Es sei «das erste seiner Art in der Lebensmittelindustrie», sprach Nestlé-Konzernchef Mark Schneider vor Wochen stolz, bevor er das Einweihungsband für das firmeneigene Institute of Packaging Sciences im hauseigenen Forschungszentrum bei Lausanne durchschnitt. Konzernpräsident Paul Bulcke hatte zuvor über gesellschaftliche Verantwortung seiner Branche gesprochen, Schneider verkündete gleich noch neue Umweltstandards für Nestlé: Bis 2050 sollen die Treibhausemissionen des Unternehmens auf null sinken, sollen alle Fabriken mit grünem Strom laufen – ein Doppelschlag in Sachen Umweltschutz. Und umgehend tritt Nestlé der Vereinbarung der Pariser Klimakonferenz bei, den globalen Temperaturanstieg nicht auf 2 Grad, sondern auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Der Nachhaltigkeits-Hattrick.
180 Forscher im Konzern tüfteln an neuen Verpackungen, wollen etwa Plastik durch natürliches Papier ersetzen, trotz rigoroser Lebensmittelschutzgesetze. Nestlé launcht im Wochentakt Produkte wie einen milchfreien Caffè Latte, Velos aus rezyklierten Nespresso-Kapseln oder aus Pflanzen hergestelltes Hackfleisch und Burger für die aufstrebende Nachhaltigkeits-Eigenmarke Garden Gourmet.
Bei Nestlé sind ganz neue Zeiten angebrochen. Noch vor drei Jahren war das eine von Selbstgewissheit durchdrungene Firma mit einer insularen, auf ihr eigenes Ökosystem im beschaulichen Vevey gerichtete Kultur, die für Maggi, Mövenpick und Wagner-Pizza stand (die alle weiterhin bei Nestlé sind). Inzwischen hat sie Augen und Ohren für gesellschaftliche Debatten geöffnet, spielt mit den globalen Nachhaltigkeits-Trends zu Food (gesundes Essen, lokale Produkte, wenig Fleisch) und Umwelt (Reuse, reduce, recycle) auf Ballhöhe und versucht, beim nächsten Megathema, der personalisierten Ernährung, in eine Führungsrolle zu kommen. So lancierte Nestlé 2018 in Japan Blut- und DNA-Tests. Kunden, die ihre Daten freigeben, erhalten eigens für ihre Bedürfnisse zusammengestellte Nahrungszusätze.