher wurde am 10. Dezember 2003 in den Bundesrat gewählt. Er steht dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement vor. Vor seiner Wahl in die Regierung war er Besitzer der Ems-Chemie und leitete diese über Jahre.