Gemeinsam an die Spitze» will Coop-Chef Hansueli Loosli seine über 45 000 Mitarbeiter führen. Als «Vision» bezeichnet man bei Coop die derart hoch gehängte Messlatte – und erst auf die Frage, ob damit auch das Überholen der Migros gemeint sei, meint Loosli mit einem verschmitzten Lächeln: «Ich habe ja nicht gesagt, an die Spitze von was.»
In einem jedenfalls ist Coop in jüngerer Zeit unbestreitbar Spitze, zumindest im Vergleich zum Branchenprimus Migros. Denn die verzeichnet zwar immer noch und mit gehörigem Sicherheitsbstand den grössten Detailhandelsumsatz des Landes, entfaltet aber nicht eben das Bild eines dynamischen, flexiblen und zukunftsorientierten Unternehmens, wie Coop das heute tut. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht Coop-Mitteilungen verbeitet werden, die Umwälzungen in der Gruppe signalisieren: Anton Felder wird Verwaltungsratspräsident, Simeco-Chef Thomas Dähler geht «im gegenseitigen Einvernehmen», Coop Leben wird zur AG.
Dabei galt Coop bis vor wenigen Jahren als ein eher betuliches Unternehmen, das kaum zu raschen Entschlüssen und radikalen Änderungen neigte, während die Migros unentwegt als jenes Unternehmen galt, das den schweizerischen Detailhandel revolutioniert hat, auch wenn vom revolutionären Dutti-Geist nicht mehr allzu viel zu verspüren war. Die schon seit längerem dringend nötige Veränderung der Organisationsstrukturen ging auch bei der Coop eher schleppend voran: Ein halbes Jahrhundert benötigte das Unternehmen für die erste Phase des Umbaus – von 572 Genossenschaften mit 1900 Läden, knapp 550 000 Mitgliedshaushalten und einem Umsatz von 720 Millionen Franken im Jahre 1950 zu 14 Genossenschaften mit knapp 1000 Läden (aber fast dreimal so grosser Verkaufsfläche), zwei Millionen Mitgliedshaushalten und einem Gruppenumsatz von 13 Milliarden Franken im Jahre 2000.
In den letzten paar Jahren freilich hat der nur langsam erwachte Riese einen veritablen Adrenalinschub bekommen, symbolisiert durch den Dynamiker Hansueli Loosli. Als wir ihn damals zum «Mann des Monats» erklärten – gegen seinen ausdrücklichen Wunsch und dann doch irgendwie zu seiner insgeheimen Freude –, wurde gerade «der vorläufig letzte Schritt» der Redimensionierung von 15 auf 14 Genossenschaften vollzogen. Loosli führte aus, wie er die ganze Gruppe dynamisieren und dabei die noch verbleibenden 14 regionalen Genossenschaften einbeziehen wolle. Ein paar Wochen später war von 14 Genossenschaften schon gar nicht mehr die Rede.
Denn der grosse Sprung nach vorn war damals zwar schon in der Pipeline, definitiv beschlossen und kurz vor der Umsetzungsphase – aber darüber sprach Loosli nicht, bevor er ganz sicher war, dass wirklich alle Regionalfürsten mitmachen würden. Und dann gab Loosli bekannt, was beinahe einer Neugründung der Coop gleichkommt: Die 14 verbliebenen Genossenschaften werden zu einer einzigen fusioniert, deren mehr als zwei Millionen Mitglieder über sechs Regionalräte die Delegiertenversammlung und die Mehrheit des Verwaltungsrates wählen, der wiederum die Geschäftsleitung bestimmt.
Für diesen Plan, der unter dem Zeichen «Coop forte» segelt, erhielt Loosli den Auftrag im September 1998. Bis zum Herbst 1999 war er beschlussreif und wird seit nunmehr sechs Monaten umgesetzt. Die Umsetzungsphase begann am 1. Januar 2001 mit einem Paukenschlag, mit dem einschneidendsten Schritt des ganzen Plans, der finalen Fusion zu einer einzigen Genossenschaft. Bis zum Jahre 2004 soll die «neue Coop» ihre definitive Struktur erreicht haben, und dann sollen alle neuen Systeme funktionstüchtig sein.
