Nur ein einziges Mal an diesem 16-Stunden-Arbeitstag wirkt Daniel Vasella leicht gestresst. Er kneift die Augen zusammen, ein Hauch von Schweiss zeigt sich auf der Stirn.

Vasella sitzt im grellen Scheinwerferlicht eines Fernsehstudios. Es ist kurz vor zwanzig Uhr im 35. Stock eines Wolkenkratzers an der Seventh Avenue in New York. In wenigen Minuten wird er von der Analystin Jo Walton fürs firmeneigene Fernsehen der US-Investment-Bank Lehman Brothers live interviewt werden.

Hektik macht sich breit. Die Analystin geht mit ihm kurz die Fragen durch, die sie stellen will, doch schon die erste Frage enthält einen Fehler. Mit dem provokativen Starter, warum Novartis in den USA noch immer nicht unter den ersten zehn sei, hat Miss Walton das Interview zu eröffnen geplant. Keine gute Frage, meint Vasella, denn die Annahme stimme nicht: Novartis sei in den USA die Nummer neun. Die Analystin ist verwirrt und bespricht sich mit ihren Leuten.

Derweil wird Vasella von seinem Pressemann darauf aufmerksam gemacht, dass er Flecken auf der Hose habe. Beim Kaffee um die Mittagszeit hat er ein Rahmdeckelchen unsanft geöffnet und seine Hose bekleckert. Eine Studioassistentin winkt ab: Man werde dies am Bildschirm nicht sehen.

Leute laufen kreuz und quer, stehen einander im Weg. Die Räume sind klein und eng, die Decke ist niedrig.

Punkt acht Uhr geht Vasella auf Sendung. Von Irritation ist mit einem Mal kein Anzeichen mehr. Souverän, mit ruhiger Stimme, die Antworten mit sanften Handbewegungen unterstreichend, geht Vasella auf die – tatsächlich abgeänderten – Fragen ein. Wie an jedem der unzähligen Meetings zuvor an diesem Tag ist Vasella fokussiert, höchst aufmerksam und sehr entspannt. Der Mann ist sich seiner Sache sicher, das merkt man ihm an.

Kein Wunder: Novartis schwimmt derzeit auf einer Welle des Erfolgs. Der Umsatz stieg im letzten Jahr weltweit um zehn Prozent auf 32 Milliarden Franken, der Gewinn um acht Prozent auf gut 7 Milliarden. In den USA konnte keiner stärker wachsen als die Schweizer: Mit einem Umsatzplus von 25 Prozent liegt Novartis klar vor den Mitstreitern Pfizer, Merck oder Lilly. Mit neun Neuzulassungen von Medikamenten liegt Novartis ebenfalls an der Spitze der Topten.

Analystin Walton wird später ihre Kaufempfehlung für Novartis bestärken – wie es die meisten ihrer Kollegen bereits getan haben. Der Konzern ist nach dem Urteil der führenden Pharmananalysten derzeit sehr gut positioniert. Die Wirren nach der Fusion von 1996 sind grösstenteils verdaut, die Produktepipeline ist voll, die finanzielle Situation solide. Vasella wurde dieses Jahr von der US-Zeitschrift «BusinessWeek» gar zu einem der 25 wichtigsten Manager der Welt gewählt – eine Ehre, welche die Amerikaner einem Ausländer nur höchst selten gewähren.

Der Imagewandel hat viel mit einem einzigen Produkt zu tun: Glivec (in den USA: Gleevec). Dieses Medikament von Novartis gegen eine unheilbare Form von Blutkrebs, die chronisch-myeloische Leukämie, gilt als medizinischer Volltreffer. Die ersten 31 Testpatienten reagierten mit einer dramatischen Verbesserung des Gesundheitszustands. Das US-Nachrichtenmagazin «Time» berichtete von Krebspatienten, die nur noch auf die Toilette kriechen konnten, oder anderen, die bereits das Erbe auf die Kinder aufgeteilt hatten und heute – nach dem Einsatz von Glivec – wieder ein praktisch normales Leben führen. Der Schweizer Leukämiepatient Hermann Edelmann aus St. Gallen sieht Glivec gar als «eine Art Wundermittel».

