Als die Royal Bank of Scotland (RBS) im Jahr 2000 den britischen Konkurrenten NatWest übernahm, bedeutete dies für die Schotten zugleich den Sprung ins weltweite Private Banking. Denn im Besitz der NatWest befand sich die englische Privatbank Coutts, gegründet 1692, deren historische Kundenliste Prominente wie die Schriftsteller Charles Dickens («Oliver Twist») und Bram Stoker («Dracula») oder Afrikaforscher David Livingstone umfasst. Heute betreut Coutts rund 70 000 Superreiche in 38 Ländern, darunter Queen Elizabeth II.
Es war abzusehen, dass der Expansionsdrang der Royal Bank of Scotland über kurz oder lang auch im Private Banking weiteren Niederschlag finden würde. Dass sich die Schotten dabei die Hochburg Schweiz vornehmen würden, lag ebenfalls auf der Hand.
Ende 2003 kaufte die RBS von der deutschen HypoVereinsbank die Schweizer Privatbank Bank von Ernst. Aufnehmende Gesellschaft ist die RBS-Tochter Coutts. Mit der Bank von Ernst, die mit rund 350 Mitarbeitern Kundengelder von insgesamt 13 Milliarden Franken verwaltet, können die Schotten künftig ein relativ breites Spektrum in der Betreuung grosser Vermögen abdecken.
Der Kaufpreis – die «Royal» bezahlte 500 Millionen Franken für die Bank, wovon der Goodwill 300 Millionen ausmacht – sei reichlich hoch, urteilen Brancheninsider. «Nicht billig, aber fair» sei der Preis gewesen, sagt Hans-Peter Brunner, CEO von Coutts International. Brunner hat ausgerechnet, dass der Kaufpreis mit einem Wachstum von zwei bis vier Prozent im Jahr plus Kostensparmassnahmen in wenigen Jahren wieder eingespielt ist.
Der Zusammenschluss von Coutts und Bank von Ernst macht strategisch einigen Sinn. Die Bank von Ernst ist stark in Kontinentaleuropa, vor allem in Deutschland und Spanien. Coutts ist ausser in Grossbritannien auch in Asien stark, vor allem in Hongkong, Singapur und Indien.
Per 1. Oktober wird die Integration von Coutts und Bank von Ernst in eine einzige Bank vollzogen. Neu heisst sie Coutts Bank von Ernst. Sie wird in der Schweiz rund 800 Mitarbeiter zählen. Dem Integrationsprozess fallen rund 60 Stellen zum Opfer, 20 durch Frühpensionierungen, 40 durch Entlassungen. Ein Sozialplan wurde ausgearbeitet.
Noch sind letzte Fusionswirren nicht ausgestanden, wie Insider erzählen. CEO Brunner weiss um die Bedeutung eines intakten Teamgeistes. Denn im Private Banking macht eine Übernahme nur Sinn, wenn die Kundenberater nicht gleich davonziehen, mit ihren Kunden im Schlepptau. «In den letzten neun Monaten habe ich viel psychologische Arbeit leisten müssen», sagt Brunner.
Bisher offensichtlich mit Erfolg: Zwar sind zwei der drei ehemaligen Chefs der Bank von Ernst abgewandert, aber nur sechs von 60 Kundenberatern. Die Kunden werden vom Wechsel unter das Dach der Schotten daher wohl wenig merken. Vorteil für sie: Mit der Royal Bank of Scotland hat man einen deutlich kräftigeren Besitzer im Hintergrund, als es die zuletzt doch eher kriselnde HypoVereinsbank war.
Brunner (52), der 26 Jahre lang bei der Credit Suisse war und seit 1997 für Coutts tätig ist, hat ehrgeizige Pläne. Er will die Bank organisch wachsen lassen und dafür den Mitarbeiterbestand kräftig erhöhen. Gleich mehrere Headhunter hat die Bank losgeschickt, in Bankingkreisen auf Talentsuche zu gehen.
Neben dem organischen Wachstum will die Bank auch auf Akquisitionen setzen. Vor allem in Genf, wo bereits heute 100 Leute für Coutts arbeiten, würde die Bank gerne wachsen. Aber auch auf Lugano und Zürich richte man das Augenmerk. Unmittelbare Übernahmen stünden nicht an, so Brunner, «aber unser Radar ist immer aktiv».