Zuletzt kaufte niemand mehr. Im Gegenteil. Nachdem jetzt sogar der Schlüsselkunde Emirates seine Bestellung um 39 Exemplare kürzte und die australische Airline Qantas abbestellte, verkündet Europas Luftfahrtkonzern Airbus das Ende seines teuersten und ambitioniertesten Flugzeugprogramms A380. Die letzte Auslieferung des weltgrössten Passagierflugzeugs sei bereits für 2021 geplant, gab der Flugzeughersteller jetzt in Toulouse bekannt.
Die Produktion des doppelstöckigen Modells wird eingestellt, obwohl das Flugzeug gerade einmal seit gut zehn Jahren in Betrieb ist. Noch nie hat Airbus den Bau eines bedeutenden Flugzeugmodells so schnell beendet. Bis zum Ende der Auslieferungen werden es gerade einmal rund 250 Exemplare bei 14 Airlines sein.
Die Folgen sind gravierend. Etwa 3000 bis 3500 Beschäftigte sind von dem Aus in den nächsten drei Jahren betroffen, heisst es bei dem Flugzeughersteller. Hinzu kommen die Mitarbeiter in der Zulieferindustrie. Das Aus schlägt in der Airbus-Bilanz 2018 mit 463 Millionen zu Buche. Staatsdarlehen über mehrere Hundert Millionen Euro für die Entwicklung des Flugzeugs werden nicht mehr zurückgezahlt.
Ende für den Riesenflieger war abzusehen
Der scheidende Airbus-Konzernchef Tom Enders begründete das Aus für das Riesenflugzeug vor allem mit der Kürzung des Emirates-Auftrags von 162 auf 123 Flugzeuge, wovon jetzt nur noch 14 auszuliefern sind. Stattdessen bestellt die Golf-Airline 40 A330-900 und 30 A350-900, also etwas kleinere Modelle mit nur zwei, statt vier Triebwerken.
Zugleich stornierte die arabische Fluggesellschaft Etihad eine Order über 42 Exemplare des jüngsten Langstreckenjets A350, wie Airbus mitteilte. Damit hat Etihad nur noch 20 Maschinen des Typs zu bekommen.
Für den Riesenflieger A380 waren am Jahresanfang noch Aufträge für 79 Exemplare in den Büchern gestanden – jetzt schrumpft das Auftragsbuch schlagartig. Das Ende hatte sich zuletzt abgezeichnet. So fanden sich teilweise keine Kunden mehr für ausgemusterte A380-Modelle. Zwei A380 von Singapore Airlines sollen sie nun am Flughafen von Tarbes in Frankreich zerlegt werden.
Singapore Airlines war im Herbst 2007 der erste Kunde, der die A380 ausgeliefert bekommen hatte. Die für ihren Service bekannte Fluggesellschaft sorgte damals mit Doppelbetten in der Ersten Klasse für Aufsehen. Emirates wiederum machte die Bar im Obergeschoss des A380 und die dort gelegenen Duschen in der Business Class zu seinem Aushängeschild.
Um irgendwie noch neue Kunden für den laut Listenpreis 445,6 Millionen Dollar teuren A380 zu gewinnen, hatte Airbus vor zwei Jahren ein Paket mit neuen Kabinenoptionen für zusätzliche Sitzplätze vorgestellt. In einer Vier-Klassen-Konfiguration hat der Riesen-Airbus im Schnitt 497 Sitze. Einige Airlines wie Emirates bieten ihn jedoch mit 615 Sitzen in einer Zwei-Klassen-Auslegung an. Theoretisch ist der Riesenjet von den Luftfahrtbehörden sogar für maximal 853 Passagiere zugelassen.
Triumph für Boeing
Das Modell hat Airbus zwar viel Prestige, aber auch viele Kopfschmerzen beschert. Anfangs passten die Kabelstränge in der Produktion nicht zusammen, die Erstauslieferung verzögerte sich. Erst 2015 wurde erstmals die Gewinnschwelle erreicht – die Rückzahlung der angesammelten Milliardenverluste sollte anlaufen. Finanzvorstand Harald Wilhelm, der zu Daimler wechselt, dachte aber bereits Ende 2014 vor Analysten laut über eine Einstellung nach.
Airbus drosselte die Produktion bereits letztes Jahr von 15 auf 12 Stück. In diesem Jahr soll sie eigentlich auf acht Exemplare sinken, ab 2020 dann auf sechs jährlich.
