Eine Grossplastik des Zürcher Künstlers Felix Fehlmann auf dem Firmengelände gibt augenfällig die Richtung wieder, die der Zuger Schraubenlogistiker Bossard wirtschaftlich eingeschlagen hat: Der Pfeil weist zügig nach oben. David Dean, langjähriger Finanzchef und nunmehriger CEO des Traditionsunternehmens, konnte dieser Tage ein stolzes Umsatzplus und eine Gewinnverdoppelung für 2004 vermelden. Nach schwierigen Jahren habe das Geschäft mit den Schrauben im letzten Jahr kräftig angezogen, sagt der 46-Jährige. Die Konjunktur habe sich erholt, die Nachfrage sei gestiegen.
An der Zuger Steinhauserstrasse herrscht dieser Tage denn auch ökonomisch eitel Sonnenschein. «Für das laufende Jahr sind wir zuversichtlich, das Rekordergebnis von 1999 zu überbieten», so Dean. Nüchterne Zufriedenheit schwingt in seiner Stimme mit, keine Aufgeregtheit angesichts der erfreulichen Aussichten. Das gründe primär in seinem Wesen, zuckt der sportlich wirkende Manager die Schultern «ich bin eher der sachliche Typ, emotionale Ausschläge liegen mir nicht».
Das schwierige Jahr
Die Karriere des David Dean, der mit Frau und zwei Söhnen in Volketswil lebt, ist bis anhin in geordneten Bahnen verlaufen. KV-Stifti, aus Vernunftsgründen eher denn aus innerem Antrieb, Abstecher nach England («trotz meines Namens, er stammt von meinem Vater, einem Inder, musste auch ich erst einmal Englisch lernen») und später in die Logistikbranche. Danach Berater und Kaderpositionen bei PricewaterhouseCoopers, dann, Anfang der 90er Jahre, der Wechsel zu Bossard.
Das Unternehmen habe er bereits aus seiner Zeit als Berater gekannt, erzählt David Dean, «und es ist mir schon damals positiv aufgefallen». Die Freundlichkeit am Empfang, die Führungskultur, das allgemeine Klima viel Überredungskunst habe es nicht gebraucht, als er angefragt worden sei, ob er nicht als Controller in die Finanzabteilung des Verbindungstechnikers und Schraubenlogistikers eintreten wolle. 1997 wurde Dean Finanzchef, 2006 hätte er die Führung der Gesamtgruppe übernehmen sollen. Doch es kam anders.
Im letzten Dezember verunglückte Konzernchef Heinrich Bossard in Neuseeland tödlich, seine Frau überlebte den Flugzeugabsturz schwer verletzt. Familie und Belegschaft waren bestürzt, geschockt. Wie damals schon, im September 2001, als der langjährige Verwaltungsratspräsident und damalige Regierungsrat Peter Bossard im Zuger Kantonsratssaal Opfer des Amokläufers wurde. David Dean hält kurz inne. «Wir haben», sagt er dann, «auf eindrückliche Weise erleben müssen, dass das Undenkbare urplötzlich zur Tatsache werden kann und das gleich zweimal kurz hintereinander.»
Dass das Unternehmen mit seinen 1500 Angestellten schadlos aus dieser schwierigen Situation hervorgegangen ist, schreibt der neue CEO explizit der über die Jahrzehnte hinweg geformten Firmenkultur zu. Heinrich Bossard, der die Firma als Patron nach aussen hin verkörpert hat, habe stets Weitsicht bewiesen, habe frühzeitig vor Problemen gewarnt und in der Schublade bereits entsprechende Lösungsvorschläge gehortet. Seine Nachfolge habe er mit 60 geregelt gehabt. «Er hat stets nach vorne geschaut, und genau so haben wir es nach einer Phase der Trauer auch getan; das Unternehmen soll weiterhin erfolgreich sein, jetzt halt ohne Heinrich Bossard», resümiert Dean, ohne dabei pathetisch zu klingen.
Schrauben, auch zuhause
Schrauben, Schrauben, Schrauben. Abgepackt in Kisten, Kästchen und Kartons. «Aha, du machst jetzt also in Schrauben» der ehemalige Wirtschaftsprüfer erinnert sich noch gut an die Reaktionen aus seinem Umfeld, als er vor über zehn Jahren die Branche gewechselt hat.
Fast mitleidig hätten einige Kollegen von diesem Schritt Kenntnis genommen. Dabei sei die Branche alles andere als lahm, die Materie alles andere als langweilig. «Die Probleme, mit denen wir als eigentliches Kompetenzzentrum für Verbindungstechniken täglich konfrontiert werden, sind vielfältig, ebenso die Kundschaft», führt Dean aus und erwähnt, dass er wohl zu rund einem Drittel seiner Arbeitszeit auf Reisen sei. In Europa, Asien, Amerika. Auf Visite bei einem der weltweit 25000 Schraubenproduzenten, bei einem Kunden oder einer der verschiedenen Bossard-Gesellschaften. «Man ist sich gar nicht bewusst, wo überall geschraubt wird, Handys, Stereoanlagen, S-Bahnen; oft sind die Schrauben so klein, dass man sie gar nicht sieht.» Versteht sich von selbst, dass im Hause Dean eher zum Schraubenzieher gegriffen wird denn zum Hammer oder zur Tube, soll etwas längerfristig an der Wand befestigt werden.
