Am Morgen des 13. Juli stellt sich Brady Dougan vor seine Mitarbeiter in New York und verkündet die Marschrichtung. Der neue Bürochef in der Zentrale der CSFB wird mit Applaus willkommen geheissen. Überaus herzlich ist die Stimmung. Dougan ersetzt John Mack, der sich als unzimperlicher Manager bei der CSFB einen Namen machte, was ihm die Bezeichnung «Mack the Knife» eintrug. Mack folgte ehrgeizig einem strikten Sparkurs, etwa indem er die Unsitte garantierter Boni abschaffte – zum Leidwesen der Investment-Banker. Mack hat am 12. Juli sein Büro räumen müssen, sein Vertrag als Co-CEO neben Oswald Grübel ist nicht erneuert worden, und an der Spitze der Grossbank sitzt heute nur noch einer: Grübel. Der ist beseelt von der Idee, die Beziehungen zwischen CSFB und CS zu vertiefen, auf dass eins plus eins mehr als zwei ergebe.

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Dass er manches anders haben möchte, hat Grübel schon allein damit signalisiert, dass er ausgerechnet Brad Dougan zum Chef der CSFB ernannt hat. Mack hatte diesen vier Monate zuvor mit einer Spezialaufgabe auf das Abstellgleis befördert: Dougan, ein erfahrener Banker und eingefleischter CSFB-Mann, sollte um die Welt reisen und Mack über die Erfolge eines Programms zur Steigerung der Profitabilität rapportieren. Unzufrieden, wie er war, bereitete Dougan parallel zu seinem Kontrolljob den Absprung von der CSFB vor. Er soll bereits eine konkrete Idee gehabt haben: Es heisst, Dougan habe mit Bankern von Goldman Sachs einen Hedge-Fund gründen wollen.

Diese Pläne hat er sausen lassen für den Spitzenjob bei der CSFB. Nun ist er Chef von 18 000 Mitarbeitern und damit einer der einflussreichsten Investment-Banker überhaupt. Erste Aufgabe, die der Amerikaner zu erfüllen hat: Er muss CEO Grübel im Laufe des dritten Quartals einen Strategiebericht vorlegen, aus dem hervorgeht, wie Dougan seine Aufgabe zu meistern gedenkt. Er hat dafür zu sorgen, dass die CSFB und die CS in Zukunft enger zusammenarbeiten. Aus der CSFB und der CS – so das erklärte Ziel – soll «one firm» werden, eine einzige Firma, mit Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz. Mitarbeiter müssen wegen dieser neuerlichen Wende bei der Credit Suisse Group (CSG) kaum umziehen. Nur Macht und Entscheide werden in die Schweiz verlagert.

Mack geht, Grübel bleibt allein im Haus, doch keine Strategie, keine Abwicklungspläne und keine Teams waren am 13. Juli bereit, die Grossbank als «one firm» aus der Taufe zu heben. Dougan zum Beispiel bleiben Wochen, um eine Strategie auszuhecken. Die grosszügige Frist macht offenkundig, was Szenenkenner längst behaupten: Der Abgang von John Mack war überstürzt. Sogar Mack selbst soll von der impliziten Kündigung überrascht worden sein, versichert ein ihm nahe stehender Banker.

«One firm» – klingt schön, viel mehr steckt im Fall der CSG aber nicht in dieser Worthülse. Die angelsächsisch dominierte CSFB und die schweizerische Credit Suisse mit Private Banking, Retail-Banking und Asset-Management sind Welten für sich. Nach innen wie nach aussen.

In den USA und in Grossbritannien ist etwa die Marke CSFB so gut eingeführt, dass sie selbst bei Branchenblättern gern als Dachmarke für den gesamten Konzern genannt wird: Das Fachblatt «Euromoney» hat kürzlich in ihren Rankings die CSG klassiert, sie aber als CSFB in der Liste aufgeführt. CSFB ist eine starke Marke, sie zu Gunsten von «one firm» aufzugeben, steht bisher nicht zur Diskussion. Im Gegenteil, die Marke braucht Pflege, denn ihr Ruf hat unter dem jüngsten Sesselrücken abermals gelitten. So pflegen Konkurrenten der CSFB bei der Bewerbung um Deals den potenziellen Kunden zu fragen: «Wollen Sie wirklich mit einer Bank zusammenarbeiten, bei der Sie morgen nicht wissen, mit wem Sie es da noch zu tun haben?» Das berichtet Richard X. Bove, Analyst bei der Brokerage- und Investment-Bank Hoefer & Arnett in Tampa, Florida.

Was beabsichtigt Oswald Grübel? Er wolle, dass die Mitarbeiter der CSFB und der CS mehr am gleichen Tisch sässen und austauschten, was sich austauschen lasse. Die Private Banker der CS sollen vermehrt Produkte der Investment-Banker der CSFB verkaufen. Umgekehrt sollen die Investment-Banker auch Instrumente entwickeln, die auch für die eher konservative Klientel der Private Banker interessant sein können. Ende der Neunzigerjahre, im Rausch der Börsenhausse, hatten die Private Banker vergebens darum gebeten, die CSFB möge doch ein Angebot kreieren für Kunden, die nach Vermögenserhalt und nicht -mehrung streben.
Der Handlungsbedarf ist gross und fängt bereits im Kleinen an: Im Intranet sollen die Mitarbeiter für die verschiedenen Geschäftseinheiten sensibilisiert werden. Um etwas zu bewegen, wird derzeit an einem Anreizsystem gearbeitet, das Belohnungen vorsieht für den, der mehr als nur seinen Geschäftsbereich sieht. Wie, wann und ob dieses System überhaupt eingeführt wird, ist unbekannt.

Von einem ebenfalls eher unbekannten Wesen ist die Rede, wenn CS-intern vom «Sparen, ohne dass es wehtut» gesprochen wird. Das klingt human. Man fragt sich jedoch: Wo mag das sein?

Wieder muss das Schlagwort «one firm» als Antwort herhalten. Ins Auge springen die bisher parallel geführten Organisationen von CS und CSFB. Zwar haben beide bereits heute ihren juristischen Sitz in Zürich, doch sind sie zwei autonom funktionierende Gebilde mit eigener IT, separaten Rechtsabteilungen, getrennten Kundenbereichen. CS und CSFB sind zwei Banken mit je einer Schweizer Lizenz. Das Sparpotenzial hier ist indes gleich null. Schon allein des Bankkundengeheimnisses wegen sind Zusammenlegungen nicht machbar. Beide Unternehmen müssen laut Auflage unabhängig arbeiten.

«One firm» – ein Ding der Unmöglichkeit. Eine integrierte Grossbank nach Schweizer Recht werden Brady Dougan, Oswald Grübel und Co. nicht basteln können. Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass hier im Mäntelchen der Strukturerneuerung vor allem Personalpolitik betrieben wird. Dass aber ausgerechnet die neue CSG-Spitze sich selber herausfordert, scheint nicht allen klar zu sein. Der jüngst inthronisierte Chefjurist, Urs Rohner, beispielsweise steht noch ohne Hausmacht und Erfahrungswerte in einem durchgeschüttelten Unternehmen. Vielleicht ist dies jedoch die wahre Kulturbildungsmassnahme: Aus Situationen wie diesen sollen die Blüten der neuen Kultur wachsen.