Prinz Max von und zu Liechtenstein jublierte. «Es freut uns, dass wir ein Team gewinnen konnten, das in diesem Bereich seit vielen Jahren erfolgreich ist und zu den erfahrensten zählt», sagte der Chef des Bankhauses LGT Group dieser Tage nach dem Kauf der Katastrophenbonds von Clariden Leu.
Es sind gute Nachrichten für die Käuferin LGT, aber schlechte für Verkäuferin Credit Suisse als Mutter der Clariden Leu, kommentiert ein Insider. «Die Catbond-Geschäfte von CS und Clariden Leu hätten sich ideal ergänzt», meint der Ex-Clariden-Manager. «Zusammen wäre man klare Nummer eins im Nischenmarkt geworden.» Das Geschäft mit den speziellen Versicherungs-Finanzprodukten sei zukunftsträchtig und ausbaufähig.
Meister fackelte nicht lange
Der Deal ist das jüngste Resultat einer stürmischen Periode. Seit die CS Mitte November die Integration ihrer Privatbankentochter Clariden Leu in den Konzern ankündigte, jagen sich Negativmeldungen um das Projekt. Es ist die Rede von Benachteiligungen der Clariden-Leu-Manager im internen Stellenwettbewerb, massenhaft abspringenden Beratern mit hohen Kundenvermögen, Jobangeboten für Clariden-Chefs. Kurz: Werte würden zerstört statt geschaffen.
Überraschenderweise könnte die Integration trotz enttäuschten Clariden-Mitarbeitern, gewichtigen Abgängen und umstrittenen Verkäufen am Ende als Erfolg in die CS-Annalen eingehen. Der Grund liegt nicht in der Abwicklung des Projekts, sondern ist auf das Versagen in der Vergangenheit zurückzuführen. Clariden Leu ist nämlich durch eine Laissez-faire-Politik über die Jahre zu einem potenziellen Imagerisiko für die Konzernmutter geworden.
In Brasilien waren der Polizei in den letzten Jahren mehrmals Clariden-Kundenberater ins Netz gegangen. Diese werden beschuldigt, Steuerhinterziehern geholfen zu haben. Ein anderer Fall sorgte letzten Frühling für mediale Aufregung. G. V. war nicht nur grosser Clariden-Kundenberater in Genf, sondern betrieb nebenbei auch seinen eigenen Fonds, den er mit Geldern seiner Clariden-Kunden gespiesen hatte. Obwohl der doppelte Verdienst intern lange bekannt war, setzte erst der neue Chef Olivier Jaquet dem Treiben ein Ende.
Einmal in die CS integriert, dürften «Explosionen» mit klagenden Kunden und riskantem früheren Geschäftsgebaren besser bewältigt werden, als wenn Clariden Leu als eigenständige Einheit ins mediale Sperrfeuer geraten würde. Das könnte ein entscheidender Grund für die Integration gewesen sein.
Grenadier-Offizier Hans-Ulrich Meister, der nach langer UBS-Zeit erst gut drei Jahre bei der CS war, hatte Anfang August CS-Private-Banking-Chef Walter Berchtold abgelöst und damit auch die Zügel bei der Tochter übernommen. Nur drei Monate später zog er dort den Stecker. Meisters Coup kam nur für Aussenstehende überraschend. Insider wussten, dass es sich lediglich um den letzten Schritt einer langjährigen Misere handelte.
Zupass kam dem CS-Top-Shot bei seinem Entscheid eine Negativgeschichte von Clariden-Kurzzeit-Chef Olivier Jaquet. Dieser lebt mit seiner Familie am schönen Goldküsten-Zürichsee, versteuerte aber sein Einkommen jahrelang im günstigen, bezüglich Lebensqualität aber weniger attraktiven Vaduz. Als dies im Oktober publik wurde, griff Meister zum Integrationsmesser, das seine Vorgänger immer wieder gewetzt, aber nie angesetzt hatten. Er nutzte Jaquets Steuereskapade, um den widerspenstigen Clariden-Leu ein für allemal zu erlegen.
Seine Vorgänger hatten lange gezaudert. «Dabei war Clariden Leu eine Totgeburt», sagt ein langjähriger Clariden-Manager. «Schon als sie Oswald Grübel als fusionierte Privatbank mit integrierter Informatik aus der Taufe hob, war im oberen Clariden-Management klar, dass der feinen Bank das Ende bevorsteht.»
Grübel, der 2007 als CS-Chef zurücktrat und von 2009 bis 2011 die schlingernde UBS wieder auf Kurs brachte, sieht das anders. Am Telefon führt er aus, warum sein Beschluss vom Frühling 2006 zwingend gewesen sei: «Alles andere machte aus Kostensicht keinen Sinn.» Es habe damals eine Bank mit mindestens 100 Milliarden Franken Kundenvermögen gebraucht. Dieses Ziel sei einzig durch den Zusammenschluss der Credit-Suisse-Töchter Bank Leu, Clariden, Hofmann und zwei weiteren kleineren Einheiten zu erreichen gewesen.
Den umstrittenen Entscheid, der neuen Clariden Leu das eigene Informatiksystem wegzunehmen und deren Daten stattdessen auf den CS-Server zu migrieren, begründet Grübel mit einer weiteren Notwendigkeit. «Uns blieb gar keine andere Wahl, denn die Clariden-Leu-Manager erklärten uns damals, ihnen würden der Manpower und die Projektkapazitäten für eine eigene Informatik fehlen.» Der IT-Beschluss sei somit ein «rein operationeller Entscheid» gewesen und habe nichts mit einer geplanten späteren Integration der Clariden Leu zu tun gehabt.
