Einige schlaflose Nächte habe ihm der Beinahe-Zusammenbruch des CO2-Markts in der EU bereitet, sagt Ted Scheidegger, Finanzchef von Precious Woods. Das Unternehmen ist auf die Wiederaufforstung und nachhaltige Bewirtschaftung tropischer Wälder spezialisiert.
Nicht das ökologische Gewissen hielt Scheidegger wach, sondern das finanzielle. Precious Woods ist das erste Schweizer börsenkotierte Unternehmen, das die Schaffung von CO2-Zertifikaten bzw. -Emissionsrechten in sein Geschäftsmodell aufgenommen hat. Mit einem Wiederaufforstungsprojekt in Costa Rica sowie einem Energieprojekt in Brasilien hat Precious Woods bis Ende 2005 das Äquivalent von 621000 t CO2-Emissionsrechten geschaffen, die das Unternehmen zum Beispiel an Kohlekraftwerkbetreiber verkaufen könnte. Und im Mai schrieb Precious Woods weitere 200000 t aus einem Wiederaufforstungsprojekt in Nicaragua gut. Das sei erst der Anfang, sagt Scheidegger.
Gemessen an den Marktpreisen dürften die vorläufigen Einnahmen sich mindestens auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag belaufen.
Risiken im Preis inbegriffen
Warum also schlaflose Nächte? Ende April 2006 wurde bekannt, dass die EU-Länder 44 Mio t zu viel Emissionsrechte (EUA) zugeteilt hatte. Der Preis für 1 t CO2 brach von 31 auf 9 Euro ein. Ein Fiasko erlebte deshalb die Bank Leu, die am 21. April 1 Mio t CO2-Zertifikate zu einem Preis von 28,05 Euro emittierte. Gibt man sich bei der Bank Leu über den offensichtlichen Misserfolg dieses Anlageprodukts zugeknöpft, schläft Scheidegger inzwischen wieder gut die Kurse sind mittlerweile auf rund 16 Euro gestiegen.
Precious Woods generiert zwei weitere «CO2-Währungen», die neben den EU-Emissionsrechten gehandelt werden: Die Certified Emission Reductions (CER) sowie die Carbon Financial Instruments (CFI). Sie werden ebenfalls an Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen verkauft, die im Rahmen der Kyoto-Übereinkunft ihre Treibhausgase reduzieren müssen. Der Preis für ein CER oder CFI variiert aufgrund vielfältige Risiken stark und ist einiges tiefer als der eines EU-Zertifikats. Aber sie korrelieren miteinander.
An der Chicago Climate Exchange (CCX), wo Precious Woods die CFI an US-Unternehmen verkauft, die sich freiwillig zur Senkung ihres Treibhausgasausstosses verpflichtet haben, sank der CFI-Kurs im Strudel des EU-Marktes von 4,95 auf zeitweise 3 Dollar.
Dass die Preise wieder anzogen, liess Scheidegger tief aufatmen. Als Precious Woods 2003 beschloss, im CO2-Handel mitzutun, war ein CFI in Chicago nur 0,90 Dollar wert. Zwischenzeitlich haben sich die Renditeaussichten erheblich verbessert. Das drohende Versagen des EU-Markts liess aber Ängste aufkommen, ob der im Rahmen des Kyoto-Vertrags eingeführte, so genannte «Cap-and-Trade»-Mechanismus (Reduzieren und Handeln) überhaupt funktioniert.
Scheidegger ist davon überzeugt und rühmt das eigene Geschäftsmodell: «Wir erbringen den Beweis, dass mit ökologischer Nachhaltigkeit auch ein ökonomischer Mehrwert geschaffen werden kann.»
Der EU-Emissionshandel war bis zum grossen Crash eine Erfolgsstory: Gemäss Weltbank wurde 2005 Kohlendioxid im Wert von rund 10 Mrd Fr. gehandelt. Im 1. Quartal 2006 explodierte das Handelsvolumen auf rund 8,5 Mrd Fr. Seit Anfang 2005 stieg der Kurs um 400%. Die Schattenseiten des Booms: Die Volatilität ist extrem, das Spiel von Angebot und Nachfrage ist noch nicht ausgeprägt, die Energiepreise stiegen ebenso wie das Spekulationsfieber.
Im Markt für CER hingegen herrscht weiter Goldgräberstimmung: Spezialisierte Unternehmen, Risikokapitalisten und Financiers wollen im weltweiten Klimaschutz das grosse Geschäft machen. Firmen wie die irische Ecosecurities überlegen beispielsweise, wie sich durch ein sauberes Entsorgungsverfahren von Schweinekadavern CER schaffen lassen. Bei der Uno sind zurzeit 760 CDM-Projekte (Clean Development Mechanism) registriert oder im Prüfungsstadium, die eine knappe Mrd CER zum Preis zwischen 5 und 13 Euro generieren. Bis 2012 könnten es 5 Mrd CER werden.
Bullige zweite Handelsrunde
Marktbeobachter glauben, dass die Kinderkrankheiten in der zweiten EU-Handelsperiode ab 2008 dann, wenn die Emissionsrechte neu zugeteilt wurden nicht mehr auftreten, weil die EU insgesamt strenger verfahren wird. «Ab 2008 dürfte der Kurs bei viel geringerer Volatilität steigen», erwartet Thomas Stetter von der Umweltberatungsfirma Factor.
Das Zürcher Unternehmen hat über 15 Mio CO2-Zertifikate aus CDM-Projekten unter Vertrag. Gemäss Stetter will Factor bis im Sommer mit Financiers vereinbaren, einen Fonds über 100 Mio Fr. für weitere CDM-Projekte aufzubauen. Dabei soll wie bei Precious Woods eine doppelte Rendite winken: Aus dem Projekt selber und aus den Zertifikatserträgen.
Auch der Precious-Woods-CFO Scheidegger sieht eine rosige Klimaschutz-Zukunft: «Der Markt für die zweite EU-Handelsphase ist eher bullish», beobachtet er. Dies bedeutet höhere Verkaufspreise für CER und CFI. Precious Woods will jetzt auch in Kongo in ein Forstprojekt mit mehreren Mio Hektaren investieren. Das biete grosse Chancen für die Schaffung von CO2-Emissionsrechten, so Scheidegger.
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Emissionshandel mit Kohlendioxid
EUA
Die EU-Allowances oder EU-Emissionsrechte regeln, wie viel CO2 ein Unternehmen in einem Land ausstossen darf. Wird die Limite überschritten, müssen EUA zugekauft werden. Wird sie unterschritten, können EUA verkauft werden.
CER
Die Certified Emissions Reductions werden durch Clean-Development-Mechanism-Projekte geschaffen (CDM). Sie sind ein Instrument zur Senkung der Treibhausgase. Mit umweltfreundlichen Projekten lassen sich in Schwellenländern CER schaffen, die verkauft werden.
CFI
Certified Financial Instruments werden an der Chicago Climate Exchange (CCX) gehandelt. Die Mitglieder u.a. Ford und Motorola haben sich freiwillig zur Reduktion von Treib-hausgasen verpflichtet. An der CCX werden neben CO2 weitere Treibhausgase gehandelt.