Über die allgemeine Vertrauenskrise in der Wirtschaft ist viel gesagt worden. Bevor jedoch «Vertrauen» zum nächsten Modewort verkommt, sollte nun überlegt werden, welche Massnahmen konkret dazu dienen, Vertrauen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern wieder herzustellen. Noch immer konzentrieren sich viele Unternehmen auf die externe Kommunikation und weniger auf die effektive interne Situation. Unternehmensverantwortung muss mit dem Blick nach innen mit der Selbstreflexion anfangen. Wie aus einer kürzlichen Umfrage der PricewaterhouseCoopers hervorgeht, fokussieren Wirtschaftsführer zunehmend auf verantwortungsvolles Verhalten und verstehen ethische Standards und Codes of Conduct als probates Mittel zur Vertrauensbildung.
Unternehmenskultur
Ein Code of Conduct (CoC) hält fest, welchen gesetzlichen und ethischen Verpflichtungen das Unternehmen nachkommen muss und will und welche persönliche Verantwortung sowie Leitlinien des Verhaltens sich daraus für die Angestellten des Unternehmens ergeben. Somit dient er als benutzerfreundlicher Leitfaden, in dem die Verbindung Unternehmensstrategie Werte Verhalten glaubhaft zum Ausdruck kommt, und leistet Angestellten Hilfe in konfliktträchtigen Situationen und in den Grauzonen des Geschäftsalltages. Ein typischer Verhaltenskodex ist aber kein exklusives Instrument der Juristen, auch wenn er auch gesetzlich bindende Elemente beinhalten kann und auch kein Instrument der externen Kommunikation und Imagebildung, obwohl er manchmal auch dafür eingesetzt wird. Mit der entsprechenden Verpflichtung des Unternehmens, die postulierten Werte zu leben, ist der CoC ein starkes internes Signal.
Unternehmen haben den Zweck, mit ihren Dienstleistungen und Produkten Kundenbedürfnisse zu befriedigen, und ein Ziel, dies profitabel zu tun. Daneben stellt sich aber die Frage, wie sie dieses Ziel erreichen. Es gibt gewisse Grenzen der Handlungsfreiheit, die traditionell durch das Gesetz gegeben sind, aber auch durch die öffentliche Wahrnehmung davon, was ethisch und was unethisch ist. Entsprechend gestiegen ist die Wichtigkeit der Werte, die in allen Handlungen nach innen und aussen vertreten werden. Konflikte können sich aus der Tatsache ergeben, dass kurzfristig profitable Aktivitäten bei einer langfristigen Betrachtung mehr Schaden als Nutzen erzeugt. Dagegen legen sich Unternehmen auch Beschränkungen an, um angesehen zu bleiben, die kurzfristig zulasten der Marktanteile und des Cashflow gehen. In der Praxis ist die Handhabung dieser Konflikte nicht einfach, da die Anreizsysteme immaterielle und langfristig wichtige Unternehmensziele oft nicht genügend berücksichtigen.
Vorab in den USA gibt es für Firmen jedoch substanzielle Anreize, in CoC zu investieren. Neben einer tieferen Wahrscheinlichkeit von Fehlverhalten können Firmen mit einem solchen Kodex im Falle einer Verurteilung mit einem geringeren Strafmass rechnen. Dies trifft nicht nur auf das Unternehmensstrafrecht zu, sondern auch beispielsweise auf Umwelt- oder Antikorruptionsgesetze.
Der am meisten gehörte Vorwurf an CoC lautet «gut gemacht, aber schlecht umgesetzt». Es lohnt sich daher, sich einige Prinzipien einer erfolgreichen Umsetzung in Erinnerung zu rufen:
- Übereinstimmung mit Unternehmensstrategie: Um glaubwürdig zu sein, muss der Kodex in Einklang mit der Strategie, der Kultur und den Werten des Unternehmens sein. Auftraggeber ist entsprechend der Verwaltungsrat als Aufsichtsorgan. Der CoC ist jedoch das falsche Mittel, um Corporate Identity zu betreiben oder eine fehlende Unternehmenskultur zu etablieren.
- Commitment vom Top Management: Der «tone at the top» ist ausschlaggebend für den Erfolg. Einbindung der Stakeholder: Es lohnt sich, die Mitarbeiter als Adressaten des CoC von Anfang bei der Entwicklung des Inhalts einzubeziehen.
- Inhalt und Gestaltung: Keep it simple: Einfache, kurze und klare Codes funktionieren besser, obwohl sie vielleicht einige Fragen offen lassen. Zudem soll ein wirkungsvoller CoC auf Prinzipien und nicht Regeln basieren; eine zu hohe Detaillierung hat einen gegenteiligen Effekt. Wichtig ist auch der Fokus auf das, was relevant für die tägliche Arbeit ist. Veranschaulichung und Beispiele aus der Praxis zu jedem Prinzip fördern das Verständnis.
- Bewusstseinsbildung: Zur Umsetzung gehört eine gute interne Kommunikation, begleitet von «knowledge sharing» und Workshops über die Anwendung. Europäer können beispielsweise meistens von Erfahrungen in der Anwendung des CoC bezüglich der «sexual harrassment policy» von US-Kollegen profitieren. Die Diskussion und Reflexion über Werte und das Feedback ist ein wesentlicher Nutzen eines Kodexes. Angestellte werden so ermuntert, sich selber Gedanken zur Bedeutung eines CoC für ihre persönliche Arbeit zu machen.
- Ausbildung: Ausbildung, Diskussion und Interpretationen sind das zentrale Element der Umsetzung. Nicht auswendig lernen ist gefragt, sondern das Verstehen des Zusammenhangs zwischen Unternehmensinteresse, Verhalten der Mitarbeiter und Unternehmensrisiken.
- Business Integration: CoC sind so gestaltet, dass verantwortliches Handeln auf allen Stufen, in allen Prozessen stattfindet.
- Persönliche Verpflichtung: Ein CoC kann nicht bloss verteilt werden, sondern sämtliche Mitarbeiter müssen sich persönlich verpflichten. Viele Unternehmen lassen deshalb neu eintretende Mitarbeiter den Kodex unterschreiben. Es muss ganz klar sein, dass der Angestellte eine persönliche Verantwortung hat und dass eine Missachtung der Prinzipien Konsequenzen für das Unternehmen und für den Angestellten hat.
- Anreizsysteme: Wirklich ernst genommen wird ein CoC, wenn alle Mitarbeitenden auch an der Einhaltung gemessen werden. Das heisst, dass nichtfinanzielle und langfristige Ziele des Unternehmens Teil des «Managing by Objectives» sein müssen.
- Kontrolle: Eine wirksame interne Kontrolle zielt primär darauf, im Sinne der Prävention den Lernvorgang konstant am Leben zu erhalten. Um andererseits auch fundamentale Verstösse oder Probleme bei der Umsetzung zu entdecken, sollte z.B. durch die Schaffung einer Hotline Vertraulichkeit bei der Rückmeldung gewährleistet sein. Ferner sollte es im Interesse eines Verwaltungsrates respektive von Audit- oder Compliance Committees sein, volle Transparenz über den Grad und die Gründe der Einhaltung oder Nichteinhaltung zu haben.
Markus Nöthiger ist Senior Manager und David Pritchett Senior bei Sustainable Business Solutions, PricewaterhouseCoopers, Zürich.