Die von der Grossbank Credit Suisse betreuten Milliardäre wagen sich nach dem Abflauen der Coronavirus-Krise als erste wieder aus der Deckung. «Wir, ich selbst eingeschlossen, führen jetzt mehr Gespräche mit Kunden darüber, wie man an den Märkten investiert oder reinvestiert», sagte Philipp Wehle, Leiter der internationalen Vermögensverwaltung (IWM) der CS, in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters.
Während die breite Kundschaft weiterhin sehr vorsichtig agiere und sich absichere oder viel Barmittel halte, hätten die ersten der im Segment «Strategische Kunden» zusammengefassten Milliardäre den Vorwärtsgang eingelegt, sagte Wehle weiter. «Einige unserer strategischen Kunden wollen nun in risikoreichere Anlagen investieren, nachdem sie vorher Risiken abgebaut hatten.»
Im Geschäft mit den Milliardären will Wehle das Ertragswachstum beschleunigen. «Mein Ziel für strategische Kunden ist es, den Wachstumsbeitrag in den nächsten drei Jahren zu verdoppeln», kündigte der Manager an.
Superreiche setzen zunehmend auf Übernahmen
Die Gesamteinnahmen der Division im Geschäft mit vermögenden Privatkunden waren von 3,4 Milliarden Franken im Jahr 2016 bis 2018 auf 3,9 Milliarden geklettert. 200 Millionen des Anstiegs entfielen auf die Milliardäre. Dieser Beitrag soll für die Dreijahresperiode bis 2022 auf rund 400 Millionen Franken steigen. IWM betreut Kunden in Europa ausserhalb der Schweiz, in Afrika, dem Nahen Osten sowie in Südamerika.
Ein Treiber dieses überdurchschnittlichen Wachstums ist die enge Verzahnung der Vermögensverwaltung mit dem Investmentbanking der zweitgrössten Schweizer Bank. Damit kann die Credit Suisse diesen anspruchsvollen Kunden - viele davon Unternehmer - Dienstleistungen aus einer Hand anbieten. So hätten die Superreichen zunehmend kleinere Übernahmen oder strategische Beteiligungen an Firmen im Visier. Bei der Planung solcher Transaktionen würden dann jeweils nicht nur die Kundenberater, sondern auch Investmentbanker am Tisch sitzen und etwa verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten aufzeigen.
Nachfolger von Iqbal Khan
Wehle übernahm die Leitung der Division vor rund elf Monaten von Iqbal Khan, der später zum Erzrivalen UBS wechselte. Der frühere Finanzchef der Sparte hat inzwischen unter anderem das Geschäft in Schwellenländern wie Saudi-Arabien oder Brasilien gestärkt, jeweils für einen Kunden entwickelte Produkte einem breiteren Kreis zur Verfügung gestellt und die Kunden in drei neue Gruppen unterteilte. «Mehr Fokus war mir sehr wichtig», erklärte Wehle.
Im turbulenten ersten Quartal 2020 steigerte die Division den Ertrag um sechs Prozent auf 1,5 Milliarden Franken. IWM profitierte dabei von einem Handelsboom, der mehr Geld in die Kassen spülte. Auch zu Beginn des zweiten Quartals blieben die Kunden überdurchschnittlich aktiv: «Das Level der Transaktionen lag im April immer noch über dem Vorkrisenlevel», sagte der Deutsche, der seit 2005 für Credit Suisse arbeitet.
Kunden mussten Geld nachschiessen
Das gute Wachstum der Division in den vergangenen Jahren hatte Befürchtungen geweckt, dass dieses mit erhöhten Risiken erkauft worden sein könnte. Dafür gibt es bisher kaum Anzeichen. Die Rückstellungen für Kreditrisiken beliefen sich im ersten Quartal auf überschaubare 39 Millionen Franken. «Wir verbringen viel Zeit mit der Auswahl und dem Management von Risiken, und die Investitionen in das Risikomanagement haben sich für uns ausgezahlt», sagte Wehle.
Auf dem Höhepunkt der Coronavirus-Krise kam es angesichts des Einbruchs der Vermögenswerte zu Unterdeckungen, sodass Kunden Geld nachschiessen mussten. «Diese (Unterdeckungen) wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt fast auf Null reduziert, ohne dass es zu materiellen Verlusten gekommen wäre».
Während im April wegen der Corona-Krise Millionen ihren Job verloren, erlebte die Wall Street den besten Monat seit 1987. Fünf Gründe. Mehr hier.
(awp/gku)