Nach dem Swissair-Grounding stellt heute kaum jemand mehr in der Schweizer Wirtschaft den Nutzen von Corporate Governance in Frage. Zunehmend gewinnt das Thema auch bei Non-Profit-Organisationen (NPO) an Bedeutung. Denn sie müssen sich ebenfalls vor Skandalen – beispielsweise jenem um Paraplegikerarzt Guido Zäch – schützen.
Mit dem Swiss NPO-Code haben die zur Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten grosser Hilfswerke (KPGH) zusammengeschlossenen Hilfsorganisationen nun ein Corporate-Governance-Papier geschaffen. Das 31-seitige Regelwerk ergänzt die beiden schon länger bestehenden Labels für den NPO-Bereich; nämlich das Zewo-Gütesiegel und das NPO-Label für Management Excellence des Verbandsmanagementinstituts (VMI) der Universität Freiburg.
Klare Gewaltentrennung
Der Swiss NPO-Code macht Empfehlungen zu den Aufgaben, zur Organisation und Arbeitsweise sowie zur Zusammenstellung, Rechnungslegung und Kommunikation von Trägerschaften. Im Besonderen wird darin die Gewaltentrennung zwischen strategischer und operativer Führung festgeschrieben. Zudem werden fachliche Minimalanforderungen an die Mitglieder des obersten Leitungsorgans gestellt. Ebenfalls fordert der Code auf dieser Führungsebene eine «angemessene Weiterentwicklung der Führungs- und Fachkompetenz» der Mitglieder. Auch wird ein adäquates Risikomanagement und internes Kontrollsystem nahe gelegt.
Klare Angaben macht das Papier schliesslich auch über die Rechnungslegung (Swiss GAAP FER), die Art und Offenlegung von Entschädigungen sowie über die Ausgestaltung des Jahresberichtes.
Anfang Jahr haben 18 Organisationen verbindlich erklärt, sich dem neu geschaffenen Swiss NPO-Code zu unterstellen und ihn in einer zweijährigen Übergangsfrist umzusetzen; darunter auch Heks, das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz. «Als grosses Hilfswerk steht Heks im Schaufenster; Verbesserungen und Kontrolle müssen entsprechend auf allen Stufen – auch auf der strategischen – nachgewiesen werden», sagt Zentralsekretär Franz Schüle. Er erhofft sich eine stärkere Transparenz bei den internen Entscheidungsabläufen.
Auch WWF Schweiz will den Code umsetzen, sobald die definitiven Kriterien für eine Zertifizierung ausgearbeitet sind. «In der Öffentlichkeit wird Corporate Governance immer wichtiger. Deshalb wollen auch wir unser Engagement bei diesem Thema dokumentieren», so Hans-Peter Fricker, Geschäftsleiter des WWF Schweiz. Der Code sei eine sinnvolle Ergänzung zum Zewo-Zertifikat.
Kritische Töne
Doch es gibt auch kritische Töne. «Der Swiss NPO-Code ist sicher eine gute Sache. Allerdings sehe ich nicht ein, weshalb es dieses Projekt neben den bereits existierenden Labels noch brauchte», fragt etwa Professor Robert Purtschert, Direktor des VMI. Zudem bemängelt er, dass das Label eine Selbstdeklaration ist und nicht über ein Audit vergeben wird.
Zwar wird die Einhaltung der Richtlinien durch die Stiftung Zewo, der schweizerischen Zertifizierungsstelle für gemeinnützige, Spenden sammelnde Organisationen, geprüft. «Grundsätzlich», so Geschäftsleiterin Martina Ziegerer, «soll die periodische Überprüfung möglichst ähnlich ablaufen wie der Zertifizierungsprozess der Zewo.» Allerdings gibt sie zu, dass der Spielraum grösser sei als bei verbindlichen Vorgaben.
Nicht alle grossen Hilfswerke machen deshalb mit. So will Pro Senectute Schweiz laut Direktor Werner Schärer vor einer Zertifizierung offene Fragen bezüglich der Zusammenarbeit mit Zewo und dem Prüfungsprozedere
klären. Und die Schweizerische Rettungsflugwacht (Rega) hat endgültig beschlossen, sich nicht dem Code zu unterstellen. «Wir werden den Swiss NPO-Code nur berücksichtigen, soweit er sich mit den Vorgaben der Zewo-Zertifizierung deckt. Denn die Rega ist bereits der guten Geschäftsführung verpflichtet», sagt der Vorsitzende der Geschäftsleitung, Ernst Kohler. Man sehe keinen Nutzen in einer zusätzlichen und aufwendigen Regulierungsadministration.