Fritz Lanman liebt die Schweiz. Skifahren, Canyoning in Interlaken, Silvester in St. Moritz – der Amerikaner reist seit Jahren immer wieder an. Lanman ist Chef des New Yorker Startups Classpass, eines App- und webbasierten Fitnessnetzwerks mit mehr als 20'000 Partnerstudios und -Fitnesscentern in fast zwanzig Ländern.

Das Prinzip: Nutzer kaufen jeden Monat Credits, die sie für Trainings verwenden können – in der eigenen Stadt oder weltweit. Ende Juli ist Classpass in der Schweiz gestartet, zuerst mit Studios in den Regionen Zürich und Genf, weitere sollen folgen.

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Grund für den Markteinstieg ist nicht die Vorliebe des CEO für die Schweizer Bergwelt, sondern vor allem die «Attraktivität des Schweizer Marktes», wie Lanman im Gespräch mit der «Handelszeitung» sagt. «Die Schweiz hat mehr Studiofitness pro Kopf in Genf oder Zürich als vergleichbare Städte in Europa – die Bevölkerung führt im Vergleich etwa zu meinen Landsleuten (seufzt) einen sehr aktiven Lebensstil», sagt Lanman. «Wir sehen aber auch, dass die Studiofitness-Industrie in der Schweiz weiter vorangeschritten ist als anderswo in Europa

Fitness boomt, Studiofitness boomt noch mehr

Unter Studiofitness versteht Classpass kleine, von Trainern geleitete Kurse in spezialisierten Studios und grossen Fitnesscentern, die sich auf spezifische Aktivitäten oder Körperbereiche konzentrieren.

Die Fitnessbranche in der Schweiz boomt, ein Ende des Wachstums ist nicht abzusehen. Die Marktteilnehmer tragen einen harten Wettbewerb aus. Vor allem die Ketten unterbieten sich mit Lockangeboten, die sich nur rechnen, wenn die Kunden ein weit verbreitetes Verhalten an den Tag legen, auf das die Branche zählt: ein Abo kaufen und dann nur selten oder gar nie im Fitnesscenter auftauchen.
 

Classpass verspricht den Partnern bessere Wirtschaftlichkeit – ob Einzelbetrieb oder Kette. «Wir maximieren den Umsatz mit ihren Überkapazitäten», erklärt Lanman. «Wir sagen den Partnern: Füllt eure Kurse und euer Studio mit möglichst vielen Direktkunden – und wir maximieren für euch den Umsatz mit offenen Plätzen.»

Classpass-Nutzer sind laut Lanman keine Loyalisten, sie wollen in fünf oder sechs Studios ebenso viele unterschiedliche Sportarten buchen, von Pilates und Yoga über Spinning und Joggen bis hin zu Barre-Training und Kampfsport.

Classpass-Nutzer sind keine Loyalisten. Sie wollen in fünf oder sechs Studios ebenso viele unterschiedliche Sportarten buchen.

In der Schweiz startet Classpass mit rund 140 Einzelbetrieben als Partnern, das Netzwerk soll schnell ausgebaut werden. Ob er mit Fitnessketten im Gespräch ist, will Lanman nicht sagen. Aber im Heimatland etwa gehören grosse Ketten wie «24 Hour Fitness» oder «LA Fitness» zu den Partnern.

«Wir fangen typischerweise mit spezialisierten Studiofitness-Optionen und -Partnern an und tun uns dann in nächsten Schritten mit traditionellen Fitnesscentern und Box-Gyms zusammen», sagt der 38-jährige Kalifornier. Classpass weitet sein Netzwerk zudem auf die Bereiche Wellness und Beauty aus, also etwa Massagen, Akupunktur und Gesichtsbehandlungen.

Reste? Schnäppchen?

Classpass probierte jahrelang Abomodelle aus, bis vergangenes Jahr das Credit-System eingeführt wurde: Gegen eine monatliche Gebühr erwerben Classpass-Mitglieder eine feste Anzahl Credits. Jeder Kurs kostet eine bestimmte Anzahl an Credits, welche je nach Verfügbarkeit, Häufigkeit und Beliebtheit der Studios oder Kurse variiert – und der Kurs muss fest vorausgebucht werden.

