Sanft wiegen sich Raps und Weizen in der kanadischen Prärie im Wind. Dort sind die Sommer zu kurz, um Mais in grossem Stil anzubauen. Doch Agrarchemiegiganten wie Monsanto, DowDuPont oder Syngenta tüfteln an schnellreifendem Mais, der es Landwirten ermöglichen soll, in Kanada und anderen Regionen mit klimatisch unwirtlichen Bedingungen wie etwa der Ukraine mehr anbauen zu können.

Monsanto prognostiziert, dass sich der Mais-Anbau im Westen Kanadas bis 2020 auf mehr als vier Millionen Hektar verzwanzigfachen könnte. Die weltweite Produktion würde damit um rund drei Prozent steigen. Doch die Frage ist: Braucht die Welt mehr Mais? Schon jetzt quellen die Getreide-Vorräte in den Lagern über, die Preise sind auf Talfahrt. Mit einem noch grösseren Überangebot würden sich die Hersteller selbst schaden.

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Prall gefüllte Lager

Im vierten Jahr in Folge gibt es weltweit einen Überfluss an Getreide, begünstigt vom Wetter, dem Einsatz von High-Tech in der Landwirtschaft und robusteren Pflanzenzüchtungen. Nie zuvor wurde auf der Welt so viel mehr Essen produziert als in einer Saison konsumiert werden kann. US-Daten zufolge legten die weltweiten Getreidelagerbestände 2016/17 auf ein Rekordhoch von 638 Millionen Tonnen zu. Im September erreichten die US-Maisvorräte sogar das höchste Niveau seit 29 Jahren.

Selbst bei trockenen Wetterbedingungen in Nordamerika, Europa und Australien erwartet das US-Landwirtschaftsministerium in diesem Jahr die weltweit bislang zweitgrösste Ernte bei Mais, Weizen und Soja. «Ich denke, die Norm ist, wo wir nun stehen», sagt Bryan Agbabian, Agrarexperte bei Allianz Global Investors. Diese Einschätzung wird offenbar auch von Investoren geteilt, denn der Wert der zwei von ihm gemanagten Agrarfonds sank auf 300 Millionen Dollar von noch 800 Millionen im Jahr 2011.

Das Problem ist die Verteilung

Zwar hat das üppige Angebot weltweit zu niedrigeren Nahrungsmittelpreisen geführt, aber der Vorteil für Konsumenten und unterernährte Bevölkerungsgruppen wird von verschiedenen Faktoren gedämpft. Probleme bereiten etwa Korruption und die Verteilung von Lebensmitteln in Entwicklungsländern, wie der Wissenschaftler Sylvain Charlebois von der kanadischen Dalhousie Universität sagt.

Nach Einschätzung von John Baffes, Chefökonom bei der Weltbank, schaden die üppigen Ernten sogar den ärmeren Regionen, weil die daraus folgenden niedrigeren Preise die Einnahmen der Farmer drücken.

Hersteller leiden unter Überproduktion

Selbst wenn die Landwirte eine reiche Ernte einfahren, wird sich der Nettogewinn in der US-Landwirtschaft in diesem Jahr auf 63,4 Milliarden Dollar belaufen und damit nur auf etwa die Hälfte des Gewinns 2013, prognostiziert das US-Landwirtschaftsministerium. Niedrigere Einkommen für Landwirte bedeuten auch geringere Ausgaben für Saatgut, Düngemittel und Maschinen - das bekommen auch die Hersteller zu spüren.

Sie suchen unter anderem auch deshalb ihr Heil in Zusammenschlüssen und Übernahmen. Monsanto wies 2016 den niedrigsten Jahresgewinn in sechs Jahren aus. Die Amerikaner stimmten im vergangenen Jahr einer Übernahme durch den Leverkusener Bayer-Konzern zu, nachdem sie sich selbst zuvor am Basler Pflanzenschutzspezialisten Syngenta die Zähne ausgebissen hatten. Dieser ging letztlich an die chinesische ChemChina.

Anbau attraktiv

Monsanto-Sprecherin Trish Jordan verteidigt die Pläne der Amerikaner für den schnell wachsenden Mais. Das Nachfragewachstum rechtfertige den Ausbau auf diesem Gebiet. Der Mais-Anbau ist trotz niedrigerer Preise für kanadische Landwirte attraktiv, sichert er diesen doch nach Einschätzung von Analyst Greg Colman von der National Bank viermal höhere Gewinne je Acker (1 Acre = 0,4 Hektar) als Raps.

DowDuPont verkauft gegenwärtig schon den schnellstwachsenden Mais in Nordamerika, der in 70 Tagen reift. Im sogenannten «Corn Belt», eine Region im Mittleren Westen der USA, in der traditionell vornehmlich Mais angebaut wird, benötigt dieser noch 105 bis 115 Tage bis zur Ernte, nachdem es 120 Tage in den 1960ern waren. In North Dakota benötigen Landwirte 80 Tage bis zur Maisernte und haben die Produktion dort innerhalb von fünf Jahren verdoppelt.

Überangebot ist generell ein Problem

Paul Thomas, der auf seiner Farm in North Dakota seit fast einem Jahrzehnt Mais und Sojabohnen anbaut, gibt sich trotz des Überangebots gelassen. «Wenn wir am Ende überproduzieren, dann wechseln wir einfach zu etwas, das mehr benötigt wird. So läuft es eben in der Landwirtschaft.» Dieser traditionelle Ansatz funktioniert heute aber nicht mehr so einfach, muss er selbst eingestehen.

«Ich kenne keine einzige Getreidesorte, bei der es kein Überangebot gibt.» Monsanto setzt derweil darauf, dass Mais bis Mitte der 2020er Jahre eines der am stärksten produzierten Getreide in Kanada sein wird. Seine Maissorte, die noch schneller wachsen soll als die von DowDuPont im Nordamerika, soll innerhalb der nächsten zwei Jahre auf den Markt kommen. Das sei ein ambitioniertes Ziel, aber realistisch, glaubt Monsanto-Manager Kelly Boddy. «Drehen Sie die Uhr ein paar Jahre zurück, da hätte das noch kein Züchter für möglich gehalten.»

(bloomberg/mbü)