Im Cum-Ex-Prozess gegen Hanno Berger hat das Landgericht Bonn eine Freiheitsstrafe von acht Jahren gegen den ehemaligen Steueranwalt verhängt und damit die bisher höchste Strafe in dem Steuer-Skandal. Berger habe sich der schweren Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig gemacht, sagte Richter Roland Zickler am Dienstag in Bonn.

Der Steuerexperte habe die betrügerischen Geschäfte mit Steuer-Rückerstattungen breit ausgerollt und sei damit «der Erfinder von Cum-Ex 2.0». Er habe dabei erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt. «Sie waren an zentraler Stelle eingebunden», sagte Zickler an Berger gerichtet. Die Transaktionen seien eine «besonders schwere Form der Wirtschaftskriminalität». Von Bergers Vermögen sollen nach dem Urteil mehr als 13 Millionen Euro eingezogen werden.

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Berger prüft das Urteil

Die Staatsanwaltschaft hatte neun Jahre Freiheitsstrafe für Berger gefordert. Seine Verteidiger hatten auf eine konkrete Forderung verzichtet und an die «Güte des Gerichts» appelliert. Der 72-Jährige werde das Urteil prüfen und dann über sein weiteres Vorgehen entscheiden, sagte Verteidiger Richard Beyer nach dem Richterspruch.

Das Verfahren sei eine «Zäsur» in der Aufarbeitung des Cum-Ex-Komplexes, so der Anwalt. Es sei an der Zeit, die Rolle der Landesbanken vor Gericht zu prüfen, die sich ebenfalls an den Transaktionen beteiligt hätten. Razzien bei Banken wegen des Cum-Ex-Komplexes gibt es immer noch, zuletzt etwa bei der Deutschen Bank oder JPMorgan.

Berger gilt als einer der geistigen Väter des Systems, mit dem sich Investoren eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden vom Finanzamt doppelt erstatten liessen. Dazu verschoben sie um den Stichtag für die Auszahlung der Gewinnausschüttung herum untereinander Aktien mit («cum») und ohne («ex») Dividendenanspruch. Der Gesamtschaden durch Cum-Ex-Geschäfte wird auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.

«Das sind massive Fälle von Steuerhinterziehung», sagte Richter Zickler. Berger begleitete seine Ausführungen teilweise mit Kopfschütteln. Gegen ihn wird zudem noch vor dem Landgericht Wiesbaden verhandelt. Auch dort geht es um mutmassliche Steuerhinterziehung mit Cum-Ex-Geschäften.

«Cum-Ex»: Wie Investoren den Staat plünderten

Jahrzehntelang machten Investoren in Deutschland mit Dividenden-Steuertricks Kasse. Nahezu auf Knopfdruck spuckte der Staat Milliarden aus. Die Analyse der «Bilanz» von 2016 finden Sie hier.

Berger hatte sich in die Schweiz abgesetzt, war im Februar aber an die deutsche Justiz ausgeliefert worden. Der Prozess in Bonn lief seit April. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Steuerhinterziehung in drei Fällen vor, ursprünglich war eine Schadenshöhe aus den Geschäften von 2007 bis 2011 von insgesamt 278 Millionen Euro angenommen worden.

Der Profit daraus soll bei 27,3 Millionen Euro gelegen haben. Er soll eingezogen werden. Auf Berger entfällt die Hälfte davon, den Rest soll sein ehemaliger Kompagnon bezahlen, der in dem Verfahren als Belastungszeuge aufgetreten war. Dem Gericht zufolge ist dieser dazu bereit und hat bereits fünf Millionen Euro überwiesen. Den Rest blockiert eine Bank bisher aus Compliance-Gründen, weil die Gelder aus Straftaten stammen könnten.

Ex-Abgeordneter hofft auf Signalwirkung

Staatsanwalt Jan Schletz hatte im Plädoyer gesagt, Berger habe eine hervorgehobene Rolle bei einem "blanken Griff in die Staatskasse" eingenommen. Berger habe etwa der Hamburger Bank Warburg zu den Transaktionen geraten und die Geschäfte auch Investoren angeboten. Bergers Aussage, er sei davon ausgegangen, die Geschäfte seien steuerlich zulässig, wertete Schletz als Schutzbehauptung: "Berger wusste, dass der Gewinn aus der Steuer stammte."

Mit Berger stehe «ein zentraler Berater und Organisator der Cum-Ex-Industrie vor Gericht», sagte Gerhard Schick, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und Initiator des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses. «Und das gibt dem Urteil eine enorme Bedeutung.»

Es solle Signalwirkung für alle Steueranwälte und Finanzprofis entfalten, die halblegale oder strafbare Deals anbieten. Derzeit ermitteln deutsche Staatsanwaltschaften gegen rund 1500 Beschuldigte wegen Cum-Ex-Aktiendeals.

Ein Schwerpunkt liegt dabei bei der Staatsanwaltschaft Köln, die ihre Fälle in Bonn zur Anklage bringt. Das Landgericht hatte unter anderem im März 2020 zwei britische Aktienhändler im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften zu Bewährungsstrafen verurteilt. 

(reuters/mth)