Der Karrieresprung kam, noch bevor der Angestellte den neuen Job angetreten hatte: David Becher hatte sich 2003 auf ein Inserat der Bank Coop gemeldet, die für März 2004 einen Leiter des Geschäftsbereiches Vertrieb suchte. Doch schon schon Anfang Februar 2004 wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung befördert. «So musste ich also», sagt er in seinem Basler Büro, «sozusagen als erste Amtshandlung meinen Nachfolger bestimmen.»
An den Wänden hängen noch die Bilder, die Bechers Vorgänger aufgehängt hat, weil sie auch ihm gefallen. Ausserdem zieht er demnächst in den fünften Stock, «ich komme zwei Etagen höher», meint er augenzwinkernd. Noch ein bisschen fremd wirkt er und fast erstaunt darüber, dass er heute da sitzt, wo er sitzt: In Basel, am Aeschenplatz, mit Blick auf das Botta-Gebäude.
Jetzt ist der studierte Jurist also oberster Kopf der Bank Coop. Der Bank, die ihren optischen Auftritt mit Coop teilt. Und die dennoch auch innerhalb der Schweiz wenig bekannt ist. Ihren Bekanntheitsgrad zu steigern, betrachtet Becher als eine seiner wichtigsten Aufgaben. Ein wuseliger Typ, dieser Mann. Kein Gramm Fett am Leib, und von frappierender Offenheit: «Ich bin sehr direkt und scheue die Diskussion nicht.» Heute, nach ein paar Monaten Einarbeitungszeit, weiss er, dass seine unprätentiöse, unverblümte Art für die Mitarbeiter zunächst gewöhnungsbedürftig war, «manchmal falle ich mit der Tür ins Haus».
Inzwischen ist er vorsichtiger geworden, kennt die Probleme der Bank. Eine Menge Unsicherheiten habe die Situation der vergangenen 10 Jahre mit sich gebracht. Und einen Kulturenmix unter den Angestellten herbeigeführt. Denn ein Teil der Mitarbeiter stammt noch aus Zeiten der GZB, der Genossenschaftlichen Zentralbank, ein weiterer Teil aus der Zeit der Coop Bank, die 2000, nachdem die Basler Kantonalbank zur Hauptaktionärin geworden war, in Bank Coop umgetauft wurde. Zuvor hatte das Geld-institut Risiko- und Liquiditätsprobleme.
Klares Profil als anständige Bank schaffen
Davon überzeugt, dass sich eine positive Identifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Bank auch auf die Kunden auswirkt, hat er seine Aufgabe fokussiert.
«Wenn ich etwas bewegen will in dieser Bank, dann werde ich bestimmt irgendetwas im zwischenmenschlich-kulturellen Bereich unternehmen.» Dann, so glaubt er, habe die Bank auch weniger Mühe mit der Positionierung. Das Geldinstitut bekannt zu machen und mit einem klarem Profil auszustatten, ist seine grösste Herausforderung.
Anders als die Hauptkonkurrentin Migros Bank, die in den letzten Jahren ihre Bilanzsumme auf 28 Mrd Fr. verdreifachen konnte, kämpft die Bank Coop noch immer mit dem Mauerblümchendasein.
«Dabei», ereifert sich Becher, «ist sie mit 10 Mrd Fr. Bilanzsumme durchaus nicht klein und gehört zusammen mit der Basler Kantonalbank sogar in die Top Ten der Schweiz».
Nur ist das nicht überall bekannt. Da die Banken alle mehr oder weniger dieselben Dienstleistungen anbieten, glaubt Becher, dass sich die Bank Coop durch eine gute Beratung abheben könne. Oder aber, indem sie das Image einer ehrlichen, ethisch sauberen Bank pflegt, einer Bank, die nicht etwa den Dreiseen-Staudamm in China finanziert.
Die Werte, die die Bank vermitteln soll, könnten ehrbarer nicht sein: Anstand, Qualität, Ehrlichkeit und Frauenförderung zählt Becher zu den Tugenden, die die Glaubwürdigkeit auch nach aussen transportieren sollen.
Nicht von ungefähr ist es ihm ein Anliegen, seine Strategie so klar wie möglich zu kommunizieren. Denn was es heisst, wenn der Arbeitgeber pausenlos reorganisiert und restrukturiert, hat Becher am eigenen Leib erfahren. Als ausgesprochenes «Credit-Suisse-Gewächs» verbrachte er 18 Jahre bei der zweitgrössten Schweizer Bank.
David Becher schätzt die Kontinuität
Elf Funktionen hatte er inne, mitunter 700 Leute unter sich, zwölf Chefs und «fast ebenso viele Reorganisationen». Jetzt schaut er etwas streng über den Brillenrand und murmelt: «Wenn sie dann von Firmenkultur sprechen wollen, wird es etwas schwierig». Stolz ist er dennoch darauf, es trotz der widrigen Umstände immer wieder in führende Positionen geschafft zu haben.
