Ein Dienstagmorgen im Mai, kurz nach 9 Uhr. Alexander, seit fünf Monaten Associate bei der Boston Consulting Group (BCG), sitzt an einem von drei Tischen im Büro Nummer 006, einem Raum mit grosser Fensterfront. Hinter Alexanders Rücken hängt ein Poster, einer der wenigen persönlichen Gegenstände im Raum. Es zeigt Frank Lloyd Wrights «Fallingwater», das Haus über dem Wasserfall in Pennsylvania.

Alexander arbeitet routiniert, er scheint seinen Rhythmus gefunden zu haben. Dabei war der Anfang bei BCG ein Sprung ins kalte Wasser: Am 13. Dezember 2004 galt es, erst einmal die Runde zu machen im dreistöckigen Bürogebäude an der Zollikerstrasse 226 in Zürich. 120 Hände schütteln, 120 Gesichter einprägen, 120 Namen zur Kenntnis nehmen. «Nach dem vierten Gesicht gibt man auf, keine Chance», erinnert sich Alexander.

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Dass er sich dann überraschend schnell integrierte, führt er zurück auf gute Unternehmenskultur und die Tatsache, dass er von Anfang an einem Team angehörte, das ihn einspannte, forderte und ganz selbstverständlich mitzog. Geholfen habe bestimmt auch ein früher absolviertes, dreimonatiges Praktikum bei BCG.

Sich schnell einfühlen, umstellen, reagieren seither sein tägliches Brot. Um 10 Uhr trifft Alexander im Sitzungszimmer im obersten Stock seinen Projektleiter, Brian. Im Haus sind alle per Du. «Es wäre falsch zu sagen, es gäbe keine Hierarchie», präzisiert Alexander, der Umgang sei jedoch sehr kollegial. Brian stellt eine Telefonverbindung mit Teammitglied Jen her, die an zwei bis drei Tagen pro Woche in Zürich arbeitet.

Heute hält sie sich in ihrem Heimatbüro in Madrid auf, was sie nicht davon abhält, an der Teamsitzung teilzunehmen. Konzentriert gehen die drei eine Traktandenliste durch, Punkt für Punkt werden die anfallenden Arbeiten besprochen. Brian fragt mehrmals nach, ob alles klar sei, gibt Anregungen und nimmt sich Zeit für Erklärungen. Alexander schätzt diese intensive Art des Coachings, denn im Grunde sei alles unheimlich schnell gegangen: Bereits nach kurzer Zeit stand er im Kontakt mit den Kunden, inzwischen leite er Sitzungen selber: «Das ist ein tolles Gefühl.»

Jeder Tag konfrontiere ihn mit neuen Fragestellungen, der Lerneffekt sei frappant, er selber meist wie unter Starkstrom, wenn es auch toll sei, immer «cooler» zu werden, gelassen, selbst in unübersichtlichen Situationen. Im Gespräch wirkt er manchmal fast erstaunt über die eigene Entwicklung.

Mehrsprachig umgänglich

Zurück in seinem Büro führt Alexander ein längeres Gespräch in Englisch, er scherzt mit dem Kunden, fühlt sich offensichtlich wohl. Dass er während der Kantonsschule ein Austauschjahr und während des Studiums ein Semester in Amerika absolvierte, kommt ihm heute zugute. Abgesehen davon sei er nicht immer ganz zielstrebig gewesen. Seine Studienwünsche schwankten zwischen Architektur, Germanistik und Biologie. Auch an wirtschaftlichen Vorgängen sei er immer schon interessiert gewesen, erzählt Alexander, hatte aber wenig Lust, ausgetretene Wege zu gehen. Betriebswirtschaft kam deshalb nicht in Frage. «Fast spontan» habe er sich schliesslich für Biotechnologie entschieden, aber ziemlich rasch gemerkt, dass ihm das Zeug zum Forscher fehlte: «Im Labor sitzen, tüfteln das verlangt sehr viel Geduld.» Er wollte schneller etwas bewirken, bald seine Fähigkeiten einbringen. Bereits während des Studiums begann er sich nach Alternativen umzusehen, absolvierte ein Praktikum im Investmentbanking und als erster ETH-Absolvent eines bei BCG.

Erfahrung bald weitergeben

Anstelle des Mittagessens steht für Alexander und ein paar Kollegen an diesem Tag eine Recruiting-Veranstaltung am betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Zürich auf dem Plan, wo Consultants interessierten Studenten aus ihrem Alltag erzählen. Kaum zu glauben, dass nur wenig mehr als ein Jahr Alexander von den Studenten trennt, die ihn und seine Kollegen nach der Präsentation umringen.

Auf Fragen gibt er bereitwillig Auskunft. Ja, es sei möglich, sich von Anfang an auf eine bestimmte Industrie zu konzentrieren, er selber habe sich für die Pharmabranche entschieden und wolle gerne dort bleiben. Geduldig erklärt er, wie Bewerbungsunterlagen auszusehen haben, wie Kontaktgespräche ablaufen und Bewerber sich präsentieren sollten.

Erstaunlicherweise fragt ihn keiner der Studenten nach seinem Salär. «Es ist hinlänglich bekannt, dass man in unserer Branche auch als Berufseinsteiger überdurchschnittlich verdient», erklärt Cindy Beck vom Recruiting-Team. Genaue Zahlen dürfe sie nicht bekannt geben. Der Betrag auf seinem Konto Ende Monat bringe ihn immer noch ins Staunen, sagt Alexander, der bis vor kurzem mit einem Studentenbudget zurechtkommen musste. Das Geld auszugeben, dazu fehlt ihm allerdings des öfteren die Zeit. Ohnehin wolle er seinen Lebensstandard moderat halten, sich möglichst viele Chancen offenhalten, beispielsweise für eine längere Weiterbildung.

Am Wochenende frei

Nach der Recruiting-Veranstaltung fährt er zurück ins Büro. Es gilt, die Entscheide vom Vormittag zu überarbeiten, umzusetzen und sich auf die Kundensitzung um 5 Uhr vorzubereiten. Möglicherweise ist heute vor 8 Uhr Büroschluss. Dass das nicht immer so ist, nimmt Alexander in Kauf: «Man muss auch Opfer bringen.» Eine Wochenarbeitszeit von 50 bis 60 Stunden sei nicht erheblich länger als an der ETH lediglich deren Gestaltungsfreiheit sei kleiner geworden. Dabei hat er bisher Glück gehabt: «Jedes Wochenende frei.»

Dass bei den internen Trainings auch Arbeitsmethodik und Zeitmanagement zur Sprache kommen, sei hilfreich. Es ist ihm anzumerken, dass es ihn trotz grossem Enthusiasmus für den Job nach einer langen Bürowoche ins Freie drängt: Auf den Tennisplatz, in die Berge, auf die Skipiste. Ebenso gerne vertieft er sich in ein Buch über Architektur. Seine Chancen stehen gut, dass er es eines Tages zu einem Haus am Wasserfall bringt.