Für Experten ist die Stahlton AG seit Jahrzehnten ein Begriff. Mit dem Namen verbinden sich Bilder von modernsten Brücken, deren Stahlton-Kabel tonnenschwere Lasten tragen. Doch den Wenigsten ist bekannt, dass hinter der Bautechnikfirma eine Frau steht: Cornelia Bodmer-Rosÿ, Tochter des Mitgründers Mirko Rosÿ.

Mit ihm, dem Ingenieur und Miterfinder des auf der ganzen Welt angewendeten BBR-Vorspann-Systems, war sie oft auf Baustellen unterwegs. Cornelia Bodmer-Rosÿ sieht es heute als Privileg, dass sie durch die zahlreichen Auslandreisen und Kontakte mit Freunden aus vielen Ländern in einer weltoffenen Atmosphäre aufwachsen durfte.

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Als ihr Vater 1968 sehr früh starb und sein Ingenieurbüro von Mitarbeitern weitergeführt wurde, fiel die Wahl auf die erst 21-jährige Cornelia, um die Interessen der Familie als Mitglied des Verwaltungsrates zu vertreten. Als vier Jahre später alle Welt von dem gigantischen weissen Dach sprach, das 1972 die Tribünen des Münchner Olympiastadions medienwirksam überspannte und modernste Stahlton-Technologie in sich trug, war Cornelia Bodmer gerade 25 Jahre alt.

Mehr als 20 Jahre später wurde sie 1995 von Stahlton, die sich gerade von ihrem Delegierten getrennt hatte, zur VR-Präsidentin und Vorsitzenden der Geschäftsleitung gewählt. Bei der unausweichlichen Frage, ob sie sich als Frau gerade in dieser Branche speziell durchsetzen musste, denkt sie kurz nach: «Ich habe immer das Gefühl gehabt, übrigens auch bei meiner politischen Tätigkeit, dass ich keine Statements von mir geben darf, die nicht. Ich glaube, dass da ein Mann schon mal lockerer dran geht.»

Dass bei ihrem Eintritt in die Stahlton AG möglicherweise Skepsis vorhanden war, könne sie sich vorstellen. Doch offenbar ist es ihr bald gelungen, ihr wichtigstes Ziel glaubwürdig zu kommunizieren, nämlich das Unternehmen fit zu machen, damit es sich den Herausforderungen der 90er Jahre stellen konnte.

Kampf der Übersättigung

Die Wettbewerbssituation hatte sich zugespitzt, weil bei einigen Patenten die Zulassung abgelaufen war und Nachahmer freien Zugang hatten. Infolge der bestehenden Überkapazitäten, die zum Teil von einem rückläufigen Markt hervorgerufen wurden, geriet die ganze Bauwirtschaft unter einen noch heute andauernden Druck. Die Folge war ein anhaltender Preiskampf.

Diese schwierige Situation hat ihr klar gemacht: «Wichtig ist die ständige Bereitschaft, sich den veränderten Bedingungen anzupassen unter Berücksichtigung einer langfristigen Perspektive.» Die Konsequenz: «Wir investieren jedes Jahr hohe Summen in die Zukunft der Firma, in neue Technologien und Produkte. Da spüren die Mitarbeiter, dass wirklich ein unternehmerischer Geist herrscht und nicht die kurzsichtige Gewinnmaximierung das vorrangige Ziel ist.»

Stahlton ist im Bereich Vorspanntechnik Marktleader in der Schweiz, und das System BBR gehört nach wie vor zu den führenden Vorspannsystemen auf der ganzen Welt. Inzwischen tummeln sich einige Mitbewerber auf dem Markt, und letztlich läuft alles vorwiegend über den Preis das ist die Realität. Im Bereich Bauteile liegt der Schwerpunkt der Innovation bei Glasfaserbeton, da hat Stahlton in der Technologie europaweit die Nase vorn. «Wenn man nicht etwas Anderes, Überzeugenderes bieten kann als die Konkurrenz, hat man mittelfristig keine Zukunft. Wenn es Stahlton nicht mehr gäbe und alle fänden, «schade, aber es geht trotzdem weiter», muss man sich ernsthaft Gedanken machen. Unsere Herausforderung liegt darin, in einem völlig gesättigten und zum Teil rückläufigen Markt mit innovativen Ideen und Produkten zu bestehen. Wir verstehen uns als Problemlöser und müssen daher schneller sein als unsere Mitbewerber. Leistung und Preis müssen stimmen.»

