Der Umsatz mit Zigaretten ist bei der Valora in den letzten zwei Jahren um 50 Mio Fr. auf 350 Mio Fr. geschrumpft. Stagnierend bis rückläufig ist auch der Verkauf von Zeitschriften wegen der neuen Gratiszeitungen und des Internets. Und Telefonkarten, die in den besten Jahren bis 100 Mio Fr. Umsatz generierten, sind im Mobilfunkzeitalter kein Geschäft mehr. Um den roten Kioskbereich wieder in die Gewinnzone zu führen, hat die Valora im letzten Jahr rund 100 unrentable Verkaufsstellen aufgegeben.
Ein unaufhaltsames Kiosksterben also? «Nein», sagt Hansluz Nussbaum, Präsident des Schweizerischen Kioskinhaber-Verbandes (SKIV). Diesem sind rund 300 unabhängige Kioskbetreiber angeschlossen. Von einer strukturellen Krise könne nicht die Rede sein, betont Nussbaum und spricht von einigen «hausgemachten Problemen» der Valora. Tatsächlich werden jetzt mehr als vier Fünftel der von der Valora aufgegebenen Kioske von den früheren Leiterinnen in Eigenregie weitergeführt: Schlank, flexibel und ohne grosses Back-Office.
Am Alten festgeklammert
Dass mit dem richtigen Rezept Kioske durchaus Erfolg haben können, zu diesem Schluss kommt auch eine Studie von Mercer Management Consulting (MMC) in diesem Jahr. Sie geht sogar davon aus, dass der Schweizer Convenience-Markt noch immer unterentwickelt sei. Zum Beweis: Das boomende Segment der 1160 Tankstellenshops und der rund 100 Kleinverkaufsstellen vor allem auf Bahnhöfen ist mit 1,4 Mrd Fr. Umsatz inzwischen fast so wichtig wie die Kioske. Es konnte zwischen 2000 und 2004 den Umsatz um 500 Mio Fr. steigern, während an den Kiosken sich in diesem Zeitraum der Umsatz um 200 bis 300 Mio Fr. auf noch 1,6 Mrd Fr. verringerte.
Wichtig für den Erfolg im Convenience-Bereich sind offenbar differenzierte Sortimente, ein kreativer Service und vor allem Güter des täglichen Bedarfs. Dies haben die Tankstellenshops und Bahnhofläden (Avec, Aperto, Pronto) weitaus besser und früher erkannt als die Kioske. Hinzu kommt zumindest an den Tankstellen ein Plus bezüglich Erreichbarkeit mit Gratisparkplatz. Das alles lässt die Umsätze in diesem Convenience-Segment in die Höhe schnellen.
Erfolgreichere Konkurrenten
Die 153 Coop-Prontos, von denen 121 Tankstellenshops sind, konnten 2005 den Umsatz um 24% auf 361 Mio Fr. steigern. In diesem Jahr sollen weitere 18 Prontos eröffnet werden, was den Umsatz wiederum zweistellig ankurbeln wird. «Die Schlüsselfaktoren für den Erfolg sind die langen Öffnungszeiten, das Frische-Sortiment sowie das günstige Preis-Leistungs-Verhältnis», erklärt Jürg Kretzer von der für die Pronto-Läden verantwortlichen Coop Mineralöl.
Auch der Convenience-Bereich der Migros, der zum Teil in einem Joint Venture mit der Valora betrieben wird, wächst rasant. «Im Superverbrauchermarkt haben wir einen Marktanteil von 50%», reklamiert Migros-Sprecher Urs Peter Naef. Die bisherigen 79 Tankstellenshops und 58 Bahnhof- und Innenstadtläden (Avec, Aperto und k-Shop) sollen bis Mitte 2007 alle unter Avec vereinheitlicht werden. «Zudem werden wir neue Läden eröffnen mit dem Ziel, in der Schweiz zum Leader für das rasche und bequeme Einkaufen zum günstigsten Preis zu werden», erklärt Naef.
Viele Gründe für Stopp am Kiosk
Selbst im eigentlichen Kioskgeschäft gibt es, trotz der Krise des Branchenführers Valora, durchaus Erfolgsgeschichten zu melden. Die Nummer zwei, die in der Romandie aktive Naville SA, hat einige der von ihr geführten 200 Kioske zu kleinen Presse-Cafés ausgebaut und ist damit erfolgreich. Und der Umsatz von 1,5 Mio Fr. pro Verkaufsstelle liegt deutlich über einem durchschnittlichen Valora-Kiosk, der unter einer Million tätigt.
Auch Coop betreibe laut eigenen Angaben ihre rund 300 Kioske weitaus erfolgreicher, auch wenn sie dies nicht mit Zahlen belegen könne. Die Kioske sind nämlich in die Verkaufsstellen integriert und werden nicht als eigene Profit Center geführt.
Zum Konzept gehören hier besondere Dienstleistungen wie Textilreinigung und Warenrücknahme sowie der Verkauf von gebührenpflichtigen Kehrichtsäcken, von Spirituosen, von Reka-Checks und von Geschenkgutscheinen. All das zwingt die Kunden zum Zwischenstopp am Kiosk, bringt also Frequenzen und damit auch Umsätze bei Zeitungen und Zigaretten.
Erfolgsfaktoren für Convenience-Anbieter
Die Kioske hätten sich zu lange an ihren schrumpfenden Kerngeschäften Tabak und Presse, die bis zu zwei Drittel des Geschäftes ausmachen, festgeklammert, kritisiert die Mercer Management Consulting (MMC)-Analyse «Zukunft Kiosk: Convenience-Strategien in der Schweiz». Im Gegensatz zu Kiosken im Ausland seien Schweizer Kioskbetreiber zu wenig auf preisunempfindliche und margenträchtige Dienstleistungen ausgerichtet. Auch bezüglich Erreichbarkeit und Öffnungszeiten brächten sie ihren Kunden zu wenig Zusatznutzen.
Laut den Experten der MMC-Studie entscheiden folgende Schlüsselfaktoren über Erfolg und Misserfolg:
- Massgeschneiderte Sortimente, die je nach Verkaufsstelle, Kaufanlass und abhängig vom Tagesverlauf zusammengestellt und auf die sehr kleinen Verkaufsflächen verteilt werden.
- Regional abgestimmte Quick-Service-Gastronomie mit unterschiedlichen Menüs zu unterschiedlichen Tageszeiten.
- Dienstleistungen: Der Kiosk oder Convenience-Store als Anlaufstelle für bestimmte Services (nach japanischem Vorbild mit einem Terminal für Bankservices, Reisebürodienstleistungen, Musik- und Film-Downloads).
- Serviceorientierung: Schnelligkeit und Freundlichkeit des Personals sind noch wichtiger als im klassischen Detailhandel.
- Margenorientierte Preise: Convenience-Käufer sind als Impulskäufer weniger preissensitiv als Vorratskäufer.