Kaum einem Lebensmittel haftet das Image der Exklusivität mehr an als dem Rogen des Störs. Kaviar, das ist Luxus pur. Und Luxus hat es in Zeiten wie diesen, in denen jeder Franken zweimal umgedreht wird, nicht ganz einfach. Weshalb auch, fragt sich der Normalsterbliche, soll ich in Fischeier investieren, wenn es für das gleiche Geld eine Woche Sonnentanken auf den Balearen gibt?

Rund 650 Fr. kosten 100 g Beluga-Kaviar heute, rechnet Roman Schätti von der Porimex Trading AG in Lachen vor; eine Menge, die gerade mal ausreicht, den Hunger eines einzelnen Gourmands zu stillen. Vielleicht aber tuts ja auch ein Perlmuttlöffelchen gehäuften Sevrugas: Eine klassische Vorspeise von 30 g schlüge mit noch 75 Fr. pro Person zu Buche. Noch Mitte der 90er Jahre kostete dieselbe Menge etwa die Hälfte. Das bestätigt auch Schätti: «Die Preise im Einkauf sind in den letzten Jahren um etwa 80% gestiegen, beim Verkauf mussten wir um 60% aufschlagen.»

Wohl dem, der die Delikatesse dann auch wirklich zu schätzen weiss. Denn der Rogen des Störs, meist auf Toast oder Blinis gestrichen, ist in Aroma und Konsistenz beileibe nicht jedermanns und jederfraus Sache. Nicht selten werden Beluga, Sevruga und Ossietra (siehe auch Kasten) denn auch weniger des lukullischen Lobgesanges wegen als vielmehr zwecks Markierung wirtschaftlichen Wohlergehens aufgetischt. Allerdings ? die Zeiten, als sich Yuppies das «schwarze Gold» mit dem Nutella-Löffel gleich kiloweise aufs Parisett strichen, gehören endgültig der Vergangenheit an.

«Wie alle anderen Luxusartikel leidet momentan auch der Kaviar unter der wirtschaftlichen Situation», weiss Emilio Plant, Leiter Einkauf bei der Gourmet Factory im Jelmoli Zürich. Der Absatz sei in den letzten Jahren zwar zurückgegangen, trotzdem wolle man den Fischrogen nicht aus dem Sortiment nehmen, so Plant: «Für ein Geschäft wie das unsere gehört Kaviar zu den absoluten Musts. Und Liebhaber, die auf diese Delikatesse nicht verzichten wollen, wird es immer geben.»

Den Wandel vom Laich zum Luxusgut hat der Rogen des Störs im 19. Jahrhundert durchlaufen. Effiziente Kühlmöglichkeiten und schnelle Transportverbindungen liessen ihn mehr oder weniger frisch auf dem Tisch der europäischen Upperclass landen. Mit jedem festlichen Büffett stieg auch die Nachfrage und damit der Wert des Kaviars.

*Rapider Abwärtstrend*

Eine wichtige Rolle im Handel mit der Delikatesse spielte lange Zeit auch die Schweiz. Bis weit in die 1990er Jahre hinein diente das Binnenland als Drehscheibe für den internationalen Markt. Noch 1998 wurden offiziell 66 t Kaviar ein- und deren 35 ausgeführt. Tempi passati. Heute sind es gemäss Bundesamt für Veterinärwesen (BVet) nicht einmal mehr 10 t, die jährlich den Weg vorab vom Kaspischen Meer in die Schweiz finden, gerade mal 3,5 t wurden im letzten Jahr noch exportiert.

Der Abwärtstrend kommt nicht von ungefähr. Im Frühjahr 1998 landete der Lieferant des Kaviars, der Stör, auf Anhang II des CITES-Abkommens (Convention on International Trade in Endangered Species). Dem Fisch brachte dies mehr Schutz, den Fischern mehr Auflagen und Kontrollen. Mit diesen Massnahmen soll vor allem illegalen Störfischern und -händlern das Handwerk gelegt werden, die nach Ansicht von Artenschutzkreisen in erster Linie für den weltweiten Rückgang der Störbestände verantwortlich sind.

Dass die Menge des verarbeiteten Kaviars stetig schrumpft, deutet Thomas Althaus vom BVet denn auch als direkte Folge der verschärften Gesetze sowohl in den produzierenden wie auch den importierenden Ländern. Zudem, so seine Einschätzung, ist es für viele Händler angesichts der nötigen Ein- und Ausfuhrpapiere heutzutage einfach zu umständlich, mit dem Nicht-EU-Land Schweiz ins Geschäft zu kommen. Sie suchen den direkten Verkehr ohne Umweg über die einstige Drehscheibe im Herzen Europas.

*Klassische Abnehmer fallen aus*

Bei der Porimex, die zusammen mit dem Genfer Caviar House als eine der besten Schweizer Adressen in Sachen Kaviar gilt, hat man für den massiven Einbruch am Markt noch weitere Gründe ausgemacht. «Typische Abnehmer für Kaviar sind seit jeher die Reisebranche und Hotellerie», erläutert Roman Schätti, «doch gerade diese Zweige befinden sich bekanntlich in einer Krise, die Bestellungen seitens der Fluggesellschaften zum Beispiel sind deutlich zurückgegangen.» Wenn gespart werden muss, dann geschieht dies eben naturgemäss zuallererst bei den Posten, die reduzierbar oder grad gänzlich zu entbehren sind. Wie beim Luxusartikel Kaviar.

Bei Porimex schätzt man, dass der Absatz von Kaviar in den letzten vier, fünf Jahren um 30 bis 40% zurückgegangen ist. Kostenbewusste Schlemmermäuler suchen nach Alternativen und werden bei Gänseleber und Edelfischen fündig. Wahre Gourmands indes, da ist sich Emilio Plant sicher, lassen sich auf keine Kompromisse ein, schon gar nicht zur Festzeit: «Die Alternative zu Kaviar heisst für Liebhaber höchstens kein Kaviar.»

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