Schon mal von Schrittmotoren gehört? Nein? Die braucht es, damit einarmige Banditen funktionieren können. Und wer weiss, wie die Schrittmotoren aufgebaut sind, der weiss auch, dass am Ende immer der einarmige Bandit gewinnt. Mit Liebe und ausgesprochen geduldig erklärt Saia-Burgess-CEO Daniel Hirschi auch dem Technikanalphabeten wie so etwas funktioniert.

Schalter, Motoren für Klimaanlagen, Schliesssysteme oder Sensoren, alles Saia-Burgess-Produkte, liegen ordentlich beschriftet in den Glasvitrinen im Murtener Firmengebäude auf. Was er an dieser Materie sexy findet? Unter dem kleinen Schnauz auf der Oberlippe zeigen sich Zähne, Hirschi lächelt etwas überrumpelt, wer sich wie er seit über 20 Jahren mit Elektrotechnik befasst, stellt sich diese Frage nicht mehr: «Alles ist interessant, wenn man in die Tiefe geht.»

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Ruhig und Kein Selbstdarsteller

Der schlanke Mann mit den Lachgrübchen in der Wange ist eine stattliche Erscheinung: Gross, volles dunkles Haar, elegant gekleidet. Etwas sympathisch Ruhiges, Unaufgeregtes geht von ihm aus. Daniel Hirschi scheint zur Zunft jener CEOs zu gehören, die die Wichtigkeit ihres Jobs nicht durch das Versprühen unterschwelliger Hektik unterstreichen müssen. Wenn Konzernchefs sehr bejubelt werden, findet er das suspekt.

In den jetzigen Zeiten, so sagt er, seien die Finanzchefs der Firmen mindestens so wichtig wie die CEOs. Obwohl kein Selbstdarsteller, hat er sich dennoch zum ersten Mal für ein Zeitungsporträt zur Verfügung gestellt. Offen und unkompliziert beantwortet er die Fragen, «für die Firma», wie er sagt. Möglicherweise, so könnten Unwissende behaupten, ist es schwierig, in Murten, gegenüber vom Bahnhof, wo die Saia-Burgess-Holding ihren Hauptsitz hat, Starallüren zu entwickeln.

Wer aber weiss, dass die Unternehmensgruppe in Europa bereits führende Herstellerin von Mikroschaltern und Kleinmotoren ist und weltweit Dependancen und Firmensitze besitzt, sieht die Sache vermutlich anders. Produktionsstätten in Ungarn, Deutschland, Grossbritannien und Tunesien, Tochterfirmen in Hongkong oder den USA, die Kundenliste liest sich wie das Einmaleins führender Auto- und Elektrogeräteproduzenten: Miele, Neff, Siemens, Saeco, Vaillant, Rolls-Royce, VW, Mercedes, Volvo oder BMW aber auch die deutsche Bahn, Sulzer und Valeo, um nur einige zu nennen.

Das Mutterhaus in Murten ist Understatement pur, anstatt eines durchgestylten Prachtbaus in Glas und Beton ein altes Fabrikationsgebäude aus den 20er und 50er Jahren. Hirschi empfängt im nüchternen Konferenzraum. Selbstverständlich ist er viel auf Reisen, besucht die Tochterfirmen im Ausland, was ihm, dem einstigen Weltenbummler, durchaus entgegenkommt.

Shoppingtour brachte nicht nur Glück

Der Konzern ist in den vergangenen fünf Jahren weltweit mit der grossen Einkaufstasche auf Shoppingtour gegangen und hat seinen Umsatz von 250 Mio auf knapp eine halbe Mrd Fr. verdoppelt. 1999 und 2000 durch das Übernehmen der deutschen Unternehmen Bär Elektrowerke GmbH & Co und Locking Technologies und Devices GmbH. Der spektakulärste Kauf gelang der Firma aber Ende 2000, kurz bevor Daniel Hirschi als CEO das Ruder übernahm.

Damals wurde Saia-Burgess Besitzerin der amerikanischen Ledex & Dormeyer, dem in den USA führenden Anbieter von Betätigungsmagneten (Aktuatoren). Ein strategisch wichtiger Schachzug, denn damit konnten sich die Schweizer den Zugang zum damals verlockend lukrativen amerikanischen Markt sichern.

Die von der Presse als Abschiedsgeschenk des damaligen CEO Adreas Ocskay an seinen Nachfolger Daniel Hirschi gefeierte Akquisition brachte allerdings in der Folge nicht den erwarteten Ertrag. Denn mit dem Amtsantritt Hirschis ging die Konjunkturflaute in den USA einher. Hirschi zuckt mit den Schultern, als wollte er sagen «Pech gehabt». Sagt er aber nicht. Hinter der feinen Metallbrille im John-Lennon-Look lächeln die Augen, er ist Realist, kein Schwarzseher. Das Unternehmen verzeichnete zwar eklatante Gewinneinbrüche, ist aber nach wie vor durch und durch gesund.

