Die Initiative ist mutig und verdient Respekt. Vor kurzem hat die Europäische Kommission in Brüssel das auf den ersten Blick wenig spektakulär benannte «Bündnis für soziale Verantwortung» lanciert. Sein Kernanliegen ist, Unternehmen vermehrt über gesetzliche Mindeststandards hinaus zum Engagement für die Gesamtgesellschaft zu motivieren. «Europa braucht ein Klima, in dem ein Unternehmer nicht nur geachtet wird, weil er gute Gewinne erzielt, sondern auch weil er einen fairen Beitrag zur Lösung gesamtgesellschaftlicher Probleme leistet», brachte es der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Günter Verheugen, auf den Punkt.
Auf fruchtbaren Bodengefallen
Bemerkenswert ist unter anderem, dass es sich dabei nicht um ein neues Rechtsinstrument innerhalb des Acquis Communautaire handelt, das von Unternehmerseite zu unterzeichnen wäre. Die Initiative der Europäischen Kommission wolle vielmehr das politische Patronat für neue oder bereits bestehende, freiwillige Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten (siehe Kasten) übernehmen. Eine konsequente Umsetzung könne vieles leisten.
Konkrete Bereiche, die den Aufbau eines positiveren Images von Unternehmern und Unternehmen in der Gesellschaft prägen könnten, sieht die Kommission beispielsweise in der schonenden Nutzung natürlicher Ressourcen beziehungsweise in der geringeren Verschmutzung durch die freiwillige Einführung von Umweltmanagement-Systemen.
Auch die Einstellung von mehr Mitarbeitern aus benachteiligten Gesellschaftsgruppen sowie Investitionen in lebenslanges Lernen und in Beschäftigungsfähigkeit zahlten sich aus. Seitens der Wirtschaft fällt die Initiative auf fruchtbaren Boden.
Eine Aufgabe auch für KMU
«Ohne soziale Verantwortlichkeit können Unternehmen langfristig nicht überleben», mahnte der Präsident des Europäischen KMU-Dachverbandes (Ueapme), Hans-Werner Müller. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme sei die Wahrnehmung einer erweiterten Verantwortlichkeit bei weitem nicht ausschliesslich Sache der grossen Unternehmen. Wie viele Geschäftspraktiken gingen auch einige der interessantesten Neuentwicklungen in diesem Bereich auf KMU zurück. Sie seien in der Gesellschaft seit jeher tief verankert, weshalb das Anliegen der Initiative für sie nicht neu sei.
«Aber wir können es immer noch besser machen als bisher», fasste Müller die Botschaft an die nationalen Mitgliedsverbände zusammen. Einen besonderen Fokus wolle Ueapme auf die Verbreitung der Initiative in Unternehmen der zehn neuen EU-Länder in Ost- und Südeuropa legen. Volle Unterstützung erhielt die Initiative der Kommission in Brüssel auch von Spitzenvertretern zweier europäischer Grossunternehmen. Soziale Verantwortlichkeit gehe weit über sein eigenes Unternehmen hinaus, hielt Epson-CEO Ramon Ollé fest.
Überall gleiche Standards
Drei entsprechende Schlüsselbereiche sind aus seiner Sicht das Verhältnis von Ethik und Technologie, die vermittelte Werteskala in der Ausbildung künftiger Manager an Hochschulen und Universitäten sowie Umweltfragen. In diesen Bereichen sei noch viel zu tun, erklärte auch VW-Chef Bernd Pietschetsrieder. Wichtig sei für ihn die Einführung von sozialen Mindeststandards in den Zulieferfirmen und dass international operative Konzerne in allen Ländern dieselben sozialen Standards anwendeten.
Corporate Social Responsibility Europe: Zunehmende Sensibilisierung
Hinter der Initiative der Europäischen Kommission steht ein Zusammenschluss von über 60 multinationalen Firmen, darunter ABB, Manpower, Nestlé und Syngenta. Bereits 1996 vom damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors ins Leben gerufen, besteht Corporate Social Responsibility (CSR) Europe inzwischen aus 18 nationalen Ablegern. Der Schweizer Partnerorganisation «Philias» mit Sitz in Genf gehören derzeit 22 weitere Unternehmen an. Dazu zählen Manor, Nestlé, Novartis, Syngenta, Sarasin, Lombard Odier Darier Hentsch und die Zürich-Versicherung.
«Der Druck auf Schweizer Unternehmen, soziale Verantwortung wahrzunehmen, besteht weniger von Gesetzes wegen als vielmehr von Seiten einer kritischen Konsumentenschaft sowie von NGOs», fasst Philias-Geschäftsführerin Laurence Fabry Lorenzini zusammen.
Im Zuge der Globalisierung stelle sie auch bei Schweizer Firmen eine zunehmende Sensibilisierung für ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortlichkeit fest. Ein besonderes Augenmerk richte Philias auf den entsprechenden Dialog zwischen den verschiedenen Stakeholdern.