Die Coop-Gruppe wird damit zum zentral geführten Detailhandelsunternehmen, wenn auch mit eingebauten Sicherungen: Um regionale Verankerung und Kundennähe sicherzustellen, werden fünf Verkaufsregionen geschaffen, deren Einteilung auch in der Logistik und in der Immobilienverwaltung gilt. Coop wird zur Dachmarke für alle Aktivitäten innerhalb der Gruppe, mit ganz wenigen Ausnahmen. Aus dem extrem föderalistisch aufgebauten, traditionell gewachsenen Gebilde wird ein schlagkräftiges, schnell reaktionsfähiges Unternehmen.
Der starke Mann und die treibende Kraft in diesem Gebilde ist fraglos Hansueli Loosli, auch wenn er gerne damit kokettiert, dass er einen Chef habe, der ihn genau kontrolliere, nämlich den hauptamtlichen Verwaltungsratspräsidenten Anton Felder und letzten Endes den ganzen, heute noch 23-köpfigen Verwaltungsrat (ab 2004 noch 11 Mitglieder).
Tatsächlich ist es eigentlich das Gespann Loosli-Felder, das in der Coop den Ton angibt: Loosli als der ungeduldige, dynamische Macher, Felder als eine Art Elder Statesman, der in seiner aktiven Geschäftsführungszeit in vielen Dingen den Boden für Loosli vorbereitet hat und ihm heute gegenüber den immer noch mächtigen Traditionalisten in der Gruppe den Rücken freihält.
Denn noch ist die neue Coop nicht vollständig in Aktion. «Organisatorisch», sagt Loosli, «haben wir ungefähr die Hälfte realisiert, in der Logistik sind wir in den ersten 20 Prozent, und in der Informatik stecken wir, was die Warenbewirtschaftung angeht, noch in der Vorbereitungsphase; das wird bis 2004 dauern.» Insgesamt aber ist Loosli guter Dinge: Die Gruppenstruktur steht, die Führungsstruktur läuft – zumindest beim harten Kern von rund 250 auf die neue Strategie eingeschworenen Kadern –, und der Umsatz in den ersten fünf Monaten dieses Jahres übertrifft mit plus vier Prozent sowohl den Branchendurchschnitt als auch die Erwartungen.
Der gewaltige Umbau ist nicht gratis. In der Rechnung 2000 schlägt er sich sogar in Gestalt eines Jahresverlustes nieder. Denn der Betriebsgewinn von 570 Millionen wird zu einem Gutteil von den durch den Umbau bedingten Rückstellungen (364 Millionen) und vom Ergebnis der Finanzrechnung (minus 171 Millionen) aufgefressen, und der Nachschlag von 200 Millionen Franken, den Coop der Basler Kantonalbank für zu spät entdeckte Verlustrisiken bei der ausgelagerten Coop Bank überweisen musste, färbte die Jahresrechnung 2000 definitiv rot ein.
Das ist aber für Hansueli Loosli kein Grund zur Beunruhigung. Die massiven Rückstellungen wurden auch für Ausgaben getätigt, die erst in den kommenden Jahren anfallen, dürften sich dann also segensreich auf die Rechnung auswirken. Und der Nachschlag in Sachen Coop Bank deckt das maximale Verlustrisiko; wie viel davon gebraucht wird, wird sich erst in den kommenden Monaten herausstellen – und dann könnte sogar die eine oder andere Million zurückfliessen.