Ausbau in China

Jetzt setzt man auf internes Wachstum und langfristiges Überleben: «Natürlich müssen wir uns auch den Kunden anpassen, die zunehmend globaler agieren», sagt Hirschi. Deswegen sei es wichtig, grösser zu werden, «damit wir mithalten können». Momentan ist die Firma daran, in China ein eigenes Werk für die Montage von Antrieben zu gründen, bislang bestehen dort noch zwei Joint Ventures.

Auf unternehmerische Abenteuer verzichtet er. Der CEO fühlt sich den Aktionären verpflichtet. Was nicht unbe-dingt notwendig ist an Ausgaben, wird hinten angestellt. Zum Beispiel die Renovation des Murtener Fabrikgebäudes. Seufzend zeigt Hirschi beim Rundgang durch den Betrieb auf altmodische Teppichböden und abblätternde Farbe auf dem eisernen, alten Treppengeländer, zuckt dann die Schultern und meint lapidar: «Wir stellen nicht mehr dar, als wir sind.»

Die Firma hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Einer der Gründe, warum Hirschi dort ist, wo er ist. Denn als er 1983 einen Job als Marketingassistent bei Sodeca-Saia in Murten bekam, hatte er sich wohl kaum träumen lassen, dass er dort die nächsten 20 Jahre verbringen würde. Geschweige denn, dass er dereinst deren Chef sein würde. So aber kamen und gingen die Besitzer, gehörte die Firma Saia zunächst Landis & Gyr, so wurde sie 1987 von der englischen Burgess übernommen, die ihrerseits 1988 an die englische Williams PLC weiterverkauft wurde.

Eine turbulente Zeit für Daniel Hirschi, der zunächst als Verkaufsleiter eineinhalb Jahre in der Nähe von New York lebte und später ein Jahr im deutschen Frankfurt am Main verbrachte. Die sieben Jahre, in denen Saia-Burgess englisch war, betrachtet er heute als ausgesprochen lehrreich. «Auf diese Weise konnten wir sehr gute Einblicke in die angelsächsische Art zu denken und wirtschaften gewinnen.» Und was ist der Unterschied? «Die schauen straight auf die Zahlen, alles andere interessiert sie nicht!» Er glaubt zwar nicht daran, dass der ausschliessliche Blick auf die Finanzen zum dauerhaften Erfolg führt, weiss aber um deren Wichtigkeit.

Freude an Motoren und Autos

1996, nachdem das englische Williams-Management sich strategisch neu ausrichtete, folgte ein Management Buyout, der Anfang einer neuen Erfolgsgeschichte. 2000 wurde Hirschi Direktor der Division Automotive. Ach ja, die Autos. Ein wichtiger Markt für Saia-Burgess, die Schalter fürs Cockpit und Motoren für Klimaanlagen herstellt und zugleich eines der Hobbys ihres Chefs ist.

Nicht umsonst hat der Technikfreak erst mal das Handwerk des Mechanikers gelernt, bevor er in Biel Automobiltechnik studierte, er lächelt vergnügt in sich hinein, «das gab es damals noch in der Schweiz». Ein Autonarr sei er gewesen, einer, bei dem die Karosse fast vor den Frauen gekommen sei.

Das hat sich vermutlich geändert, als er seine Frau, eine Italienerin, kennen gelernt hat. Zusammen gingen sie 1981 nach seinem Studium auf Weltreise, für ganze elf Monate, «bis uns das Geld ausging». Doch der gebürtige Bieler ist immer zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Heute lebt er wieder in Biel, fährt jeden Tag die 30 Kilometer Landstrasse bis zum Büro. «Wir sind wieder in die Stadt gezügelt», sagte er und grinst dabei.

Steckbrief

Name: Daniel Hirschi

Geboren: 1956 in Biel

Familienstand: Verheiratet

Wohnort: Biel

Ausbildung: Ingenieur HTL Automobiltechnik, Nachdiplom Unternehmensführung, Betriebsdiplom

Funktion: CEO Saia-Burgess

Schlagworte

AUTO: «Je nach Betrachtungsweise: Transportmittel oder Faszination.»

ELEKTROMOTOREN: 0«Antrieb für unzählige Gebrauchsgegenstände. Saia-Burgess produziert über 20 Millionen Stück pro Jahr.»

REISEN: «Erweitert den Horizont; neue Kulturen und Lebensstile kennenlernen.»