Amazon hat in der Schweiz noch keine physische Präsenz. Auch eine Schweizer-Domain Amazon.ch wurde nicht gestartet. Das jedoch hindert das weltweit führende E-Commerce-Unternehmen nicht daran, seine Schweizer Kunden schneller beliefern zu wollen. Das im März bekannt gewordene Abkommen mit der Schweizerischen Post ist nun in den letzten Wochen in Kraft getreten.

Es war ein Leser von «Les Temps», der einen kleinen Unterschied beim Empfangen eines Pakets sah. Auf diesem steht: «Amazon, c/o Logistikzentrum, Postlogistics, Heinrich-Stutz-Strasse 27, 8902 Urdorf». Bedeutet das, dass der US-Konzern eine Basis in der Nähe von Zürich aufgebaut hat? Nein, Amazon hat, wie gesagt, noch keine physische Präsenz in der Schweiz. Aber das Unternehmen profitiert jetzt von der im März mit der Post angekündigten Vereinbarung, welche die Einfuhrverfahren beschleunigt. Schätzungen zufolge hat Amazon im Jahr 2017 einen Umsatz von 750 Millionen Franken erzielt, so Carpathia, ein auf E-Commerce spezialisiertes Unternehmen.

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Amazon-Pakete kommen an zwei Sortierzentren

Auf Anfrage erklärt die Post, dass «die Sendungen von Amazon nun per LKW zu zwei Sortierzentren transportiert werden, einem in Daillens (VD) und einem in Urdorf (ZH)». Die Zollabfertigung erfolgt ebenfalls elektronisch durch die Post. Dieses Verfahren hat zwei Vorteile. Erstens, auf der Ebene des Verfahrens, das eine schnellere Zustellung der Pakete ermöglicht. Zudem werden «dank Direktimport die Versand- und Zollkosten für Kunden im Checkout-Prozess im Amazon Store transparent dargestellt und dann zeitgleich mit dem Produkt direkt bezahlt», sagt die Post.

Es ist schwierig, genau diese beiden Vorteile zu quantifizieren, da die Post sich weigert, weitere Details anzugeben und sich auf Amazon bezieht, das unsere Fragen nicht genau beantwortet hat. Im Mai erklärte die Post, dass die digitale Zollabfertigung die Lieferzeiten beschleunigen würde, die für bestimmte Produkte auf 24 Stunden reduziert werden könnten. «Wenn alles digital abgewickelt wird, wird die Zollabfertigung schneller und die Lieferung wird beschleunigt», sagt E-Commerce-Experte Thomas Lang. Beim besagten «Les-Temps»-Leser war diese Zeitersparnis noch nicht erkennbar: Der Versand erfolgte am 12. Dezember, die Lieferung am 18. Dezember.

Mehr Transparenz

Was die Tarife betrifft, so scheinen sie transparenter zu sein. Die Schweizerische Post stellt den Kunden keine Verzollungskosten mehr in Rechnung, Amazon tut es aber. Für Pakete aus Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich beträgt der Grundpreis für die Zollabfertigung durch die Post 11,50 Franken. Zusätzlich wird ein Zuschlag von 3 Prozent auf den Warenwert und die Mehrwertsteuer auf den Warenwert erhoben. Die Post gibt auf ihrer Website an, dass der maximale Zollabfertigungspreis 70 Franken beträgt.

Da es sich nach Angaben der Post immer noch um eine Testphase handelt, ist es nicht möglich zu wissen, ob alle von Amazon versandten Pakete bereits von diesen neuen Verfahren betroffen sind.

Thomas Lang vermerkte auch das Inkrafttreten dieses Abkommens. «Seit einigen Wochen kommen vermehrt Amazon-Pakete aus Italien (Piacenza) und teilweise auch aus Deutschland (Köln) in die Schweiz und werden voraussichtlich im neuen Zollverfahren der Schweizerischen Post verarbeitet. Sie tragen die offiziellen Paketnummern der Schweizerischen Post und ermöglichen auch eine «Track + Trace», schrieb der Direktor von Carpathia kürzlich in seinem Blog. Thomas Lang glaubt, dass es irgendwann eine Rücksendeadresse in der Schweiz geben könnte.

Arbeitsbedingungen angeprangert

Auf der Website der britischen Tageszeitung Guardian wurde in den letzten Tagen eine neue Artikelserie mit dem Titel «Amazon Diaries» (Amazon's Tagebücher) veröffentlicht, die von einem Mitarbeiter des Unternehmens unter dem Vorwand der Anonymität geschrieben wurde (es ist nicht angegeben, in welchem Land er arbeitet). Dieser Mitarbeiter beschreibt die Arbeitsbedingungen in der Vorweihnachtszeit. Er spricht über Mitarbeiter in Logistikzentren, die fast zwölf Stunden am Tag, sechzig Stunden die Woche arbeiten. Gleichzeitig werden Teilzeitkräfte ermutigt, «so viele Leistungen wie möglich» zu erbringen.

Manager motivieren ihre Mitarbeiter mit Slogans wie «wir werden die Rekordzahl an Sendungen an einem Tag brechen», mit der Aussicht, einen Kindle oder einen drahtlosen Echo-Dot-Lautsprecher zu gewinnen, während einige lieber Geld erhalten würden.

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitung «Les Temps» unter dem Titel «Amazon livre plus vite en Suisse, grâce à La Poste» erschienen.