Die sonst betont restriktive US-Zulassungsstelle Food and Drug Administration (FDA) schleuste die Bewilligung für Glivec in nur drei Monaten durch. «Time» hob die Glivec-Pillen auf das Cover und titelte: «Krieg gegen Krebs: Das sind die Patronen.» Die Euphorie wurde bisher nicht getrübt, im Gegenteil: Neue Studien zeigen, dass Glivec noch gegen eine andere Form von Krebs wirkt – gegen gastrointestinale Stromatumoren, einen Krebs des Verdauungssystems.

Die gute Presse kommt für Novartis im günstigsten Augenblick. Denn eines der wichtigsten strategischen Ziele des Konzerns – an der Pressekonferenz vom 7. Februar in Basel bekräftigt – ist die Ausweitung der Präsenz in Amerika. Die USA sind nicht nur der grösste Pharmamarkt der Welt, sondern auch der profitabelste. Im Gegensatz zu Europa stehen die Medikamentenpreise in den USA nicht unter dem steten Druck des Staats oder der Krankenkassen, die Marge ist dementsprechend höher. Bereits erwirtschaften Pharmafirmen 50 bis 60 Prozent ihres Gewinns in den USA, künftig könnten es laut Rolf Stahel, CEO des britischen Spezialitätenherstellers Shire Pharmaceuticals, 70 Prozent sein.

Die USA sind für die Zukunft matchentscheidend. Novartis hat einiges aufzuholen: Der Anteil der USA am Konzernumsatz konnte zwar von 40 auf 43 Prozent gesteigert werden, liegt aber immer noch unter der Konkurrenz mit bis zu 65 Prozent. Lange war der Name Novartis in den USA kaum geläufig, nicht einmal den Ärzten, die ja die Medikamente verschreiben müssen. Der Rummel um Glivec hat viel dazu beigetragen, dass sich dies zu ändern begann.

Dass der Hype auch den nötigen fruchtbaren Boden findet, hat mit einer anderen strategischen Weichenstellung zu tun: der Aufwertung des Marketings. «Einen dramatischen Bewusstseinswandel» hat Experte Kenneth Youngstein, CEO von WorldHealthCom, in der Branche beobachtet.

Sehen sich vor allem europäische Pharmaunternehmen traditionell eher als Wissenschaftler, hat Vasella eingesehen, dass gute Produkte alleine nicht genügen – man muss sie den Leuten auch ins Bewusstsein hämmern. Er hat deshalb die Zahl der Ärztebesucher in den USA in nur einem Jahr um fast einen Viertel auf 5500 gesteigert. Im Sinne einer Konzentration der Kräfte sollen diese Vertreter vor allem die zehn wichtigsten Medikamente von Novartis pushen. Schliesslich machen die zehn umsatzstärksten Marken 56 Prozent des gesamten Pharmaumsatzes aus.

Das Treffen mit seinen Marketingleuten ist denn auch eines der Hauptmeetings seines US-Trips. Es ist um die Mittagszeit angesetzt: ein Working-Lunch. Es gibt Sandwiches und Kaffee. Vasella knabbert nur ein paar Kekse, trinkt dazu einen Kaffee. Er öffnet jenes Rahmdöschen, das ihn später beim Fernsehauftritt noch immer zeichnen wird.

Um vier Uhr ist er an diesem Montagmorgen aufgestanden, die frühe Bettflucht als eine Folge des Jetlags. Am Tag zuvor, am Sonntag, war er im Firmenjet von Zürich nach New York geflogen. Über dem Atlantik hatte er seine Rede für die Generalversammlung vom 21. März vorbereitet.

Viel Schlaf hat er in letzter Zeit nicht gefunden. Doch man sieht es ihm nicht an: Er wirkt motiviert. «Mit spannenden Leute zu tun zu haben, macht mir am meisten Spass in meinem Job», sagt Vasella. Das Jackett seines Massanzugs hängt bei allen Meetings locker über einem Stuhl, Vasella fühlt sich offensichtlich wohler im Hemd.

Zum Marketingmeeting sind wichtige Leute versammelt, hier am Novartis-Sitz in East Hanover, New Jersey, 80 Kilometer ausserhalb von New York City. Kurt Graves ist da, General Manager US Commercial Operations und der starke Mann hinter der erfolgreichen Kampagne für den Verkaufsschlager Diovan. Zudem US-Chef Paulo Costa sowie ein neuer Mann, Marketingspezialist Flemming Ornskov, abgeworben von Merck, wie Vasella mit sichtlicher Freude bemerkt. Das Bluthochdruckmedikament Diovan konnte den Absatz im letzten Jahr um 58 Prozent auf 1,9 Milliarden Franken steigern. Marktleader in diesem Bereich war bisher der Platzhirsch Merck.