Loosli geht davon aus, dass sich der ganze Umbau aus eigener Kraft finanzieren lässt. Die im Vergleich zur Migros dünnere Eigenkapitaldecke schreckt ihn dabei nicht. Erstens hält er sie nicht für zu klein – 29 Prozent der Bilanzsumme nach dem Verlustabschreiber 2000, auch wenn 35 Prozent angestrebt werden –, unter anderem weil allein in der Bewertung der Liegenschaften noch stille Reserven von gut und gerne zwei Milliarden Franken schlummern. Und zweitens gedenkt er den ganzen Umbau und die übrigen Investitionen aus den laufenden Erträgen zu finanzieren: «Wenn wir wie im letzten Jahr einen Cashflow von über einer Milliarde erzielen und davon 80 Prozent investieren, ist das überhaupt kein Problem.»
Doch genau das ist das Problem. Die Loosli-Formel von über acht Prozent Cash-flow-Marge zu realisieren, ist im Detailhandel keine einfache Sache. Schliesslich hat Hans-ueli Loosli selber in anderem Zusammenhang schon verkündet, die Detailhandelspreise in der Schweiz seien um 20 Prozent zu hoch, was ihm umgehend den Zorn der Bauern eintrug. Dabei meinte er nicht einmal in erster Linie die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft. Die sind zwar deutlich höher als in allen europäischen Nachbarländern, aber das hängt vor allem mit der topografischen Struktur des Landes zusammen, die wir ja nicht ändern können. Diese Struktur, so Loosli, könnte der schweizerischen Landwirtschaft sogar zum Vorteil gereichen. Die geringere Grösse der durchschnittlichen Produktionseinheit erleichtert den Übergang zu integrierten oder biologischen Herstellungsmethoden – und für diese Produkte bezahlt der Schweizer Konsument gerne etwas mehr. Was einerseits den Totalabsturz der Erzeugerpreise verhindert, andererseits dem Handel stabilere Margen ermöglicht.
Dennoch: Über die ganze Breite des Sortiments ist tendenziell eher mit sinkenden Preisen und zunehmendem Margendruck zu rechnen, sodass Looslis Prognose eines mittelfristig stabilen Cashflows doch ziemlich waghalsig ist. Es sei denn, neue Produktsegmente und Vertriebskanäle sorgten für das nötige zusätzliche Volumen, um das Cashflow-Ziel von mehr als einer Milliarde zu erreichen. Und genau daran arbeitet Hansueli Loosli mit Hochdruck.
Unter dem alles überspannenden Dach der neuen Coop-Marke etabliert Loosli eine klare Markenhierarchie und eine Differenzierung der Vertriebskanäle. An der Spitze der Markenhierarchie stehen die so genannten Kompetenzmarken (Coop Naturaplan, Coop Naturaline, Coop Oecoplan, Cooperacion/ Max Havelaar), mit denen sich Coop als Leader im Markt für umwelt- und sozialverträgliche Produkte positioniert. Dieses ursprünglich hauptsächlich von Anton Felder geförderte Segment erzielte im vergangenen Jahr bereits einen Umsatz von 750 Millionen Franken – mit stark steigender Tendenz (erste fünf Monate 2001: plus 38 Prozent). Damit ist Coop nicht nur in der Schweiz der Leader: Gemessen am Bio-Anteil am Lebensmittelumsatz, gehört Coop in Europa zu den drei Grössten. Bei den Markenartikeln achtet Coop vor allem auf den Bekanntheitsgrad, das Qualitätsimage und die Innovationskraft; dieser Teil des Sortiments sorgt sozusagen für den Glamour in den Verkaufsregalen. Und die Coop-Eigenmarken, das «Brot- und Buttergeschäft» der Gruppe, spielen vor allem auf der Preisschiene, indem die gleiche Qualität wie bei den Markenprodukten, aber zu unschlagbarem Preis geboten werden soll.
