Die diversen Skandale und Skandälchen der letzten Jahre in den Topetagen schweizerischer Unternehmen haben das Vertrauen einer breiten Öffentlichkeit in die Wirtschaftselite des Landes erschüttert. Der Untersuchungsbericht über den Todeskampf der nationalen Airline Swissair brachte haarsträubende Erkenntnisse ans Licht der Öffentlichkeit. Wie da ein vom Handlungszwang getriebenes Management eine halsbrecherische Strategie in Szene setzte und wie der aus der Crème de la Crème der Schweizer Wirtschaft zusammengesetzte Verwaltungsrat diese zunächst mitinszenierte und nachher ohne Gesichtsverlust nicht mehr stoppen konnte – das war schon ein Lehrstück über die Funktionsweise des helvetischen Filzes.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Wie sich Exponenten der ABB nach mehreren Strategiewechseln ihre Abgänge vergolden liessen (was der Verwaltungsrat nicht einmal bemerkte), nachdem Tausende von Arbeitsplätzen auf der Strecke geblieben waren und das Unternehmen in Liquiditätsprobleme geraten war, das warf die Frage auf, in wessen Interesse Topmanagement und Aufsichtsorgane eigentlich tätig sind.

Wie grosse Versicherungskonzerne, die Milliarden Franken an Pensionskassengeldern verwalten, sich bei der ersten etwas länger anhaltenden Börsenbaisse ausser Stande erklärten, ihren Verpflichtungen nachzukommen, während die Führungscrew eines Konzerns noch eine Firma in der Firma gegründet hatte, um ihre eigene Vermögensbildung effizienter voranzutreiben, das brachte die Menschen in Rage, die um ihre Altersvorsorge fürchteten.

Hinzu kamen Nachrichten aus etlichen Firmen, in denen Topmanagement und Verwaltungsrat trotz schlechtem Geschäftsgang reichliche Saläre und – noch stossender – üppige Boni bezogen.

Da konnte es nicht ausbleiben, dass die Empörung medial noch verstärkt und mit griffigen Labels versehen wurde: Da wurde der Verwaltungsrat zum «Versagerrat», die einstmals gefeierten Ikonen des Restructuring und des Shareholder-Value zu «Abzockern», die früheren Sinnbilder helvetischer Solidität, die Versicherungen, zu «Rentenklauern». Das Misstrauen wurde noch grösser und wirkt nun auch gegenüber denjenigen, die solches gar nicht verdienen.

Wie gross das Misstrauen ist, zeigt auch eine Zusatzfrage zum Verwaltungsratsranking. Da wurden die Befragten, immerhin von Berufs wegen genaue Beobachter der Szene, um ihr Urteil gebeten, wie gross denn ihr Vertrauen in die Verwaltungsräte von Schweizer Unternehmen sei. Das Ergebnis ist ernüchternd (siehe Grafik «Das Vertrauen ist weg» links). 41 Prozent veranschlagen ihr Vertrauen als eher unterentwickelt (Noten 1 für sehr klein bis 3 für schwach), und nur 12 Prozent schätzen es als sehr gross oder gross ein.

In einem gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Umfeld, das von Misstrauen ins Führungspersonal geprägt ist, lassen sich keine Geschäfte machen. Die Wiederherstellung des Vertrauens in «die Wirtschaft» gehört deshalb zu den wichtigsten Aufgaben der Eliten. Und wie liesse sich das besser herbeiführen als durch angemessenes Verhalten der Wirtschaftsexponenten. Nur: Was ist angemessenes Verhalten? Welche ethischen Richtlinien gelten? Wie soll angemessenes Verhalten im Überlebenskampf am Markt sichergestellt werden? Wie sind die betriebsinternen Abläufe zu organisieren, und wie ist die Aufsicht auszuüben, dass die Regeln des Wohlverhaltens auch eingehalten werden?

