Während die Welt auf die US-Präsidentschaftswahl schaut, richten viele Unternehmen ihren Blick auf die Kongresswahlen. Nestlé, UBS und Co. finanzieren zahlreiche Einzelkandidaten, -kandidatinnen und Interessengruppen. Die Novartis fördert zum Beispiel seit Jahren mit gesamthaft mehreren hunderttausend Dollar die republikanische Organisation Gopac, die aussichtsreiche Konversative für höhere Ämter aufbaut und unterstützt. Das ist besser investiert, als direkt an Trump oder Harris zu spenden.
Was hierzulande oft untergeht: Bei der US-Wahl Anfang November werden auch alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und 34 der US-Senatorinnen und Senatoren neu gewählt, zudem die Gouverneure in elf Staaten und zwei Territorien sowie die Parlamente in 44 der 50 Bundesstaaten. Die parlamentarischen Kräfte und die Bundesstaaten sind für die Interessen der Wirtschaft oft von grösserer Bedeutung als die Frage, wer im Weissen Haus sitzt.
Der US-Kongress und die Landesparlamente entscheiden über viele Gesetze, die Unternehmen direkt betreffen – etwa Steuergesetze, Regulierungen, Arbeitsgesetze und Umweltvorschriften. Der Präsident benötigt für seine Vorhaben meist die Zustimmung des Kongresses. Und dessen Unterstützung ist ihm nicht mal sicher, wenn seine Partei beide Kammern kontrolliert, was sich zum Beispiel im langen Gezerre um den Inflation Reduction Act (IRA) zeigte. Bidens Vorgängerplan Build Back Better scheiterte an einer Stimme aus dem eigenen Lager: an jener von Senator Joe Manchin aus West Virginia. Der Fall zeigte, dass auch einzelne Abgeordnete eine enorme Macht haben können. Kein Wunder, versuchen auch Schweizer Unternehmen, jene Kandidatinnen und Kandidaten für den Kongress zu unterstützen, die ihre Interessen vertreten.
Unternehmen wollen profitieren
Viele Regulierungen, besonders in Bereichen wie Finanzen, Gesundheit, Umwelt und Technologie, werden auf bundesstaatlicher Ebene durchgesetzt. Um auf diese spezifischen Regeln Einfluss zu nehmen, investieren die Unternehmen in die Wahlen der Bundesstaaten. Der US-Kongress hat die Macht über den Bundeshaushalt und die Steuerpolitik. Die Unternehmen können also davon profitieren, wenn Abgeordnete gewählt werden, die die Unternehmenssteuern senken oder bestimmte wirtschaftliche Anreize schaffen. Auch auf Bundesstaatsebene können Parlamente über Steueranreize, Subventionen und andere wirtschaftspolitische Massnahmen entscheiden, die für Unternehmen wichtig sind.
Und während die Präsidentschaft auf vier beziehungsweise mit einer Wiederwahl auf acht Jahre begrenzt ist, kann ein politisch gut vernetzter Abgeordneter oder eine Senatorin über Jahrzehnte Einfluss auf die Gesetzgebung und Regulierung nehmen. Durchschnittlich waren die aktuellen Kongressabgeordneten Anfang 2023 bereits 8,5 Jahre im Amt, die Senatoren und Senatorinnen im Schnitt seit mehr als 11 Jahren. Sie stehen ausserdem in den Startlöchern für höhere Ämter. Für Schweizer Firmen kann sich das Investment in diese wertvollen Fürsprecher entsprechend langfristig auszahlen.