Den Margendruck mildern sollen vor allem die zusätzlichen Verkaufskanäle – von den etablierten Coop-Bau-und-Hobby-Märkten über die umbenannte Coop-Mineralöl-Kette bis zu den neuen Ketten Coop Pronto und Coop Vitality. Mit Coop Pronto sind kleinflächige Convenience-Shops mit langen Öffnungszeiten für den eiligen Konsumenten gemeint. 140 davon sollen bis zum Jahr 2005 in Betrieb sein, die Hälfte davon integriert ins Coop-Tankstellennetz; ein tankstellenunabhängiger Shop ist bereits seit August 2000 in Montreux im Testbetrieb – mit gutem Erfolg.
Coop Vitality beruht auf der Zusammenarbeit zwischen der Pharma-Grosshandelsfirma Galenica und der Coop-Tochter Impo Import Parfümerien. Der Pilotbetrieb in St. Gallen ist seit November 2000 in Betrieb und verzeichnet täglich 500 Kunden, die sich dort mit Parfümerieartikeln, Baby-Care, Gesundheitsnahrung und Pharmaprodukten eindecken können, wobei die pharmazeutische Abteilung von selbstständigen Apothekern geführt wird. Mit der Vitality-Linie will Coop bis ins Jahr 2005 in 50 Filialen 250 bis 300 Millionen Franken umsetzen.
Mit der Coop Galerie du Vin will das Unternehmen seine bereits führende Stellung im Weinhandel weiter ausbauen: In 30 Filialen – Münchenstein bei Basel und Caroline in Lausanne sind bereits im Betrieb – wird nicht nur Wein, sondern auch fachkundige Beratung angeboten. Überdies funktioniert Galerie du Vin auch über das Internet.
Klare Markenführung, neue margenträchtige Vertriebskanäle, eine neu strukturierte Logistik, zentralisierte Warenbewirtschaftung (die Einrichtung der Hard- und Software wird rund 60 Millionen verschlingen), ein neues Ladendesign (ausgetestet in einem «Laborladen» in Winterthur) und dazu das neue Logo und die neue Arbeitskleidung für die Mitarbeiter werden das Gesicht der Coop-Gruppe in den nächsten Jahren drastisch verändern. Und so wird sie vermutlich den Weg «gemeinsam an die Spitze» tatsächlich finden. An welche Spitze, das wird uns Hansueli Loosli dann gewiss auch noch verraten.
In einem jedenfalls ist Coop in jüngerer Zeit unbestreitbar Spitze, zumindest im Vergleich zum Branchenprimus Migros. Denn die verzeichnet zwar immer noch und mit gehörigem Sicherheitsbstand den grössten Detailhandelsumsatz des Landes, entfaltet aber nicht eben das Bild eines dynamischen, flexiblen und zukunftsorientierten Unternehmens, wie Coop das heute tut. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht Coop-Mitteilungen verbeitet werden, die Umwälzungen in der Gruppe signalisieren: Anton Felder wird Verwaltungsratspräsident, Simeco-Chef Thomas Dähler geht «im gegenseitigen Einvernehmen», Coop Leben wird zur AG.
Dabei galt Coop bis vor wenigen Jahren als ein eher betuliches Unternehmen, das kaum zu raschen Entschlüssen und radikalen Änderungen neigte, während die Migros unentwegt als jenes Unternehmen galt, das den schweizerischen Detailhandel revolutioniert hat, auch wenn vom revolutionären Dutti-Geist nicht mehr allzu viel zu verspüren war. Die schon seit längerem dringend nötige Veränderung der Organisationsstrukturen ging auch bei der Coop eher schleppend voran: Ein halbes Jahrhundert benötigte das Unternehmen für die erste Phase des Umbaus – von 572 Genossenschaften mit 1900 Läden, knapp 550 000 Mitgliedshaushalten und einem Umsatz von 720 Millionen Franken im Jahre 1950 zu 14 Genossenschaften mit knapp 1000 Läden (aber fast dreimal so grosser Verkaufsfläche), zwei Millionen Mitgliedshaushalten und einem Gruppenumsatz von 13 Milliarden Franken im Jahre 2000.
