Wenn Michael Dell den Vorstoss in ein neues Produktesegment erläutert, skizziert er seit 20 Jahren eine S-Kurve: Oben links stehen Produkte wie Server mit dem Betriebssystem Unix, die aufgrund firmenspezifischer Technologien nur ein beschränktes Absatzpotenzial aufweisen. Unten rechts sind hoch standardisierte Produkte wie PCs. Wenn Technologien kurz vor der Standardisierung stehen, ist für den Markteintritt der beste Zeitpunkt. Das gilt nicht nur für Computer und Server. Der Wechsel der Firmenbezeichnung von Dell Computer zu Dell Inc. im letzten Jahr widerspiegelt den Vorstoss in den Bereich Unterhaltungselektronik mit LCD-Fernsehern, digitalen Fotoapparaten und Musikabspielgeräten.
Ist das Produkteuniversum prinzipiell unendlich? «Nein, wir bieten nicht alles wahllos an, aber wir werden unser Angebot laufend mit Produkten ergänzen, mit denen wir dank unserem Geschäftsmodell, dem Direktverkauf, Wettbewerbsvorteile haben», sagt Firmengründer und CEO Michael Dell gegenüber der «HandelsZeitung».
Grund für Erfolg bleibt Rätsel
Dells Erfolgsrezepte wie «Wenn Du gute Leute einstellst, bringen diese wiederum gute Leute mit» klingen wie Plattitüden, die in der Praxis nicht immer angewandt werden. Auch was der viel zitierte Direktverkauf tatsächlich zum Erfolg beiträgt, bleibt bis anhin unklar. Dell bezeichnet ihn in seinem Buch «The Dell Way» als eines der Mittel, um zum grössten PC-Konzern der Welt aufzusteigen, aber es findet sich nirgends eine Analyse der Faktoren, die den Unterschied zu den seit Mitte der 90er Jahre ebenfalls direkt verkaufenden Konkurrenten wie Apple oder Compaq (heute HP) ausmachen.
Vielleicht möchte Dell aber ganz einfach die Konkurrenz nicht auf die richtige Fährte lenken. Denn die oft unterschätzten, kleinen graduellen Verbesserungen könnten in ihrer Summe entscheidend sein. In der Forschungsabteilung liegt das Hauptgewicht auf Integration und nicht auf teurer Grundlagenforschung die betreiben die strategisch wichtigen Partner Intel und Microsoft. Der Mann, der bei Dell am meisten Patente hält, ist nicht zufälligerweise ein Logistiker. Wenn ein Verpackungskarton an einer Fertigungsstrasse nur noch drei statt vier Mal die Richtung ändert, spart dies gleich einige Cents pro Box im ganzen Herstellungsprozess. Noch grössere Einspareffekte erzielt man dadurch, dass PC-Tastaturen von Angestellten der Zulieferer und nicht mehr von Dell-eigenen Leuten innerhalb eines Dell-Werkes verpackt werden. US-Finanzanalysten bezeichnen Dell denn oft eher als Logistik- denn als Computerkonzern.
Vom Büro ins Wohnzimmer
Kann Dell ewig mit hohen Wachstumsraten weiter wachsen? Keine Firma könne dies auf Dauer, zumal die Firmenkunden, die über drei Viertel des Umsatzes ausmachten, die letzten Jahre gespart hätten, sagt Dell. Durch den Vorstoss in die Unterhaltungselektronik mit überdurchschnittlichen Margen und Wachstumspotenzial möchte man weiter wachsen. Das bringt Dell in neue Konkurrenz mit Konzernen wie Sony oder Philips der Showdown verlagert sich vom Büro ins Wohnzimmer.
Dell Schweiz: Ziel - Marktführer
Bei Dell Schweiz steigt der Umsatz zwar stetig, aber in den USA liegen die Marktanteile noch einiges höher. Dell liegt in der Schweiz laut dem «Weissbuch» von Branchenexperte Robert Weiss gut 10% hinter HP zurück. «Dell ist hier erst seit 1991 aktiv», begründet Alain Bandle, Chef von Dell Schweiz.
Überdurchschnittliches Wachstum sieht Bandle bei Server, Speicher- und Netzwerklösungen sowie bei Druckern. Bis in drei Jahren möchte man auch in der Schweiz Marktführer werden. «Wir planen ein aggressives Wachstum.» Ein erstes Signal: Dell hat den bisher grössten PC-Auftrag in der Schweizer Geschichte an Land gezogen: Der Computerhersteller kann nun 40000 Rechner an die UBS liefern, wie UBS-intern bestätigt wird. (mn)
Dell Letzter Kurs: 34.81 Dollar
Fazit: Es gibt aber nach dem weit gehend abgeschlossenen jüngsten PC-Erneuerungszyklus attraktivere Sektoren. Deshalb wird sich die Aktie weiterhin nur im Gleichschritt zum Markt bewegen, trotz Kurszielen zwischen 38 und 49 Dollar.