Diovan hat Cozaar von Merck als wichtigstes Blutdruckmedikament der so genannten Arb-Klasse in den USA abgelöst, der Marktanteil von Cozaar rutschte von 44 auf 38 Prozent ab. «Diovan zeigt, dass wir die höchsten Ziele erreichen können, wenn wir nur wollen und gezielt vorgehen», hat Vasella zwei Stunden vor dem Marketingmeeting an einer Videokonferenz mit 90 Novartis-Topmanagern ausgerufen. Er ist stolz darauf, den Konkurrenten ausgestochen zu haben. Was seine Ziele seien, hat einer der 90 Manager Vasella am Schluss der Videokonferenz gefragt, und Vasella hat geantwortet: «Was ich will? Ich will, dass wir gewinnen.»

Vasella ist ehrgeizig und verlangt dementsprechend viel von seinen Leuten. Wer seinen hohen Anforderungen nicht genügt, hat kein leichtes Leben. Immer wieder beklagen sich Mitarbeiter über den knallharten Stil von Vasella.

Vasella konnte der Kritik in der Tat lange Zeit wenig entgegensetzen. Nach der Fusion von Ciba und Sandoz die Nummer zwei der Welt, ist Novartis seither schleichend auf den sechsten Rang abgerutscht. Das jährliche Wachstum lag deutlich unter jenem vieler US-Rivalen, die Pipeline war trocken, das Marketing schwach, die Stellung im Wachstumsmarkt USA unterdurchschnittlich.

Vasella arbeitete mit Hochdruck an der Neuausrichtung. Leistungsbezogene Löhne auf fast allen Stufen, der Umbau der Konzernforschung in kleine, eigenverantwortliche Units und der Ausbau der Marketingtruppe waren die Instrumente. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung erhöhte er zwischen 1996 und 2000 um volle 46 Prozent.

Gezielt zimmerte Vasella auch an einem Führungsteam, das seiner eigenen Dynamik entsprach. Pharmachef Jerry Karabelas etwa wurde ohne viel Federlesens abgesetzt und im Jahr 2000 durch den Amateurboxer und Ex-Pepsi-Cola-Mann Thomas Ebeling ersetzt. Heute hat Daniel Vasella mit Ebeling, Costa und Graves nach Einschätzung von Branchenexperten jene Leute, die das für die USA notwendige Tempo draufhaben. «Eine kompetente Truppe», schwärmt der Boss. Der Erfolg in den USA zeige, «welch durchschlagende Wirkung gute Teams haben können».

Vasella fühlt sich sichtlich wohl unter seinen US-Kollegen. Hier ist er nicht der «Doktor Vasella» wie in Basel, hier ist er «Dan». Viele der Leute in East Hanover kennt er noch von früher, schliesslich arbeitete er von 1988 bis 1992 für Sandoz selber am US-Sitz, als Produktmanager für das Tumorpräparat Sandostatin. Er schwärmt von der US-Mentalität. Die Schweizer seien oft kleinlich und negativ. «Für einen Amerikaner ist der Erfolg seines Nachbarn Ansporn, es ihm gleichzutun. Für einen Schweizer oft nur Grund für Neid und Missgunst», sagt Vasella.

Dan denkt längst in den Kategorien der globalen Wirtschaft – und die ist amerikanisch geprägt. Den Aufschrei in der Schweiz um den jüngst bekannt gegebenen Verkaufsentscheid der Nahrungsmitteltochter Wander mit dem Kultprodukt Ovomaltine habe er grob unterschätzt, wird er später im kleinen Kreis in einer New-Yorker Hotelbar, wo er den langen Arbeitstag ausklingen lässt, zugeben. Die Diskussion in der Schweiz um die Managerlöhne ärgert ihn, gegen einzelne CEOs würden in der Presse regelrechte Kampagnen geritten. Dort, wo die Leistung nicht stimme, sei Kritik angebracht. Doch wer gute Resultate bringe, solle nicht weniger als die Konkurrenz verdienen. Die Skala ist dabei für ihn nach oben offen.

Faulheit ist ihm zuwider, unmotiviert oder unvorbereitet in eine Sitzung zu kommen, akzeptiert er nicht. Er selber geht seinen Leuten als gutes Vorbild voran. Der 48-Jährige gilt als unermüdlicher Rackerer.