In den letzten paar Jahren freilich hat der nur langsam erwachte Riese einen veritablen Adrenalinschub bekommen, symbolisiert durch den Dynamiker Hansueli Loosli. Als wir ihn damals zum «Mann des Monats» erklärten – gegen seinen ausdrücklichen Wunsch und dann doch irgendwie zu seiner insgeheimen Freude –, wurde gerade «der vorläufig letzte Schritt» der Redimensionierung von 15 auf 14 Genossenschaften vollzogen. Loosli führte aus, wie er die ganze Gruppe dynamisieren und dabei die noch verbleibenden 14 regionalen Genossenschaften einbeziehen wolle. Ein paar Wochen später war von 14 Genossenschaften schon gar nicht mehr die Rede.
Denn der grosse Sprung nach vorn war damals zwar schon in der Pipeline, definitiv beschlossen und kurz vor der Umsetzungsphase – aber darüber sprach Loosli nicht, bevor er ganz sicher war, dass wirklich alle Regionalfürsten mitmachen würden. Und dann gab Loosli bekannt, was beinahe einer Neugründung der Coop gleichkommt: Die 14 verbliebenen Genossenschaften werden zu einer einzigen fusioniert, deren mehr als zwei Millionen Mitglieder über sechs Regionalräte die Delegiertenversammlung und die Mehrheit des Verwaltungsrates wählen, der wiederum die Geschäftsleitung bestimmt.
Für diesen Plan, der unter dem Zeichen «Coop forte» segelt, erhielt Loosli den Auftrag im September 1998. Bis zum Herbst 1999 war er beschlussreif und wird seit nunmehr sechs Monaten umgesetzt. Die Umsetzungsphase begann am 1. Januar 2001 mit einem Paukenschlag, mit dem einschneidendsten Schritt des ganzen Plans, der finalen Fusion zu einer einzigen Genossenschaft. Bis zum Jahre 2004 soll die «neue Coop» ihre definitive Struktur erreicht haben, und dann sollen alle neuen Systeme funktionstüchtig sein.
Die Coop-Gruppe wird damit zum zentral geführten Detailhandelsunternehmen, wenn auch mit eingebauten Sicherungen: Um regionale Verankerung und Kundennähe sicherzustellen, werden fünf Verkaufsregionen geschaffen, deren Einteilung auch in der Logistik und in der Immobilienverwaltung gilt. Coop wird zur Dachmarke für alle Aktivitäten innerhalb der Gruppe, mit ganz wenigen Ausnahmen. Aus dem extrem föderalistisch aufgebauten, traditionell gewachsenen Gebilde wird ein schlagkräftiges, schnell reaktionsfähiges Unternehmen.
Der starke Mann und die treibende Kraft in diesem Gebilde ist fraglos Hansueli Loosli, auch wenn er gerne damit kokettiert, dass er einen Chef habe, der ihn genau kontrolliere, nämlich den hauptamtlichen Verwaltungsratspräsidenten Anton Felder und letzten Endes den ganzen, heute noch 23-köpfigen Verwaltungsrat (ab 2004 noch 11 Mitglieder).
Tatsächlich ist es eigentlich das Gespann Loosli-Felder, das in der Coop den Ton angibt: Loosli als der ungeduldige, dynamische Macher, Felder als eine Art Elder Statesman, der in seiner aktiven Geschäftsführungszeit in vielen Dingen den Boden für Loosli vorbereitet hat und ihm heute gegenüber den immer noch mächtigen Traditionalisten in der Gruppe den Rücken freihält.
Denn noch ist die neue Coop nicht vollständig in Aktion. «Organisatorisch», sagt Loosli, «haben wir ungefähr die Hälfte realisiert, in der Logistik sind wir in den ersten 20 Prozent, und in der Informatik stecken wir, was die Warenbewirtschaftung angeht, noch in der Vorbereitungsphase; das wird bis 2004 dauern.» Insgesamt aber ist Loosli guter Dinge: Die Gruppenstruktur steht, die Führungsstruktur läuft – zumindest beim harten Kern von rund 250 auf die neue Strategie eingeschworenen Kadern –, und der Umsatz in den ersten fünf Monaten dieses Jahres übertrifft mit plus vier Prozent sowohl den Branchendurchschnitt als auch die Erwartungen.
