Die Krönung verlief nach Plan: Am 16. Oktober erklomm der langjährige Clariant-Vormann Hariolf Kottmann den ersehnten Präsidentensessel des Chemiekonzerns – der neue Grossaktionär Sabic mit seinem CEO Yousef al-Benyan hatte grünes Licht gegeben.
Doch seitdem ist der Druck massiv gestiegen. Denn die brutale Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat in Istanbul hat das Ansehen der saudischen Wirtschaft so stark ramponiert, dass jede Form von Geschäftsbeziehungen als toxisch gilt – und davon ist kein anderer Schweizer Konzern so stark betroffen wie der Basler Chemieproduzent, bei dem die Saudis so mächtig sind wie nirgends sonst hierzulande.
Keine Pläne für eine volle Übernahme?
Die unbedarfte Kommunikation Kottmanns verschärft das Unbehagen. Ende Januar, als Sabic seinen 25-Prozent-Anteil von dem amerikanischen Investmentvehikel 40 North übernahm, schlossen die Saudis noch eine Vollübernahme von Clariant kategorisch aus. «Sabic hat keine Pläne für eine volle Übernahme von Clariant», versicherten sie per Pressemitteilung.
Diese Zusicherung fehlte dann aber in der Mitteilung vom 11. September, in der Sabic über die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden zu der Beteiligung informierte. Schnell kamen Fragen auf, ob Sabic jetzt Clariant voll übernehmen wolle, und zur Beschwichtigung wiederholte Sabic dann am 18. September sein Desinteresse an einer Übernahme.
Kottmann heizte Spekulationen wieder an
Doch was machte Kottmann? In einem Interview im «Tages-Anzeiger» vom 9. Oktober heizte er ohne Not die Spekulationen wieder an: «Wenn Sabic ein Übernahmeangebot für Clariant macht und der Preis stimmt, dann sind alle Aktionäre glücklich.» Damit nicht genug: Sollte Sabic seinerseits tatsächlich von dem saudischen Ölriesen Aramco übernommen werden und damit sozusagen von der Herzkammer der saudischen Wirtschaft gesteuert werden, wie vielerorts spekuliert, schrecke ihn das nicht: «Grosse Sorgen mache ich mir derzeit deswegen nicht.»
Doch das war vor der Khashoggi-Ermordung. Immerhin sind 75 Prozent der Clariant-Aktien noch nicht in saudischer Hand. Und deren Besitzer machen sich hoffentlich schon Sorgen.