Das betriebswirtschaftliche Stichwort dazu ist «Corporate Governance», ein Begriff, in dem alle oben genannten Fragen irgendwie enthalten sind und dazu das Gebot der Überprüfbarkeit. Zur Corporate Governance gehört also die Formulierung von Verhaltensprinzipien ebenso wie der Aufbau organisatorischer Rahmenbedingungen mit einem ganzen System von «checks and balances», gehört die Transparenz dieser Struktur nach innen ebenso wie die Kommunikation nach aussen.

Corporate Governance steht also einerseits für das, was man früher Unternehmenskultur nannte, andererseits aber auch für deren organisatorische Umsetzung, ist also so etwas wie die Verfassung des Unternehmens. Sie kann mit mehr oder weniger Details festgeschrieben sein. Sie kann von aussen vorgeschrieben oder intern formuliert werden. Wichtig ist einzig, dass sie gelebt wird.

Das ist auch die Meinung von Novartis-Chef Daniel Vasella, in diesem Jahr zum dritten Mal als bester Verwaltungsrat gewählt: «Best Practices in Corporate Governance müssen vorgelebt werden. Gesetze können dies nicht sicherstellen.» Damit verwahrt er sich schon einmal gegen den Versuch, aus den Skandalen der letzten Jahre nun den Anspruch abzuleiten, da müsse der Gesetzgeber für Abhilfe sorgen. Dass von daher Gefahr droht, meint auch UBS-Präsident Marcel Ospel, die Nummer zwei unter den besten Verwaltungsräten, auf die Frage, woher der Druck komme: «Ganz klar von der Politik und den Regulatoren. Diese reagieren auf Druck aus der Öffentlichkeit.» Und wie ist diesem Druck zu begegnen? Ospel: «Selbstregulierung ist wenn immer möglich vorzuziehen, denn ein funktionierender Markt deckt Missbräuche rasch auf.»

Dass Daniel Vasella zum besten Verwaltungsrat gewählt wurde und der Novartis-VR zum besten Gremium in Schweizer Firmen, ist kein Zufall. In der Umsetzung von Corporate-Governance-Grundsätzen ist der Basler Pharmakonzern in der Schweiz wohl am weitesten fortgeschritten. «Wer sich die Mühe nimmt, die Ausführungen zur Corporate Governance im Geschäftsbericht von Novartis zu lesen, ist beeindruckt», lobte die NZZ den jüngsten Geschäftsbericht des Unternehmens. Und in der Tat: Auf der Ebene des Verwaltungsrats sind etliche Grundsätze guter Corporate Governance umgesetzt. Mit Ausnahme von Daniel Vasella selber ist keiner der Verwaltungsräte operativ im Unternehmen tätig. Keiner sitzt im Verwaltungsrat einer anderen börsenkotierten Firma, mit der Novartis in geschäftlicher Beziehung steht. Der Verwaltungsrat verfügt über einen erfahrenen, unabhängigen Lead Director (quasi als Gegengewicht zu Vasellas Doppelfunktion als Präsident und CEO). Die Verwaltungsräte sind erfahrene, kompetente und glaubwürdige Persönlichkeiten, die aus verschiedenen Ländern stammen. Die Transparenz, was Managersaläre und Tantiemen angeht, ist im Vergleich zu anderen Unternehmen beispielhaft. Daniel Vasella hat sich einigen Unmut eingehandelt, als er sein eigenes Salär kurzerhand öffentlich machte.

Was die Befragten im Verwaltungsrats-Ranking zu den wichtigsten Herausforderungen der Zukunft rechnen
ist zumindest bei den Spitzenreitern dieser Rangliste schon zu einem guten Teil verwirklicht. Bei jenen Unternehmen, die im Ranking besonders schlecht abgeschnitten haben, ist es darum weniger gut bestellt. Und entsprechend betrüblich werden von den Befragten denn auch die Zukunftsaussichten dieser Unternehmen bewertet (siehe Grafik «No Future?» unten). Ihnen wird es schwerer fallen, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.

Gerd Löhrer
Redaktor BILANZ,
gerd.löhrer@bilanz.ch