Der gewaltige Umbau ist nicht gratis. In der Rechnung 2000 schlägt er sich sogar in Gestalt eines Jahresverlustes nieder. Denn der Betriebsgewinn von 570 Millionen wird zu einem Gutteil von den durch den Umbau bedingten Rückstellungen (364 Millionen) und vom Ergebnis der Finanzrechnung (minus 171 Millionen) aufgefressen, und der Nachschlag von 200 Millionen Franken, den Coop der Basler Kantonalbank für zu spät entdeckte Verlustrisiken bei der ausgelagerten Coop Bank überweisen musste, färbte die Jahresrechnung 2000 definitiv rot ein.
Das ist aber für Hansueli Loosli kein Grund zur Beunruhigung. Die massiven Rückstellungen wurden auch für Ausgaben getätigt, die erst in den kommenden Jahren anfallen, dürften sich dann also segensreich auf die Rechnung auswirken. Und der Nachschlag in Sachen Coop Bank deckt das maximale Verlustrisiko; wie viel davon gebraucht wird, wird sich erst in den kommenden Monaten herausstellen – und dann könnte sogar die eine oder andere Million zurückfliessen.
Loosli geht davon aus, dass sich der ganze Umbau aus eigener Kraft finanzieren lässt. Die im Vergleich zur Migros dünnere Eigenkapitaldecke schreckt ihn dabei nicht. Erstens hält er sie nicht für zu klein – 29 Prozent der Bilanzsumme nach dem Verlustabschreiber 2000, auch wenn 35 Prozent angestrebt werden –, unter anderem weil allein in der Bewertung der Liegenschaften noch stille Reserven von gut und gerne zwei Milliarden Franken schlummern. Und zweitens gedenkt er den ganzen Umbau und die übrigen Investitionen aus den laufenden Erträgen zu finanzieren: «Wenn wir wie im letzten Jahr einen Cashflow von über einer Milliarde erzielen und davon 80 Prozent investieren, ist das überhaupt kein Problem.»
Doch genau das ist das Problem. Die Loosli-Formel von über acht Prozent Cash-flow-Marge zu realisieren, ist im Detailhandel keine einfache Sache. Schliesslich hat Hans-ueli Loosli selber in anderem Zusammenhang schon verkündet, die Detailhandelspreise in der Schweiz seien um 20 Prozent zu hoch, was ihm umgehend den Zorn der Bauern eintrug. Dabei meinte er nicht einmal in erster Linie die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft. Die sind zwar deutlich höher als in allen europäischen Nachbarländern, aber das hängt vor allem mit der topografischen Struktur des Landes zusammen, die wir ja nicht ändern können. Diese Struktur, so Loosli, könnte der schweizerischen Landwirtschaft sogar zum Vorteil gereichen. Die geringere Grösse der durchschnittlichen Produktionseinheit erleichtert den Übergang zu integrierten oder biologischen Herstellungsmethoden – und für diese Produkte bezahlt der Schweizer Konsument gerne etwas mehr. Was einerseits den Totalabsturz der Erzeugerpreise verhindert, andererseits dem Handel stabilere Margen ermöglicht.
Dennoch: Über die ganze Breite des Sortiments ist tendenziell eher mit sinkenden Preisen und zunehmendem Margendruck zu rechnen, sodass Looslis Prognose eines mittelfristig stabilen Cashflows doch ziemlich waghalsig ist. Es sei denn, neue Produktsegmente und Vertriebskanäle sorgten für das nötige zusätzliche Volumen, um das Cashflow-Ziel von mehr als einer Milliarde zu erreichen. Und genau daran arbeitet Hansueli Loosli mit Hochdruck.