Sein typischer Tagesablauf sieht folgendermassen aus: Aufstehen zwischen 5 Uhr 30 und 6 Uhr 30. Eine Stunde später: Abfahrt mit der Firmenlimousine von seinem Wohnort am Zugersee nach Basel. Im Wagen liest er die Post und bereitet sich auf den Tag vor. Danach ein Meeting nach dem anderen bis in den Abend. Ziel sei es, vor neun Uhr zu Hause mit seiner Frau und den drei Kindern zu Abend zu essen. Danach studiert er nochmals drei Stunden Akten, schreibt Briefe oder E-Mails. Eine der kleinen Freuden in diesem Tagesablauf: Bevor er zwischen ein und zwei Uhr morgens ins Bett gehe, nehme er sich oft noch einen Late-Night-Snack aus dem Kühlschrank.

«Meine Familie und die Arbeit bedeuten mir alles», sagt Vasella. Er sei kein Szenegänger, man sehe ihn höchst selten an gesellschaftlichen Anlässen, geschweige denn in Bars oder In-Lokalen. Jede freie Minute widmet er der Familie.

Aufgewachsen ist er in Freiburg. Die Familie hatte viele Schicksalsschläge zu verkraften. Eine Schwester starb mit 19 Jahren an Krebs. Seine andere Schwester verunglückte bei einem Autounfall tödlich. Er selber bekam mit acht Jahren Tuberkulose und verbrachte lange Zeit in einem Sanatorium.

Vasella studierte Medizin und arbeitete vor seinem Einsatz bei Novartis als Arzt, unter anderem am Waidspital in Zürich. Seine medizinische Ausbildung hat viel dazu beigetragen, zu verstehen, was beim Patienten und beim Arzt vorgeht. Intern verhalf ihm das medizinische Verständnis zu einer besseren Akzeptanz bei den Forschern.

Sein medizinischer Background schimmert auch auf dem US-Trip mehrmals durch. Etwa dort, wo ihm einer seiner Wissenschaftler einen neuen Wirkstoff erklärt, der eventuell für ein Diabetes-Medikament genutzt werden könnte. Vasella hakt nach, fragt, welche Zellen denn genau ein erwähntes Hormon produzierten. Bei der Diskussion um Glivec erklärt er nicht nur die Symptome aus der Sicht des Diagnostikers, sondern dämpft auch gleich noch die Hoffnung, dass damit diese Form der Leukämie geheilt sei: «Als Arzt weiss man, dass man vor Ablauf von fünf symptomfreien Jahren nie von Heilung sprechen darf.»

In den Werbekampagnen versucht Novartis ebenfalls auf medizinische Glaubwürdigkeit zu setzen. In den USA ist – im Gegensatz zur Schweiz – Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente erlaubt. Es geht darum, ein Produkt in den Köpfen der Konsumenten zu fixieren, sodass sie ihren Arzt danach fragen.

Immer mehr Pharmafirmen gehen dazu über, langfristige Beziehungen zu Ärzten aufzubauen. Der Trend in den USA läuft in Richtung Chronic Care, die Behandlung chronischer Krankheiten. Die Idee dahinter ist einfach: Bei solchen Krankheiten werden mehr Medikamente gebraucht. Ein Antibiotikum gegen eine Infektion muss man nur fünf Tage lang nehmen. Medikamente gegen Diabetes, Arthritis oder Aids indes jahrelang. «Nicht die erste Verschreibung bringt das meiste Geld, sondern die regelmässige Nachbestellung», sagt Experte Youngstein.

Immer mehr Gebiete tun sich dabei für die Pharmamultis auf. Hormonersatz für Frauen in den Wechseljahren (und in jüngster Zeit auch immer mehr für Männer), Fettpillen, Potenzmittel. Auch eine zunehmende Zahl von Krebsmedikamenten, etwa Glivec, fallen in diese Kategorie.

Für den Aufbau der Beziehungen zu Ärzten und Patienten muss der Name Novartis noch breiter verankert werden. Glivec hat geholfen, doch genügt dies? TV-Kampagnen in den US-Sendern sind enorm teuer – die Kleinen sind benachteiligt. Viele Analysten glauben, dass Novartis nicht darum herumkommen wird, bald durch Fusion oder Übernahme die kritische Masse zu steigern.