Mit diesem Modell profitiert nicht nur Classpass, sondern auch die Anbieter. Bei den früher vermarkteten Monatsabos waren die Studios vorsichtig und überliessen Classpass nur die «Restposten». Classpass konnte laut Lanman nur Geld verdienen, wenn die Kunden nicht trainierten oder Classpass mit den Partnern noch tiefere, unrentable Preise aushandelte. Viele Ketten und Einzelanbieter waren an diesen Groupon-ähnlichen Schnäppchenmodellen nicht interessiert. «Das war oder ist das traditionelle Gym-Modell, das von unseren Rivalen verwendet wird», sagt Lanman.

Partnernetzwerke

Classpass konkurriert in Europa mit Nachahmern wie dem Berliner Startup Urban Sports Club, das sein Wachstum mit dem Kauf kleinerer Mitbewerber aggressiv vorantreibt, oder dem in der Schweiz vertretenen, aber deutlich kleineren Anbieter Myclubs aus Wien.

Classpass hat nicht nur ein deutlich grösseres Partnernetzwerk, die Amerikaner heben sich vor allem durch die von ihren Softwareingenieuren und Datenwissenschaftern entwickelte Technologie vom Wettbewerb ab, behauptet Lanman. «Wir haben Machine-Learning- und andere ausgeklügelte Software entwickelt und unsere Algorithmen rechnen den umsatzmaximierenden Preis für jeden einzelnen überschüssigen Platz jedes Kurses eines Studios oder Fitnesszentrums aus», sagt der ehemalige Microsoft-Manager und Investor, der früh Kapital in Startups wie Pinterest und Square steckte. «Wir sind die Einzigen, die Studios und Fitnesszentren einen solchen Service bieten und nicht auf Billigpreise abzielen.»

Laut Lanman können die Anbieter auf der Classpass-Plattform auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Preise und Monatsmitgliedschaften vermarkten.

1 Million Gym-Kunden in der Schweiz

Laut Daten der Beratungsgesellschaft Deloitte waren im letzten Jahr 14 Prozent der Schweizer Bevölkerung Mitglied in einem privaten Fitnessclub, also mehr als eine Million Menschen – die Branche erwirtschaftete rund 1 Milliarde Franken. Die Anzahl der Fitnessanlagen stieg von 2015 bis 2018 um 330 Center auf 1'169, wie der Schweizerische Fitness-und Gesundheitscenter Verband meldet. 72 Prozent davon sind Einzelbetriebe, der Rest Ketten wie jene der Migros-Gruppe, der grössten Fitnessanbieterin im Land

Die Plattform enthält zudem einen Empfehlungsalgorithmus, der Nutzern Kurse basierend auf ihrem Verhalten und Geschmack vorschlägt, und jeder Kunde bewertet Kurse und Studios. Davon profitieren laut Lanman Anbieter ohne Marketingbudgets. «Vor Classpass mussten sich Studios auf Werbung verlassen, um von Kunden entdeckt zu werden, das übernimmt jetzt unsere Plattform.» Zur Höhe der Provision, die Studios Classpass bei der Buchung von Kursen überweisen, schweigt Lanman sich aus.

Gegründet wurde der Classpass-Vorläufer Classivity 2012 von der MIT-Absolventin und Tänzerin Payal Kadakia, die als VR-Chefin fungiert, seit sie den CEO-Posten im März 2017 Lanman übergab – einem ihrer ersten Investoren. Das Startup hat bisher 255 Millionen Dollar Risikokapital von VC wie Googles Investmentfirma Google Ventures und Temasek eingesammelt. Classpass soll irgendwann an die Börse, sagt Lanman, einen konkreten Plan gebe es aber nicht: «Wir wollen ein sehr grosses, eigenständiges Unternehmen aufbauen.»