Den diesjährigen Nobelpreisträger für Wirtschaft, Angus Deaton, hat der Anruf der schwedischen Jury am Montag aus dem Schlaf gerissen. «Meine Güte, ich war ganz schön verschlafen!», sagte der in den USA lebende britisch-amerikanische Forscher.

«Ich war überrascht und erfreut, die Stimmen meiner Freunde vom Komitee zu hören», sagte der 69-Jährige, der bei der Pressekonferenz in Stockholm per Telefon zugeschaltet war. «Es war mir natürlich wie vielen anderen Ökonomen bewusst, dass es eine Chance dafür gab.»

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Wie man Konsumenten versteht

Er freue sich darauf, im Dezember zur Preisverleihung nach Schweden zu kommen. Der gebürtige Schotte lehrt an der US-Universität Princeton und bekommt den Preis für seine Analysen von Konsum, Armut und Wohlfahrt.

Ihn beschäftigen die Zusammenhänge von wirtschaftlicher Lage und Konsum mit Gesundheit und gefühltem Glück. Geld macht glücklich - aber nur bis zu einem bestimmten Jahreseinkommen. Diese Erkenntnis hat die Welt dem neuesten Wirtschafts-Nobelpreisträger zu verdanken. Armut hingegen mache Menschen sowohl unzufrieden als auch unglücklich, fand der heute 69-Jährige im Jahr 2010 zusammen mit Kollegen heraus. In Arbeit ist seinem Lebenslauf zufolge eine Schrift darüber, welche Rolle Glücksmessung in der Politik spielen könnte.

Auswirkungen wirtschaftspolitischer Entscheidungen

«Um eine Wirtschaftspolitik zu entwerfen, die das Wohlergehen fördert und Armut reduziert, müssen wir zuerst die individuellen Konsumentscheidungen verstehen», lobte das Komitee die Arbeit des 69-jährige Deaton, der in Schottland geboren wurde und seit 1983 an der Princeton University in den USA forscht und lehrt. «Mehr als jeder andere hat Angus Deaton dieses Verständnis verbessert.»

Konkret hob die Akademie drei wissenschaftliche Errungenschaften von Deaton hervor. Um 1980 hatte Deaton erstens gemeinsam mit dem Ökonomen John Muellbauer ein System entwickelt, um die Nachfrage für verschiedene Güter zu schätzen. Dieses System sei wichtig für wirtschaftspolitische Entscheidungen, heisst es in der Mitteilung. So helfe es Regierungen abzuschätzen, wie sich beispielsweise eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Konsum auswirke und welche sozialen Gruppen dabei verlieren oder gewinnen.

Zuvor hatten Ökonomen über Jahrzehnte grosse Probleme gehabt, ein System zu finden, das tatsächlich funktionierte. «Deatons System wird von Ökonomen und politischen Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt genutzt», sagte Nobeljuror Per Strömberg.

Die Individuen im Blick

Zweitens hob die Akademie Deatons Studien um 1990 hervor, die den Zusammenhang zwischen Konsum und Einkommen untersuchten. Dabei zeigte er auf, dass der Schlüssel zu einem besseren Verständnis von makroökonomischen Daten in der in der Betrachtung von Individuen liegt.

Und drittens würdigte die Akademie auch die jüngeren Arbeiten des Briten. Deaton nutzte für seine Ergebnisse die Befragung von Haushalten in Entwicklungsländern. Mit Hilfe von Daten zu den Konsumausgaben habe er Lebensstandard und Armut berechnet, erklärte die Akademie. Anstatt diese am Einkommen zu messen, habe er sich angesehen, was die Menschen konsumieren. «Und es stellte sich heraus, dass das ein viel besseres Mass für Armut ist», sagte Strömberg. Für seine Studien arbeitete Deaton mit der Weltbank zusammen.

Deaton ist daneben auch als Kritiker der Entwicklungspolitik bekannt: Im Interview mit SRF-Wirtschaftsmagazin «Eco» kritisierte er kürzlich, die derzeitige Entwicklungspolitik schade mehr als sie nütze. Die Flut der Hilfsgelder von aussen verhindere den Aufbau eines sozialen Vertrages zwischen der Regierung und den Bürgern.

Männliche Preisträger sind die Regel

Wieder geht der Preis mit Deaton in die USA - und an einen Mann. Das ist beim Wirtschafts-Nobelpreis die Regel. Nur einmal ging der Preis in den vergangenen Jahrzehnten an eine Frau: 2009 an die inzwischen verstorbene US-amerikanische Umwelt-Ökonomin Elinor Ostrom.

Nobel-Juror Strömberg sieht aber einen Trend zu mehr weiblichen Preisträgern – und mehr Kandidaten ausserhalb der USA. Weil es in Nordamerika jahrzehntelang die meisten Elite-Universitäten gegeben habe, werde noch oft Forschung von dort ausgezeichnet. Das ändere sich heute: «Immer mehr gute Universitäten tauchen in anderen Teilen der Welt auf», sagte er der dpa. 2014 hatte der Franzose Jean Tirole für seine Forschungen über Marktmacht und Regulierung den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten.

(sda/jfr)