Rein äusserlich der typische Banker, diskreter Anzug, Krawatte, Brille, sorgfältig frisiert. Fleissig ist er, diszipliniert, organisiert. Er beschreibt sich als typisch schweizerisch. «Mein grösstes Vergehen aus der Sicht meines Vaters ist, dass ich mit 14 Jahren lange Haare trug.» Seine grösste Untugend sei eine Standardantwort unter Managern die Ungeduld. Becher mag es unbürokratisch und schnell. Von Arbeitsgruppen, in denen mühsam Meinungsfindung betrieben wird, hält er nicht viel, «bei einer einfachen Fragestellung kann man auch einfach dadurch, dass man miteinander spricht, zu einer Lösung kommen».
Schon früh war dem Sohn eines Schauspielers klar, dass er eher der rational denkende, der lineare Typ sei, weniger der innovative, kreative. Vielleicht hätte er lieber Nationalökonomie studiert, hat sich aber dann aus pragmatischen Gründen für Jura entschieden, «da spielt Mathe keine Rolle». Dennoch hat er nicht auf die juristische Laufbahn gesetzt und sofort nach dem Hochschulstudium in Zürich beim Bankverein zu arbeiten begonnen.
Dann kam die lange Spanne der 18 Jahre bei der Kreditanstalt, der späteren Credit Suisse. Becher, so scheint es, schätzt Kontinuität. Dem Freund aus Jugendtagen, der einst seinen alten Fiat flickte und heute Chef einer VW-Werkstatt ist, ist er treu geblieben und daher «eben VW-Fahrer».
Er wollte es noch einmal wissen
Zusammen mit seiner Frau wohnt er in der Nähe Zürichs. Die beiden haben, nach eigener Aussage, «zwei Kinder»: «eine Apotheke und die Bank». Der Alltag wird von der jeweiligen Arbeit des Paares dominiert, vor halb 9 abends ist Becher selten zu Hause, Geschäftsessen nicht eingerechnet. Bleibt wenig Zeit für die Hobbys wie Skifahren, Badminton oder Joggen, seine Leidenschaft. Mindestens dreimal pro Woche zieht er die Laufschuhe an und rennt viele Kilometer, «die beste Gelegenheit zum Nachdenken». Ist der Bank-Coop-Chef dann wieder zu Hause, schreibt er auf, was ihm in den Sinn gekommen ist. Doch weil seine Gattin diese Leidenschaft fürs Joggen nicht teilt, hat das Paar gemeinsam zu golfen begonnen. Hin und wieder steht ein Konzert in der Tonhalle Zürich auf dem Programm. Er zuckt bedauernd die Schultern, «mehr ist ausserhalb der Ferien bei all der Arbeit kaum drin».
Dass diese Anfangszeit zeitintensiv würde, war programmiert. Für Becher kein Grund zur Klage. Energie hat er in Hülle und Fülle. Gleich zu Beginn hat er die 33 über die gesamte Schweiz verteilten Geschäftsstellen besucht, ist 16000 Kilometer gefahren. Schliesslich war ein Grund, die Credit Suisse zu verlassen, die Tatsache, dass dort bereits mit 58 frühpensioniert wird. Das ist dem 47-Jährigen definitiv zu früh. «Ich entschied mich dafür, noch einmal eine Herausforderung anzunehmen.»
Profil: Steckbrief
Name: David Becher
Funktion: Vorsitzender der Geschäftsleitung Bank Coop, Basel
Geboren: 14. September 1957
Wohnort: Uitikon-Waldegg
Familie: Verheiratet
Transportmittel: Audi A4/VW Passat
Karriere:
Seit 1988 bei der SKA;
2003-2004 Credit Suisse Bern, Leiter Privatkunden Region Mittelland;
seit 1.3.04 Leiter Vertrieb Bank Coop, Basel;
ab 1. Juli 2004 Vorsitzender der Geschäftsleitung
Firma:
Bank Coop mit Sitz in Basel wurde 1927 vom Verband Schweizerischer Konsumvereine (heute Coop) zusammen mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund als «Genossenschaftliche Zentralbank» gegründet. 1970 Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. 1995 erfolgte die Umbenennung in «Coop Bank». Am 20. Dezember 1999 übernahm die Basler Kantonalbank die Mehrheitsbeteiligung, worauf dann 2001 aus Coop Bank die Bank Coop wurde. Zurzeit hat das Geldinstitut rund 700 Beschäftigte und weist eine Bilanzsumme von ungefähr 10 Mrd Fr. aus.