Unter dem alles überspannenden Dach der neuen Coop-Marke etabliert Loosli eine klare Markenhierarchie und eine Differenzierung der Vertriebskanäle. An der Spitze der Markenhierarchie stehen die so genannten Kompetenzmarken (Coop Naturaplan, Coop Naturaline, Coop Oecoplan, Cooperacion/ Max Havelaar), mit denen sich Coop als Leader im Markt für umwelt- und sozialverträgliche Produkte positioniert. Dieses ursprünglich hauptsächlich von Anton Felder geförderte Segment erzielte im vergangenen Jahr bereits einen Umsatz von 750 Millionen Franken – mit stark steigender Tendenz (erste fünf Monate 2001: plus 38 Prozent). Damit ist Coop nicht nur in der Schweiz der Leader: Gemessen am Bio-Anteil am Lebensmittelumsatz, gehört Coop in Europa zu den drei Grössten. Bei den Markenartikeln achtet Coop vor allem auf den Bekanntheitsgrad, das Qualitätsimage und die Innovationskraft; dieser Teil des Sortiments sorgt sozusagen für den Glamour in den Verkaufsregalen. Und die Coop-Eigenmarken, das «Brot- und Buttergeschäft» der Gruppe, spielen vor allem auf der Preisschiene, indem die gleiche Qualität wie bei den Markenprodukten, aber zu unschlagbarem Preis geboten werden soll.
Den Margendruck mildern sollen vor allem die zusätzlichen Verkaufskanäle – von den etablierten Coop-Bau-und-Hobby-Märkten über die umbenannte Coop-Mineralöl-Kette bis zu den neuen Ketten Coop Pronto und Coop Vitality. Mit Coop Pronto sind kleinflächige Convenience-Shops mit langen Öffnungszeiten für den eiligen Konsumenten gemeint. 140 davon sollen bis zum Jahr 2005 in Betrieb sein, die Hälfte davon integriert ins Coop-Tankstellennetz; ein tankstellenunabhängiger Shop ist bereits seit August 2000 in Montreux im Testbetrieb – mit gutem Erfolg.
Coop Vitality beruht auf der Zusammenarbeit zwischen der Pharma-Grosshandelsfirma Galenica und der Coop-Tochter Impo Import Parfümerien. Der Pilotbetrieb in St. Gallen ist seit November 2000 in Betrieb und verzeichnet täglich 500 Kunden, die sich dort mit Parfümerieartikeln, Baby-Care, Gesundheitsnahrung und Pharmaprodukten eindecken können, wobei die pharmazeutische Abteilung von selbstständigen Apothekern geführt wird. Mit der Vitality-Linie will Coop bis ins Jahr 2005 in 50 Filialen 250 bis 300 Millionen Franken umsetzen.
Mit der Coop Galerie du Vin will das Unternehmen seine bereits führende Stellung im Weinhandel weiter ausbauen: In 30 Filialen – Münchenstein bei Basel und Caroline in Lausanne sind bereits im Betrieb – wird nicht nur Wein, sondern auch fachkundige Beratung angeboten. Überdies funktioniert Galerie du Vin auch über das Internet.
Klare Markenführung, neue margenträchtige Vertriebskanäle, eine neu strukturierte Logistik, zentralisierte Warenbewirtschaftung (die Einrichtung der Hard- und Software wird rund 60 Millionen verschlingen), ein neues Ladendesign (ausgetestet in einem «Laborladen» in Winterthur) und dazu das neue Logo und die neue Arbeitskleidung für die Mitarbeiter werden das Gesicht der Coop-Gruppe in den nächsten Jahren drastisch verändern. Und so wird sie vermutlich den Weg «gemeinsam an die Spitze» tatsächlich finden. An welche Spitze, das wird uns Hansueli Loosli dann gewiss auch noch verraten.
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