Streichung von 500 Stellen
Gleich argumentiert heute die CS. «Wir sind weiterhin auf gutem Weg, die angestrebten Kostensynergien zu erreichen und die Vermögensabflüsse im erwarte-ten Rahmen zu halten», sagt CS-Sprecher Marc Dosch zur laufenden Integration, die noch bis weit in die zweite Hälfte von 2012 dauern würde, auch wenn formell Clariden Leu in zwei Wochen das Zeitliche segnen wird. Daran würde die Clariden-Integration letztlich gemessen.
Als Erfolg zählt Dosch den Wechsel von einzelnen Kundenberatern und Teams für die Märkte Schweiz und Lateinamerika auf sowie die beschlossene Integration mehrerer zentraler Bereiche wie das Geschäft mit den externen Vermögensverwaltern und mit den diversen Fonds und strukturierten Produkten der Clariden Leu. «Zuletzt entscheiden die Kunden, ob die Integration ein Erfolg wird oder nicht», sagt er. «Wir sind überzeugt, dass sie bei der CS von der Beratungsqualität und der umfassenden Dienstleistungspalette profitieren werden.»
Dieser Sichtweise stehen gewichtige Abgänge von erfahrenen Kundenberatern gegenüber (siehe Kasten). Die Bank Julius Bär meldete kürzlich die Verpflichtung eines 18-köpfigen Teams von Nahost-Experten von Clariden Leu. Ebenso zu reden gibt intern die Streichung von über 500 Stellen als Folge der Integration.
Dem steht eine Handvoll früherer Clariden-Leu-Spitzenleute gegenüber, die sich bei der CS ins gemachte Nest setzen können. Der einstige Asien-Manager und spätere Europa-Chef Erich Pfister wird Kadermann im Private-Banking-Markt England. Der Stabschef Roland Herrmann ist kürzlich zum neuen Finanzchef der Neuen Aargauer Bank, einer CS-Regionalbanktochter, gekürt worden. Marketing-Spitzenfrau Daniela Lohner kehrte zu ihrer früheren Arbeitgeberin zurück, und auch Urs Emmenegger, ein Vertrauter von CS-Spitzenmann Meister, soll vom Mutterhaus ein Jobangebot erhalten haben.
Es sind die Geschichten über Sieger und Verlierer der Integration, die kommenden Freitag an der grossen Clariden-Leu-Farewell-Party im neuen Event-Lokal im Zürcher Güterbahnhof ein letztes Mal für Gesprächsstoff unter den Bankern sorgen werden. Dann wird das Kapitel Clariden Leu endgültig geschlossen – nach insgesamt 257 Jahren.
Clariden Leu: Die Profiteure der Integration
Schmiede für Top-Leute
Clariden Leu hat zahlreiche Top-Leute hervorgebracht. Sie könnten von den Turbulenzen rund um die Integration der Privatbank ins Mutterhaus Credit Suisse profitieren.
Bernard Stalder
Der Präsident der Genfer Banque Heritage war erster Chef der fusionierten Clariden Leu. Das CS-Urgestein gehörte zum Pool der Clariden- Mitbesitzer. Ende 2007 verliess er die Bank. Er übernahm das Präsidium der Walliser Kantonalbank. Seit 2011 ist er Präsident der Heritage-Privatbank. Dort führt seit 2009 Ex-Clariden- Top-Shot Roland Knecht das globale Private Banking, der ab 1985 das Asien-Geschäft von Clariden aufgebaut hatte. Ebenfalls bei Heritage ist der frühere Risikochef von Clariden Leu, Jean-Pierre Colombara. Die drei Ex-Clariden-Top- Shots könnten nun «fahnenflüchtige» Kundenberater der Clariden Leu unter Vertrag nehmen. Heritage-Kapitän Stalder wollte sich dazu nicht äussern.
Beat Wittmann
Der Ex-Spitzenmann der Clariden verpflichtete kürzlich einen ersten Privatbanker von Clariden für seine Assetmanagerin Dynapartners. Wittmann betont, dies geschehe «im Guten» mit der CS. Schon länger dabei ist Alex Hoffmann. Er war 2006 bei der Ankündigung der Fusion zur Clariden Leu ausgeschieden und hatte eine eigene Vermögensverwaltung in Genf gegründet, die er später mit Wittmann zu Dynapartners verband.
Max Cotting
«Jagd» auf Clariden-Banker macht auch Max Cotting, Chef der Zürcher Vermögensverwaltungsgruppe Aquila. Er verpflichtete kürzlich Antonio Marin, einen langjährigen Clariden-Kader mit breiter Kundenbasis. Ebenfalls zu Aquila stösst Bastiaan Schrier von der früheren CS-Tochter Hofmann, zusammen mit vier Partnern. Aus Basel kommen zwei weitere Clariden-Kundenberater dazu.
Selbstständigkeit
Weitere Clariden-Profis wie Bruno Lienhart, Thomas Fürbringer und Anthony Cagiati könnten sich selbstständig machen. Die zwei Ersteren versuchen sich offenbar als unabhängige Vermögensverwalter, Letzterer soll laut Clariden-Quellen mit Partnern eine Vermögensverwaltung namens Metropol Partners planen, mit Sitz im heutigen Clariden-Zweitsitz, dem Metropol-Haus an der Zürcher Börsenstrasse. Cagiati wollte keine Fragen beantworten, Lienhart liess Anrufe unbeantwortet.