Wenn die Börsen rutschen, gelten sie für Anleger als sicherer Hafen. In einer ersten Phase des Abschwungs leiden die defensiven Schwergewichte Roche, Novartis und Nestlé zwar meistens unter Absicherungsgeschäften, da viele Derivate auf diese Titel ausgegeben sind. Danach steuern die drei Defensiven in der Regel gegen den Markt. Gemeinsam ist es für sie ein Leichtes, dem Schweizer Aktienmarkt die Marschrichtung vorzugeben, denn die Marktkapitalisierung der drei macht insgesamt rund 45% des Swiss Market Index (SMI) aus.
Beständige Werte
Die Unternehmen sind solide finanziert und verfolgen eine berechenbare Strategie. Zudem ist das Geschäft der Defensiven im Gegensatz zu den Zyklikern den konjunkturellen Schwankungen viel weniger stark unterworfen. Die Titel sind daher weniger volatil.
Für einige Experten ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, das Risiko im Portfolio etwas zu senken. «Es ist sicher sinnvoll, in defensivere Aktien umzuschichten», sagt etwa Sandro Rosa, Investment-Stratege von Clariden Leu. Zudem sei die Bewertung für die Large Caps derzeit attraktiver, da die Small Caps bereits seit einiger Zeit sehr gut gelaufen seien.
Allein in diesem Jahr haben die kleineren Aktien bisher rund 25% zugelegt, während die grosskapitalisierten Titel etwa 10% gewonnen haben.
«Seit einigen Wochen schneiden Large Caps aber besser ab als Small und Mid Caps», sagt Markttechniker Beat Grunder von der Credit Suisse, «diese Gegenbewegung dürfte sich in den nächsten Wochen noch fortsetzen.» Am langfristigen Szenario, dass Small und Mid Caps besser laufen als Large Caps, wird sich damit aus seiner Sicht aber nichts ändern.
Grosse noch moderat bewertet
Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hat die aktuelle Bewertung der Aktien mit jener von vor fünf und zehn Jahren verglichen: Vor allem die Papiere von zyklischen Unternehmen sowie von kleinen und mittleren Gesellschaften sind heute deutlich teurer bewertet.
Dagegen liegen Banken, Versicherungen, der Gesundheitssektor und teilweise auch der nichtzyklische Konsum klar unter dem Niveau der Vergleichsperioden. Insbesondere grosse Unternehmen seien noch moderat bewertet, heisst es bei der ZKB.
Clariden Leu attestiert Novartis ein etwas grösseres Potenzial als Roche oder Nestlé. «Doch bei Novartis wird sich der Wachstumstrend erst wieder in der zweiten Jahreshälfte 2008 beschleunigen», erwartet Analystin Beatrice Kunz. Bis dahin dürfte der Aktienkurs noch von Verzögerungen bei Produkteeinführungen und dem Marktrückzug bei bestimmten Medikamenten gebremst werden.
Rückschlag für Novartis
Den jüngsten Rückschlag musste Novartis beim Blutdrucksenker Lotrel hinnehmen. Ein US-Gericht hat dem israelischen Generika-Hersteller Teva den Verkauf eines Nachahmer-Medikaments für den Novartis-Blockbuster erlaubt. Novartis prüft mögliche Auswirkungen auf das Resultat. Der Ausblick 2007 wird am 17. Juli im Rahmen der Ergebnispublikation präsentiert. Novartis bleibt im Vergleich zu Roche günstig bewertet (siehe Tabelle). Die Bewertung von Roche liege über dem Branchendurchschnitt, was angesichts der starken Krebsmedikamente aber auch gerechtfertigt sei, so Aktienexpertin Kunz.
Analysten schätzen Roche und Novartis denn auch etwa ähnlich ein. Je rund drei Viertel empfehlen die Papiere zum Kauf, was bisher aber noch wenig Einfluss auf die Kursentwicklung hatte.
Nestlé hat am meisten zugelegt
In den letzten zwölf Monaten hat Roche 13% gewonnen, Novartis ist nur knapp 4% gestiegen. Dagegen hat Nestlé fast 30% zugelegt, zuletzt hat der Kurs aber unter den hohen Rohstoffpreisen insbesondere für Milch gelitten.
Die ZKB schätzt Nestlé angesichts des hohen Wachstums und der günstigen Bewertung als am attraktivsten ein. Im Vergleich etwa zu Novartis seien auch die Risiken kleiner. Insgesamt haben 85% der Analysten Nestlé mit «Kaufen» eingestuft. Auch aus charttechnischer Sicht habe Nestlé im Vergleich zu Novartis und Roche am meisten Potenzial, ergänzt Grunder von der Credit Suisse.