Der irre Kursrutsch der Credit Suisse – in der Spitze ein Minus von über 30 Prozent – hat am Mittwoch wiederholt zu einem Handelsstopp für die Aktien der Grossbank an der Schweizer Börse SIX geführt. Eine Suspendierung des Börsenhandels wurde indes nicht beantragt, sagte ein SIX-Sprecher.
Der Handel wird von der Börse automatisch gestoppt, wenn ein angefragter Kurs um mehr als 1,5 Prozent von der zuletzt ausgeführten Notierung abweicht. Die Pause kann bis zu fünf Minuten betragen. Mit der Massnahme soll ein sogenannter Flash-Crash verhindert werden.
Die Titel der krisengeplagten Credit Suisse sackten am Mittwoch erstmals unter zwei Franken ab. Der Tiefenrausch drückte die Titel zwischenzeitlich sogar unter die Marke von 1,60 Franken. Zum Teil versuchten Marktteilnehmer, mit grossen Volumina zu Preisen von 1,40 oder weniger zu handeln. Es ist eine gigantische Wette gegen die Bank.
Ausverkauf im Bankensektor
Absicherungen gegen Zahlungsausfälle bei Anleihen der Bank verteuerten sich denn auch wieder. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen für Schuldpapiere, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), stiegen auf ein Rekordhoch von über 800 Basispunkten, wie Daten von Bloomberg zeigen. Das bedeutet, dass ein Anleger mehr als 800 Franken bezahlen muss, um Anleihen im Volumen von 10'000 Franken zu versichern.
Der Absturz führte zu einem Ausverkauf im ganzen Bankensektor. Die Aktien von BNP Paribas, Société Generale und der Commerzbank fielen zum Teil zweistellig. Die europäischen Banken verloren am Mittwoch in der Spitze zusammen mehr als 60 Milliarden Dollar an Marktwert. Mehrere Bankaktien wurden im Laufe des Tages aufgrund der starken Verluste vorübergehend vom Handel ausgesetzt. Die Aktie der UBS blieb unterhalb der 10-Prozent-Minus-Schwelle. CEO Ralph Hamers gab mit positiven Neugeld-Nachrichten Gegensteuer.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwei Insidern zufolge sogar Banken zu Finanzverbindungen zur CS befragt, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Eine der Personen wies allerdings darauf hin, dass dies spezifische Probleme des Schweizer Bankhauses seien und nicht systemische. Das «Wall Street Journal» hatte als erstes berichtet, dass EZB-Aufseher sich die Finanzverbindungen zwischen der CS und den Banken der Euro-Zone anschaut.
Schlagzeilen-Gewitter in allen Medien
Die CS entwickelte sich wegen des Absturzes zum Top-Thema der internationalen Wirtschaftspresse. Schwergewichte wie «Bloomberg», «Wall Street Journal» und «Financial Times» titelten am Nachmittag auf ihren Webseiten mit der CS-Hiobsbotschaft. Die Credit Suisse lasse erneut Befürchtungen bezüglich der Banken aufkommen, meldete das «Wall Street Journal» prominent an erster Stelle. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte zur Eröffnung denn auch 1,2 Prozent tiefer. Der breiter gefasste S&P 500 verlor ebenfalls 1,1 Prozent. Und der Index der Technologiebörse Nasdaq bröckelte um 1,2 Prozent.
Der Absturz der Credit Suisse hatte auch Folgen am Devisenmarkt. Euro und Franken fielen gegenüber dem Dollar. Im Gegenzug zog der als sichere Anlage angesehene Dollar an.
«Die Nachrichten der Credit Suisse von heute Morgen richten an den Devisenmärkten den ganzen Schaden an, da die europäischen Bankaktien heute erneut unter die Räder kommen», sagte ein Händler zur Nachrichtenagentur Reuters. Der Ausverkauf der Bankaktien schüre wieder die Sorgen um die Finanzstabilität.
Unter die Räder geriet auch das britische Pfund. Die Probleme der CS trugen auch massgeblich dazu bei, dass der europäische Bankenindex auf den niedrigsten Stand seit Anfang Januar absackte.
Die Aktien grosser Geldhäuser wie JP Morgan, Wells Fargo Citigroup, Goldman Sachs, Morgan Stanley und Bank of America fielen zwischen 3,6 und 4,7 Prozent. Regionalbanken wie First Republic, Peers Western Alliance und PacWest verloren bis zu 13 Prozent.
Der US-Nachrichtensender CNN reagierte mit einer Breaking News: «Credit Suisse-Aktie stürzt ab, da saudischer Investor weitere Finanzierungen ausschliesst», hiess es auf der Webseite. Bad News für die Bank.
Auch die deutsche Presse schrieb vom «Kurssturz» («Manager Magazin») und den «Bankenturbulenzen» («Spiegel»). Die britische FT begleitete das Thema ebenfalls eng.
Es gab kein Entrinnen für die Bank: Die News, dass der CS-Grossaktionär Saudi National Bank aus aufsichtsrechtlichen Gründen keine frischen Mittel einschiessen kann, entwickelte sich zum Flächenbrand. Zu allem Elend war – und ist – der CS auch noch die Aufmerksamkeit im Netz gewiss. Wieder gewiss, muss man sagen. Die CS sieht sich mit einem erneuten Social-Media-Sturm konfrontiert.
Das letzte derartige Gewitter fand im Oktober statt. Es kostete das Unternehmen Milliarden an Vermögen. «Ich bin froh, dass wir das hinter uns haben», sagte Axel Lehmann anschliessend zum Schweizer Fernsehen «SRF». Für ein Aufatmen war es aber zu früh.
(ise/gku)