An langfristigen Bindungen interessiert
Die Welt, sie sei in den letzten Jahren klein geworden, stellt David Dean fest. Überall dieselben Fertigungsmethoden, die Probleme, die gleich hohen Ansprüche und Argumente der Einkäufer, um den Preis zu drücken. Qualität hin oder her. «Allein mit dem Verkauf von Schrauben lässt sich heutzutage kein Geschäft mehr machen, da gehört schon mehr dazu», bemerkt der Bossard-Chef.
Engineering-Beratung, Lager-Management und Optimierung der Logistik sind Zauberworte, die gerade in dieser Branche ihre Gültigkeit haben. Denn erstens macht der Schraubenpreis nur einen Bruchteil (rund 15%) der Gesamtkosten einer Verbindung aus, und zweitens ist Schraube sowieso nicht gleich Schraube. «Mit jeder Schraube, die es bei der Herstellung eines Produktes nicht braucht, lässt sich demnach Zeit und Geld sparen; darauf machen wir unsere Kunden aufmerksam.»
Das klinge zwar paradox, schliesslich wolle man als Schraubenhändlerin ja Schrauben verkaufen, doch habe dieser Beratungsgrundsatz zur Folge, dass die Kundentreue gefördert werde. Und das sei auf lange Frist lohnenswerter als der schnell, schnell eingenommene Batzen, ist der Konzernchef überzeugt. Er spricht denn auch nicht gerne von Kunden und Lieferaufträgen, sondern viel lieber von mehrjährigen Partnerschaften. «Mit dem, was wir tun und wie wir es tun, sind wir vielfach schon fast eine eigene Abteilung des jeweiligen Industriebetriebes.»
Die Zukunft im Osten
Liefern, nicht lafern. Diesen Grundsatz hat sich zu Lebzeiten Heinrich Bossard auf die Fahnen geschrieben, David Dean hält es als Chef ebenso. Er schätzt es, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit- und weiterdenken, allenfalls, wie er sagt, «auch mal über den Tellerrand hinausblicken» und nicht im Gärtlidenken verharren. Nicht die Schwächen ausmerzen, sondern die Stärken nutzen, lautet eines seiner Credi «man sollte auch ein wenig Freude haben an dem, was man macht».
Dean öffnet das grosse Tor der Speditionshalle und tritt ins Freie. Die Schweizer Industrie, sie wachse nicht mehr, räumt er ein. Viele Betriebe wanderten ab, irgendwohin ins Ausland, Mexiko, Osteuropa, Ferner Osten, wo sie günstigere Konditionen zur Herstellung ihrer Produkte vorfinden würden. Das habe selbstredend auch Folgen für Zulieferer, wie Bossard einer davon sei. «Wir können uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen, auch wir müssen neue Märkte erschliessen.» Er taucht seine Hand ein in eine blaue Box, zieht sie wieder heraus und lässt die silbernen Gewindestifte durch die gespreizten Finger rieseln wie andere Leute am Strand den Sand. Die Grossplastik auf dem Firmenparkplatz, der mächtige Pfeil, zeigt denn nicht alleine nach oben. Schräggestellt weist er auch gen Osten.
Zehn Jahre bei Bossard: Steckbrief
Name: David Dean
Funktion: CEO Bossard Holding AG
Alter: 46
Familie: Verheiratet, zwei Kinder
Wohnort: Volketswil
Karriere
1980-1990 PwC, u.a. stv. Direktor Corporate Finance
1990-1992 Steinbeck-Gruppe, Corporate Controller
1993-1997 Bossard Holding AG, Corporate Controller, CFO
Seit 2005 Bossard Holding AG, Zug, Vorsitzender der Gruppengeschäftsleitung, CEO Firma
Bossard-Gruppe: Der in Zug domizilierte Verbindungstechniker Bossard hat den Umsatz im Geschäftsjahr 2004 deutlich um 15% auf 497 Mio Fr. gesteigert. Mit 18,4 Mio Fr. hat sich der Betriebsgewinn in derselben Zeitspanne mehr als verdoppelt. Primär zurückzuführen ist dieses ausserordentlich gute Ergebnis auf eine spürbare Erholung der Konjunktur sowie gezielte Vorinvestitionen in künftige Wachstumsmärkte. Die börsenkotierte Bossard-Gruppe beschäftigt 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist in Europa, Asien und in Amerika mit 75 Niederlassungen vertreten.