Für Zürcher Fleischliebhaber war die zweite Aprilwoche eine nahrhafte Zeit: «CHF 47.– statt CHF 94.– für saftiges Rindsfilet auf dem heissen Stein für zwei im Restaurant Pöstli», wurde am 7. April offeriert. Das klang nach einem guten Deal. «CHF 150.– statt CHF 300.– für brasilianische Grillspezialitäten à discrétion im Restaurant Brasil-Grill», drei Tage später. Das klang auch nach einem guten Deal. «CHF 47.90 statt CHF 97.–: Zweimal feinstes irisches Angus-Beef-Entrecôte (je 250 g) vom heissen Stein im Restaurant Coretto», nochmal drei Tage später. Das klang wiederum nach einem guten Deal.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Mit solch austauschbaren Rabattangeboten buhlen die Couponfirmen DailyDeal, DeinDeal und Groupon derzeit um Schweizer Karnivoren. Und nicht nur um die. Egal ob es um Wellnessmassagen geht oder um Lamborghini-Spritztouren, um Massanzüge oder um Fahrschullektionen: Der Kampf um die Schnäppchenjäger tobt, das Rabattfieber hat die Schweiz erfasst. Mindestens 50 Prozent betragen die Nachlässe für Grillfleisch und Co., die jeden Tag via Websites, E-Mails und Facebook den Konsumenten in Schweizer Städten angetragen werden. Von einer «Win-win-win-Situation» spricht Markus Pichler (26), Geschäftsführer von DailyDeal Schweiz: Die Konsumenten profitieren von saftigen Rabatten in ihrer Umgebung, die Firmen gewinnen auf diese Weise neue Kunden, und die Couponfirmen garnieren für ihre Vermittlertätigkeit obszöne Margen. Zwischen mindestens 30 (DailyDeal) und 50 Prozent (Groupon) des Verkaufspreises streichen sie ein. Zustande kommt der Deal nur, wenn eine Mindestzahl an Kunden kauft, was heute fast immer der Fall ist. Das Geschäft blüht: Alle drei in der Schweiz aktiven Couponvermittler melden zweistellige Wachstumsraten – monatlich!

Losgetreten hatte den Boom im November 2008 der damals 28-jährige Andrew Mason, als er in Chicago den Rabattdienst Groupon (ein Zusammenzug aus «Group» und «Coupon») gründete. Mit nie da gewesenem Erfolg: Letztes Jahr – dem zweiten seiner Existenz – meldete Groupon einen Umsatz von 760 Millionen Dollar, heuer sollen es laut «BusinessWeek» drei bis vier Milliarden werden. «Meet the Fastest Growing Company Ever», titelte «Forbes» letzten Herbst. Inzwischen hat Groupon über 50 Millionen Nutzer und ist in 45 Ländern aktiv, auch hierzulande: «90 Prozent des Konsums werden europaweit innerhalb von drei Kilometern um den Wohnsitz getätigt», erklärt Daniel Glasner (34), von Berlin aus für die europäischen Märkte zuständig. Auch in der Schweiz erwartet er für Couponsysteme deshalb «über kurz oder lang mehrere Millionen Nutzer».

Wenig Risiko, viel Profit. Branchenexperten sehen das hiesige Marktvolumen Ende 2011 bei 80 Millionen Franken und weiterhin massiv wachsend. Selbst Rabattgutscheine für Augenlasern oder Kampfjetfliegen in Norwegen werden heute auf Groupon und Co. verschachert. Die meisten Angebote stammen aus dem Dienstleistungssektor. Bei Waren sind die Händlerstrukturen besser etabliert und die Margen zu klein, als dass die geforderten 50 Prozent Rabatt oder mehr gegeben werden könnten.

Für die Couponfirmen haben die Rabattdeals nur Vorteile: Sie tragen kein Risiko, müssen kein Lager bewirtschaften und haben mit der Schnäppchenvermittlung wenig Aufwand – eine Verkaufsmannschaft, ein Backoffice und ein E-Mail-Server reichen. Kein Wunder, sind in kürzester Zeit zahlreiche Nachahmer von Groupon aufgetaucht, im Branchenslang «Groupies» genannt: In Deutschland waren oder sind fast zwei Dutzend Couponfirmen aktiv, in Japan 150, in den USA ebenfalls, und in China, dem Mutterland des Ideenklaus, sollen es je nach Quelle sogar 2500 bis 5000 Nachahmer sein.