Führen braucht Diziplin

Ihren Führungsstil sieht Cornelia Bodmer darin, konsequent die gesteckten Ziele zu verfolgen und den Fokus auf den langfristigen Erfolg zu legen. Dazu braucht es innovative und motivierte Mitarbeiter. Eigenverantwortung wird deshalb gross geschrieben. Daher haben Mitarbeiter relativ viel eigene Gestaltungsmöglichkeiten. Es bedeutet ihr viel, dass die Unternehmenskultur stimmt. Das heisst, dass bedeutende Veränderungen und Entscheidungen, besonders auch in schwierigen Situationen, persönlich kommuniziert werden, um Glaubwürdigkeit vorzuleben.

Führen heisst für Cornelia Bodmer Disziplin haben, wenn nötig auch mit der erforderlichen Strenge. Wer von den Mitarbeitern Höchstleistungen verlangt, muss auch seine soziale Verantwortung wahrnehmen, betont sie, damit sich die Menschen mit Stahlton identifizieren, egal ob sie die Firma auf einer Baustelle oder bei Verhandlungen mit Kunden oder Vertretern von Behörden und Unternehmen präsentieren.

Ihr zusätzliches Amt als Vizepräsidentin des Gemeinderates und als Bauvorstand in Zollikon ZH empfindet sie als sehr inspirierend, weil sie sich in einem Kollegium bewegen muss. Doch achte sie streng darauf, dass es beruflich keine Berührungspunkte gibt, damit Interessenskonflikte vollkommen ausgeschlossen werden, betont sie.

Wenn sie nach einem langen Arbeitstag oft spät nach Hause kommt, findet sie noch eine Aktenmappe vor, die ein Gemeindeweibel täglich dort abliefert. Egal wie, aber die Dokumente müssen noch bis sechs, sieben Uhr morgens gelesen und unterschrieben werden. Der Weibel kommt sie dann wieder holen.



Cornelia Bodmer-Rosÿ' Führungsprinzipien

1. Heute ist es besonders wichtig, eine langfristige Perspektive zu vermitteln.

2. Jede Kultur, auch die Unternehmenskultur, muss nicht nur formuliert, sondern auch vorgelebt werden.

3. Wir geben nicht mehr Geld aus, als wir verdienen.

4. Durch Fehler lernen: Lieber ein falscher Entscheid als gar keiner.



Zur Person

Cornelia Bodmer-Rosÿ ist 1947 geboren und hat an den Universitäten Zürich und Basel Nationalökonomie studiert. Sie wohnt mit ihrem Mann in Zollikon und hat zwei erwachsene Kinder. Bodmer-Rosÿ steht seit 1995 als Präsidentin des Verwaltungsrats an der Spitze der Stahlton AG. Gegründet wurde das Unternehmen 1945 von den Bauingenieuren Max Birkenmaier, Antonio Brandestini und Mirko Robin-Rosÿ (Kurzform BBR) zur Entwicklung und Vorfabrikation der so genannten Stahltonbretter für Decken und Stürze. Grossvater Mirko G. Rosÿ war Direktionspräsident der Empa und Professor an der ETH Zürich.



Die Familien-AG: Globales Geschäft mit der Spannung

Stahlton ist ein privates Unternehmen, dessen Aktienmehrheit sich im Besitz der Gründungsfamilien Brandestini und Rosÿ befindet.

Aus der Schweizer Firma Stahlton sind einige Jahre nach der Gründung zwei Gesellschaften hervorgegangen: Die BBR Holding und die Stahlton AG.

Die BBR Holding, an der Stahlton beteiligt ist, hat in verschiedenen Ländern Tochtergesellschaften, so in Kanada, Singapur, Malaysia, Indien, Thailand, Neuseeland, Kroatien und Polen. Zur Stahlton AG gehören neben dem Zürcher Hauptsitz drei Werke in Frick sowie drei Filialen in St. Gallen, im Waadtland und im Tessin. Insgesamt werden rund 400 Mitarbeiter beschäftigt.

Zu den Vorzeigeprojekten mit Elementen der Stahlton AG gehören die 1998 eröffnete Sunnibergbrücke bei Klosters, die Rheinbrücke in Schaffhausen, die Brücke über die Aare bei Arch und die Rhone-Brücke im Westschweizer Chandolin.

Auch im Ausland, zum Beispiel in Argentinien, vor allem aber in Europa, finden sich Brücken mit Vorspannkabeln der Stahlton AG: in Finnland, Bosnien, Slowenien und als neues staatliches polnisches Prestigeobjekt die Swietokrzyski-Brücke in der polnischen Hauptstadt Warschau. (win)