Der Aufschrei war gross in Basel, als der Chemie-Konzern Clariant im Jahr 2010 die Verlagerung seiner Produktion von Textilfarbstoffen und -chemikalien von Muttenz nach -Asien und Spanien vermeldete. 400 Stellen waren betroffen. Gewerkschafter und Angestellte protestierten mit schwarzen Ballonen und Transparenten lautstark gegen den Entscheid.

In der Zwischenzeit haben sich die Gemüter wieder beruhigt. Ein Grund dafür ist, dass Clariant nach dem Teilabzug aus Schweizerhalle an ihrem früheren Standort neue Firmen angesiedelt hat. Unter dem Namen «Infrapark Baselland» ist dort in den vergangenen Jahren der grösste Chemiepark der Schweiz entstanden und mit ihm 200 neue Arbeitsplätze.

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Neue Firmen nutzen vorhande Infrastruktur

Der Infrapark in Muttenz ist kein Einzelfall. In der Schweiz wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Industrieparks aufgebaut. Auf grossen Industrieareale alteingesessener Unternehmen lassen sich neue Firmen nieder und profitieren dabei von der bestehenden Infrastruktur und gemeinsam genutzter Dienstleistungen.

Als Pionier in der Schweiz gilt der Solvay Industriepark Zurzach. Das 240'000 Quadratmeter grosse Gelände am Rhein diente einst dem belgischen Chemiekonzern Solvay als Produktionsstätte. 1999 öffnete das Unternehmen sein Areal für Drittfirmen. Seit dem Abzug der Produk-tion im Jahr 2004 konzentriert sich Solvay gänzlich auf die Verwaltung des Areals.

Laut der Immobilienberatungsfirma Wüest & Partner werden in der Schweiz rund 117 Millionen Quadratmeter als Industrieflächen genutzt, viele davon aus historischen Gründen an überaus interessanten Lagen. Durch den Strukturwandel werden solche Flächen immer wieder frei. Areale in Zentrumsnähe oder an idyllisch gelegenen Orten werden häufig als Büro-, Wohn- und Freizeitflächen  umgenutzt.

Flächenangebot beschränkt

Doch dies ist nicht überall sinnvoll. Zumal das Flächenangebot für Produktionsfirmen hierzulande beschränkt ist. «Heute sind in der Schweiz nicht mehr viele grosse Flächen verfügbar und der Bau einer Produktionsstätte auf der grünen Wiese ist schwierig», sagt Martin Durchschlag, Chef des Arealentwicklers Hiag.

Eine Umnutzung kam in Zurzach nicht in Frage. «Man kann den Standort nicht verkaufen, da er belastet ist», sagt  Michael Odenwald, Standortleiter von Solvay in der Schweiz. Eine Nutzung als Industriepark sei daher eine geeignete Lösung. Zumal die Firma mit dem Industriepark einen Umsatz von 3,5 Millionen Franken pro Jahr erzielt.

Gebäude voll ausgebucht

Die Gebäude sind heute voll ausgebucht, für konkrete Ausbaupläne gibt es noch Freiland. Neben der Vermietung der bestehenden Infrastruktur 
an kleinere Industrieunternehmen und -Startups bietet der Betreiber zentrale Dienstleistungen für die Mieter an. Neben einer Strom-, Wasser-, Dampf- und Druckluftversorgung ist dabei an eine mechanische und eine elektrische Werkstatt sowie an Logistikdienstleistungen zu denken.

Obwohl in der Vergangenheit nur Chemie-Produktionsstätte, richtet sich der Solvay Industriepark Zurzach nicht an eine einzelne Branche. Heute nutzen rund 30 Unternehmen, vom Einmanndienstleister bis zum Produktionsbetrieb mit 55 Mitarbeitern, die Infrastruktur des Industrieparks und die Serviceleistungen.  «Wir betreiben keinen Chemiepark, sondern stehen allen Branchen offen», sagt Odenwald.

Ähnliche Firmen bündeln

Die Entwicklung von themenorientierten Industrieparks gehört auch zu den zentralen Aufgaben von RUAG Real Estate (RRE). An sechs Standorten sind Areale für Schweizer KMU mit gemeinsam genutzten Dienstleistungen geplant. «Die Themenorientierung ist insofern entscheidend, als mit Industrie 4.0 nicht mehr jeder Anbieter alles selber machen muss», sagt RRE-Chef Hans Rudolf Hauri.

Es brauche nicht jeder Betrieb ein Personalrestaurant oder einen Maler, und selbst komplexere Tätigkeiten wie 
die Oberflächenbehandlung werden an eigenständig organisierte Einheiten ausgelagert. «In einem Industriepark sollen jene Firmen zusammenarbeiten, die an ähnlich gelagerten Wertschöpfungsketten 
tätig sind», so Hauri.

Aviatik-Cluster in Nidwalden

In Stans beispielsweise plant die Nidwalden AirPark AG (NAPAG), an der RRE eine Mehrheitsbeteiligung hält, den Airpark, der sich ganz der Luftfahrtindustrie widmet. Durch die beiden Schweizer Flugzeugbauer Pilatus und Lightwing hat sich dort bereits einen kleineren Aviatik-Cluster gebildet. Nun sollen weitere Unternehmen aus dem In- und Ausland den Weg nach Nidwalden finden.

Angesprochen sind Mieter und Investoren. «Die Fäden laufen bei der NAPAG zusammen, denn wir wollen nicht, dass Firmen angesiedelt werden, die nicht in diese Wertschöpfungskette passen und damit das Gleichgewicht am Standort gestört wird», sagt Hauri.