Die Schweiz hat einen wichtigen Rohstoff: Innovationskraft. Wie gut es um diesen steht, illustriert die Anzahl der Patentanmeldungen. Und auf den ersten Blick sieht es hervorragend aus.
Nie gab es seit 2010 beim Europäischen Patentamt (EPA) so viele Anmeldungen aus der Schweiz wie letztes Jahr. Laut EPA stiegen 2018 die Anmeldungen aus der Schweiz um 7,8 Prozent auf 7’927. Die Wachstumsrate ist somit mehr als doppelt so hoch wie der EU-Schnitt mit 3,8 Prozent. Und: Erneut ist die Schweiz das Land mit den meisten Patentanmeldungen pro Million Einwohner – vor den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Deutschland und Finnland. So gesehen ist das Alpenland Innovationsweltmeister.
Roche, ABB und Nestlé liegen vorne
Doch wer treibt die Zahl der Anmeldungen derart in die Höhe? Die Podestplätze erstaunen kaum: Am meisten Patente angemeldet hat der Pharmakonzern Roche – im vierten Jahr in Folge. Platz zwei und drei belegen ABB und Nestlé. Den vierten Platz holt Novartis, gefolgt vom Verpackungshersteller Tetra Laval, zu dem etwa Tetra Pak gehört.
Allerdings gibt es unter den Top-Innovatoren auch weniger bekannte Unternehmen: So liegt auf Platz sechs etwa TE Connectivity. Das ursprünglich amerikanische Unternehmen entwickelt elektronische Netzwerktechnik wie Stecker, Kabel, Sensoren und Antennen und gehörte bis 2008 zum US-Konzern Tyco. 2009 verlagerte TE Connectivity mit einem Umsatz von zuletzt knapp 14 Milliarden Franken seinen Sitz von den Bermuda-Inseln nach Schaffhausen.
Ebenfalls kaum bekannt ist die Inventio AG auf Platz sieben. Die Firma gehört zum Lifthersteller Schindler und ist verantwortlich für sämtliche Bereiche des geistigen Eigentums des Schindler Konzerns. Umtriebig ist Inventio besonders in den Gebieten der Mechanik, Elektromechanik und Elektronik.
Innovativ unterwegs ist auch das Baselbieter Familienunternehmen Endress + Hauser. Der Anbieter von Mess- und Automatisierungstechnik verpasst nur knapp die Top Ten (siehe Grafik). Im vergangenen Jahr steigerte das Unternehmen mit weltweit fast 14’000 Mitarbeiter seinen Umsatz um 9 Prozent auf 2,4 Milliarden Franken. In die Liste der entwicklungsfreudigen Unternehmen schaffen es auch der Spritzen- und Medizinalgeräte-Hersteller SHL Medical mit Sitz in Zug und Nagravision, das innerhalb der Kudelski-Gruppe Verschlüsselungsprogramme für Pay TV entwickelt.
Nur drei Schweizer Unternehmen in den Top 50
Das Abschneiden der Schweiz ist zwar beachtlich. International gesehen fallen die Schweizer Konzerne jedoch ab. In die Top 50 schaffen es gerade mal drei: Roche (Rang 24), ABB (35) und Nestlé (49). Die Spitzenplätze belegen Siemens, Huawei, Samsung und LG. Mit 2493 Anmeldungen hat der deutsche Technologiekonzern Siemens fast viermal so viele Patente eingereicht wie Roche.
Immerhin: In der Sparte Biotechnologie belegt Roche weltweit den Spitzenplatz, während Novartis auf den zehnten Platz kommt. Dafür holt Novartis im Bereich Arzneimittel den zweiten Platz, während Roche auf Platz vier liegt.
Absolut gesehen kommen mit Abstand am meisten Anmeldungen in Europa von amerikanischen Unternehmen. Die USA haben insgesamt 43’612 Patente eingereicht, das zweitplatzierte Deutschland kommt gerade mal auf 26’734 Anmeldungen. Danach folgen Frankreich (10’317), China (9401) und schliesslich die Schweiz – vor Südkorea (7296), den Niederlanden (7140), Grossbritannien (5736) und Italien (4399).
BAK ermittelt die Weltklassepatente
Zwar ist die Anzahl Patentanmeldungen ein guter Indikator zum Erfindergeist. Allerdings sagt sie nichts über die Qualität der Patente aus. Die Konjunkturforschungsstelle BAK Economics ermittelt deshalb laufend eine Messgrösse namens Weltklassepatente. Diese spiegelt den wirtschaftlichen Wert eines Patents. Und da kann sich die Schweiz sehen lassen.
Zum Vergleich: 2016 gab es laut BAK in der Schweiz 37'000 aktive Patentfamilien im Bereich Zukunftstechnologien. China hingegen hatte rund dreimal mehr und kam auf 110'000. Vergleicht man aber nur die Anzahl der Weltklassepatente ist der Unterschied deutlich kleiner: So kommt die Schweiz auf 5000 und China auf 8000.