Der Erste in der Schweiz war Amir Suissa (39), in der hiesigen Internetszene ein alter Bekannter: Er hatte vorher unter anderem Swissinvest.com und den 1st Tuesday Club mitgegründet. Vor rund einem Jahr startete er in Zürich DeinDeal – obwohl ihm damals Skepsis entgegenschlug. Die Schweizer Kunden schämten sich, Coupons zu kaufen, und den Schweizer Unternehmen gehe es zu gut, als dass sie es nötig hätten, so die gängige Meinung. Eine Fehleinschätzung: Nach einem Jahr generiert DeinDeal laut eigenen Angaben einen siebenstelligen Umsatz pro Monat und ist damit klarer Marktführer, vor Groupon und DailyDeal.

Der Markt sei unfassbar gross, die Marketingbücher müssten umgeschrieben werden, sagen die Anbieter: Sie brächten die von der Internetrevolution bislang vergessenen Kleingewerbler ins Netz und schleiften die letzte Bastion der Zeitungsverlage, die der lokalen Annoncen. Es habe sich eine zweite Internetblase gebildet, die jener der New Economy in nichts nachstehe, sagen Skeptiker. So refüsierte Groupon im Dezember ein Übernahmeangebot von Google über sechs Milliarden Dollar und dürfte stattdessen bald an die Börse gehen. Auf absurde 25 Milliarden Dollar wird die Bewertung derzeit geschätzt – das ist das 32fache des letztjährigen Umsatzes. Nicht des Gewinns, wohlgemerkt, denn überprüfbare Profitzahlen legt weder Groupon noch ein anderer Anbieter vor. Und mit gesundem Menschenverstand tauchen Fragezeichen auf, wenn ein Start-up in nur sechs Monaten von null auf sechshundert Mitarbeiter wächst – wie bei CityDeal in Berlin geschehen, die kurze Zeit später von Groupon für einen dreistelligen Millionenbetrag übernommen wurde und nun deren Europageschäft darstellt.

Noch immer drängen ständig neue Klone in den Markt. In den USA, teilweise auch in Deutschland gibt es bereits Nischenanbieter: Couponfirmen für Tiernahrung und glutenfreie Lebensmittel, für Juden und für Schwule. Und nach der Abweisung durch Groupon hat Google ihr eigenes Programm lanciert: «Stellen Sie sich Google Offers wie folgt vor: Sie gehen in ein Geschäft mit Ihrem Android-Handy, sehen dort ein Angebot und, zack, haben auf dem Handy dafür einen Rabattgutschein, der nur für Sie ist!», so Google-Präsident Eric Schmidt gegenüber BILANZ. Ein Schweizer Startdatum ist noch nicht bekannt. Gleiches gilt für Facebook Deals, das Konkurrenzangebot von Mark Zuckerberg. Ob die beiden Internetgiganten damit den Markt noch aufrollen können, ist fraglich. Zwar bieten sie von Anfang an eine massive Reichweite, die sich Groupon und Co. erst teuer aufbauen müssen. «Aber um im Couponmarkt Erfolg zu haben, braucht es extrem gutes lokales Know-how und eine starke Verkaufsmannschaft», sagt Suissa. Beides fehlt Google und Facebook. Stattdessen setzen sie auf ein Selbstbedienungsmodell – Ausgang ungewiss.

Per Coupon in die Pleite. Kein Zweifel, der Kampf wird härter. Bereits jetzt ist das Geschäftsmodell «eine Personal-, Material- und Geldschlacht», sagt ein Investor, der selber an zwei Couponfirmen beteiligt war beziehungsweise noch ist. «Die Couponfirmen machen alles, um Deals und Marktanteile zu bekommen, selbst Verlustgeschäfte.» So häufen sich in letzter Zeit die Rabatte auf die Rabatte («10 Prozent auf alles!») – oft getarnt als Osterdeal, Geburtstagsangebot oder Ähnliches. Besonders Groupon steht in der Kritik, mit Hardselling im Hinblick auf den erwarteten Börsengang noch möglichst viel Umsatz bolzen zu wollen. Anfang März verkaufte die Zürcher Masseurin Sonia Hegnauer via Groupon nicht weniger als 767 Gutscheine für eine klassische Massage über 90 Minuten zum Preis von 40 statt 150 Franken. Die Rechnung ist schnell gemacht: Ihr Ein-Frau-Betrieb wäre damit für die nächsten sechs Monate ausgelastet gewesen – bei Erträgen von 15 340 Franken. Dass diese Kalkulation nicht aufgehen kann, merkte nach dem zwanzigsten Kunden auch Hegnauer und verweigert seither die Einlösung der Coupons. «Wir sind nicht erfreut, wie der Deal gelaufen ist», sagt Groupon-Chef Glasner dazu und verweist darauf, dass die Kleinunternehmerin trotz mehrfacher Warnung die Anzahl der Rabattgutscheine nicht limitieren wollte. Die Couponkäufer erhalten nun ihr Geld zurück und eine zusätzliche Gutschrift von 12 Franken. Kein Einzelfall: Im Januar berichtete das Konsumentenmagazin «K-Tipp» von einem Masseur, der nach der Invasion der Billigkunden seinen Salon sogar aufgeben musste. In deutschen Medien wimmelt es von ähnlichen Beispielen. Glasner weist den Vorwurf des Hardsellings natürlich zurück: «Wir wachsen enorm schnell, weil Produkte und Leistung sehr stark nachgefragt werden. Es bedarf keiner aggressiven Verkäufe.»