Das A380-Ende der Europäer ist vor allem ein grosser Triumph für Boeing. Der US-Konzern hatte von Beginn an behauptet, dass es sich für die Europäer nicht rechnet, alleine das Wagnis zum Bau des Riesenflugzeugs einzugehen, nachdem anfängliche Überlegungen für ein gemeinsames Modell geplatzt waren. Fast trotzig bauten die Europäer dann selbst ein Flugzeug, noch grösser als der Jumbo-Jet 747 von Boeing, der Königin der Lüfte, wie das Modell auch bezeichnet wird.
Zur Ironie der Luftfahrtgeschichte gehört, dass ausgerechnet im 50. Jubiläumsjahr des Boeing-747-Erstflugs nun das Ende für das Konkurrenzmodell aus Europa verkündet wird. In diesem Jahr feiert Airbus zudem das 50. Jahr seiner Gründung und mit dem Eingeständnis, dass sich sein teuerstes Modell mit einem Listenpreis von über 400 Millionen Euro selbst mit Rabatten nicht verkaufen lässt.
Ende der Ära vierstrahliger Flugzeuge
Dabei war Airbus einst in der Hoffnung angetreten, dass Boeing seinen Jumbo Jet einstellt, wenn der A380 auf den Markt kommt. Zwar gibt es aktuell für die letzte Version des 747-Modells auch nur noch Aufträge für Frachtversionen, aber es wurden bereits über 1500 Jumbos gebaut. Zahlen, von denen Airbus nur anfangs träumen konnte, als noch von einer Jahresproduktionsrate von 40 Riesenjets und mehr geträumt wurde.
Zuletzt bestand die Hoffnung, vielleicht mit einer Jahresrate von sechs Modellen jährlich noch etwas Zeit zu gewinnen, bis wieder Aufträge hereinkommen. Eine Frachtvariante hat Airbus beim A380 nach anfänglichen Überlegungen wieder gestrichen.
Für das A380-Aus gibt es mehrere Gründe. So wagte der britische Triebwerkehersteller Rolls-Royce keine Grossinvestitionen mehr in die Triebwerke, um eine A380-Kerosinsparversion (A380Neo) auf den Markt zu bringen. Mit dem A380-Ende zeichnet sich bei Airbus auch ein Ende der Ära mit vierstrahligen Flugzeugen ab, nachdem auch das A340-Modell mit vier Triebwerken nicht mehr gebaut wird.
Riesenverlust für Europas Steuerzahler
Airbus schaffte es zudem nicht, das A380-Modell in grossen Stückzahlen in Asien, insbesondere in China und Japan zu verkaufen. Zudem wurde immer mehr Kritik an der Unwirtschaftlichkeit des Modells im Vergleich zu neuen Modellen wie etwa dem künftigen Boeing-Modell 777X oder dem Airbus A350 laut – beides Modelle mit zwei Triebwerken.
Der Chef der Golfairline Qatar Airways, Akbar al-Baker, verkündete soeben, dass er keine weiteren A380 kauft. Das Flugzeug sei zu schwer, weil der Flügel eigentlich für eine noch größere Variante mit dann etwa 1000 Passagieren ausgelegt wurde. Tatsächlich ist das Modell für 853 Passagiere plus 20 Besatzungsmitglieder zugelassen, auch wenn diese Maximalbelegung von einer Airline genutzt wird. Aus Versicherungskreisen ist zu hören, dass es für einen Jet mit 1000 Passagieren wegen der riesigen Haftungssummen bei einem Absturz womöglich kaum mehr von den Prämien zu bezahlen wäre.
Während es bei Airbus heisst, dass ein Ende des A380-Modells wirtschaftlich zu verkraften wäre, ist es für Europas Steuerzahler ein Riesenverlust. Airbus hatte es nie genau beziffert, aber die Entwicklungskosten dürften etwa 15 Milliarden Euro betragen. Nach dem europäischen Modell der staatlichen Flugzeugfinanzierungshilfen haben die Airbus-Kernnationen Deutschland, Frankreich, Spanien ein Drittel der Entwicklungskosten als rückzahlbare Darlehen gewährt. Mit jedem ausgelieferten Riesenjet musste etwas vom Darlehen getilgt werden.
So schuldete die deutsche Airbus-Tochter dem Bundeswirtschaftsministerium Ende 2016 immerhin noch 759 Millionen Euro aus dem A380-Programm. In der Bilanz 2017 gab es dann schon grössere Umbuchungen. Wie gross jetzt der Schaden aus der A380-Einstellung für den deutschen Steuerzahler ist, wurde zunächst nicht bekannt.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel «Triumph für Boeing, Riesenverlust für Steuerzahler».