Mehr noch als die Marketingkosten treibt der spezielle Forschungsansatz von Novartis zur Grösse. Die Basler setzen auf eine breite Basisforschung, etwa den genomischen Ansatz, bei dem die über 100 000 menschlichen Gene gezielt nach ihrer Wirkung im Körper sowie ihrer Anfälligkeit für bestimmte Wirkstoffe abgegrast werden. Der Ansatz ist enorm teuer, die Investitionen gehen in die Hunderte von Millionen Dollars. Die Ergebnisse sind für alle Krankheitsgebiete nutzbar, nicht nur für jene, in denen Novartis stark ist, wie die Krebsbehandlung. «Functional Genomics liefern Ergebnisse für alle therapeutischen Bereiche», bestätigt Novartis-Forschungschef Paul Herrling. Sich mit einem Konkurrenten zusammenzutun, um auch dessen Felder zu beliefern, wäre ein gutes Beispiel von Zusatznutzen ohne Zusatzkosten.

Aus eigener Kraft dürfte es auch für die derzeit dynamische Novartis schwierig werden, schnell zu den US-Grössen aufzuschliessen. Die Basler werden weiter auf Kaufgelegenheiten lauern: «Wachstum wird nicht nur organisch, sondern auch durch grössere oder kleinere Akquisitionen erzielt werden», sagt Hansjörg Rudloff, Verwaltungsratsmitglied von Novartis.

Für den Quantensprung in den USA müsste Novartis sich mit einer US-Firma zusammentun. American Home Products wird dabei schon seit längerem als Wunschkandidat der Schweizer bezeichnet. In jüngster Zeit wollen Börsianer auch von einer Annäherung an Bristol-Myers Squibb gehört haben. Bereits kooperieren die beiden Giganten beim Marketing gewisser Produkte.

Und dann ist da natürlich der Lokalrivale Roche. Seit Novartis im letzten Jahr rund 20 Prozent der Aktien des Nachbarn gekauft hat, warten Börsianer auf den Zusammenschluss. Die Börse munkelt, Novartis halte inzwischen sogar schon 30 Prozent

Die Frage dabei ist, wie lange sich Roche gegen eine Einflussnahme wehren will. Geschützt durch Stimmrechtsaktien, sind die Roche-Besitzer so lange frei, unabhängig zu bleiben, als die Dividenden einigermassen fliessen. Lange mit dem Rücken zur Wand, hat Roche jetzt Hoffnungen auf gute neue Medikamente geweckt. Sollten diese nicht halten, was sich die Roche-Oberen davon versprechen, dürfte sich der Widerstand gegen die Lokalheirat aufweichen.

Vasella selber sieht sich nicht zur Eile gezwungen. «Ein Merger bringt ja auch Unruhe in ein Unternehmen und vor allem viel Zusatzarbeit», sagt er. Gerade jetzt, da es so gut läuft, scheint er wenig Lust auf einen erneuten Totalumbau zu verspüren.

Doch auch auf Novartis dürfte der Druck mittelfristig wieder etwas steigen. Nach der Schwemme der Neuzulassungen wird im laufenden Jahr nur zu einer Produktzulassung kommen. Für die Jahre 2003, 2004 und 2005 wird dann die nächste Schwemme kommen – doch bis dahin ist ein langer Weg, und Aktionäre denken kurzfristig.

Ein Zusammenschluss mit Roche wäre kein «merger of weaks», wie es noch der Zusammenschluss von Ciba und Sandoz gewesen ist. Novartis ist in einer starken Position, von den Managementkapazitäten, den Forschungsstrukturen und nicht zuletzt auch von der finanziellen Seite her. Finanzchef Raymund Breu hat eine prallvolle Kasse mit 22 Milliarden Franken an liquiden Mitteln. Dass Vasella überzeugt ist, er könne mehr aus Roche machen als das derzeitige Management unter Franz Humer, hat er gegenüber Vertrauten mehrmals durchschimmern lassen.

Es ist dieses Gefühl der Stärke, das er auch seinen Mitarbeitern weitergeben will. Nichts sei unmöglich, ist seine Botschaft, sei es nun die Eroberung des US-Markts oder das Einsacken des Lokalrivalen. «Was braucht es, um zu gewinnen, Dan?», hat ein Manager an der Videokonferenz in East Hanover gefragt. «Es braucht», antwortete Vasella lächelnd, «Kompetenz, Energie – und vor allem ein gutes Mass an Selbstbewusstsein.»
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