Noch offen ist, wie lange die Kleinfirmen das teure Rabattspiel mitmachen. «Es gibt Partner, die bewusst den einen oder anderen Franken pro Deal drauflegen, weil es für sie die beste Alternative zur klassischen Werbung ist», sagt Glasner. Doch die Rechnung geht meist nur auf, wenn die Schnäppchenjäger tatsächlich zu Stammkunden werden, die später den vollen Preis zahlen. Laut Amir Suissa sei das international und in der Schweiz bei zwei Dritteln der Couponkunden der Fall – ein fragwürdig hoher Wert. Julia Carlos, die für ihr Asia-Restaurant Anthony’s Kitchen in Zürich mit allen drei Couponfirmen zusammenarbeitet und mit den Ergebnissen zufrieden ist, spricht denn auch «von eher 20 Prozent» Neukunden. Doch auch wenn die Firmen tatsächlich neue Klienten gewinnen – je mehr Lockvogelangebote es gibt, desto schneller jagt man sie sich gegenseitig auch wieder ab.

Bereits jetzt wird, wer sich auf den Rabattportalen einschreibt, mit rund einem Dutzend Angeboten pro Tag bombardiert. Immer lauter buhlen die Anbieter um Aufmerksamkeit. DailyDeal etwa schaltet in der Schweiz Fernsehwerbung, Groupon soll europaweit der grösste Anzeigenkunde bei Google sein. Branchenweit steigen die Marketingkosten. Ebenso die Ausgaben für Verkaufsmannschaft und Backoffice: Denn so einfach es ist, in den Markt einzutreten, so teuer ist es, das personalintensive Geschäftsmodell zu skalieren. Gleichzeitig bröckelt eine wichtige Einnahmequelle: die rund 20 Prozent nicht eingelösten Gutscheine, die bislang ausschliesslich der Couponfirma zugutekamen. Nun wollen die Partner einen Teil dieser Erträge – DailyDeal gewährt sie bereits, die anderen werden nachziehen müssen.

Klar ist: In den nächsten 18 Monaten wird es zu einer Konsolidierungswelle kommen, kleinere oder unprofitable Anbieter werden verschwinden. «Die Grenzen des Wachstums sind in Europa schon längst erreicht. Das wird alles massiv überschätzt», warnt ein Investor. Derweil rüsten die Couponfirmen weiter auf. Amir Suissa von DeinDeal will demnächst Schweizer Luxusuhren anbieten, importiert via Graumarkt. Selbst einen Autoverkauf plant er. «Das wird völlig neue Märkte eröffnen», ist sich Suissa sicher.
Man könnte auch sagen: Er will tanzen, solange die Musik so schön spielt.

 

DeinDealwww.deindeal.ch

  • In der Schweiz aktiv seit: März 2010 
  • Derzeit aktiv in: Zürich, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur, Genf, Lausanne
  • Anzahl Mitarbeiter: 60 
  • Reichweite (Anzahl Personen): 1 000 000*
  • Anzahl Deals pro Monat: 300–400*
  • Verkaufte Gutscheine pro Tag: 1000–2000

 

  • In der Schweiz aktiv seit: April 2010
  • Derzeit aktiv in: Zürich, Basel, Bern
  • Anzahl Mitarbeiter: 35
  • Reichweite (Anzahl Personen): 600 000*
  • Anzahl Deals pro Monat: 300–400*
  • Verkaufte Gutscheine pro Tag: 500–1000* 

 

DailyDeal: www.dailydeal.ch

  • In der Schweiz aktiv seit: Oktober 2010
  • Derzeit aktiv in: Zürich
  • Anzahl Mitarbeiter: 15
  • Reichweite (Anzahl Personen): 250 000*
  • Anzahl Deals pro Monat: <100*
  • Verkaufte Gutscheine pro Tag: 100–200* 

*eigene Angaben