Ein zähnefletschender Alien als Hintergrund? Oder eher die cosy-bunte Verkaufswelt des Lehrlingsladens? Denis Vaucher, seit Mai 2004 CEO der Loeb AG in Bern, ist unschlüssig, vor welchem Hintergrund er für den Fotografen posieren soll. Nach kurzem innerem Kampf der Entscheid: Lehrlingsladen. Mag die derzeitige HR-Giger-Ausstellung mit den düsteren Figuren im Warenhaus spektakulärer sein, Vauchers derzeitiger Liebling ist eben doch das Lehrlingsprojekt. Es befindet sich um die Ecke des Hauptgebäudes, es ist ein früheres Steakrestaurant, das die Lehrlinge kürzlich in Eigenregie umgebaut haben und für ein paar Monate betreiben. Verkauft wird ein Potpourri von Produkten, von Wohnaccessoires bis hin zu Kleidern.

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Vom Businessplan bis zur kreativ-farbigen Ausstattung sind die jungen Leute für alles verantwortlich, haben so die Möglichkeit, via learning by doing die Gesetze des Marktes kennen zu lernen. Praxis statt dröger Theorie, das ist es, was Vaucher schätzt. «Ich arbeite gerne mit Zielen, versuche aber, den Leuten möglichst viel Handlungsspielraum zu geben», sagt er in behäbigem Berndeutsch. Auch wenn das schon alles ist, was an dem Mann gemütlich wirkt. Denn seit seinem Eintritt vor gut drei Monaten ist er am Wirbeln. Will das Gärtchendenken, das er vorfand, aufweichen, will zeigen, dass man umfassend denken, Eigenverantwortung übernehmen muss. In turbulenten Zeiten hält er motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter für das grösste Kapital einer Firma.

Nachfolgeregelung gescheitert

Unbeeindruckt vom permanenten Klingeln der Eingangstür, lässt er sich zwischen grasgrünen Wänden und Regalen voller Alltagskrimskrams in einem Ausstellungssessel nieder. Ein mittelgrosser Mann im klassischen Nadelstreifenanzug, dezenter Krawatte und einer Maurice Lacroix am Handgelenk. Nein, er sei nicht immer so ausserordentlich förmlich gekleidet, privat schon gar nicht, aber heute stünde noch ein offizieller Termin an. Kein Zweifel, der neue CEO der Loeb AG, der im Mai die Nachfolge von Martin Bühler antrat, ist mit grossem Engagement bei der Sache.

38 Jahre ist er, in einem ähnlichen Alterssegment wie das die Geschäfte führende Geschwisterduo Nicole und Marc Loeb und ausserdem auch noch Berner. Das und die Tatsache, dass Vaucher darüber hinaus selbst Sprösssling eines in Bern bekannten Sportwarengeschäftes ist, lässt die Vermutung nahe liegen, das neben seinen fachlichen Qualitäten auch persönliche Verbindungen bei seiner Wahl zum CEO eine Rolle gespielt haben.

Er lacht. «Natürlich», sagt er dann langgezogen, «Nicole und Marc suchten einen Berner, der ähnlich denkt und im selben Alter ist.» Man kannte sich aus Teenagertagen, hat sich dann aber aus den Augen verloren. Vaucher, studierter Jurist, er benutzt das berndeutsche Wort «Fürsprecher», arbeitete nach dem Studium ein paar Jahre bei der UBS, machte seinen MBA in St.Gallen, bevor er vor zwei Jahren als einziges der vier Vaucher-Kinder in den väterlichen Betrieb eintrat.

Er senkt die Stimme, das Lächeln in den Augenwinkeln erlischt. Zum Thema familieninterne Nachfolgeregelung kann er nichts Positives beisteuern, «ich gehöre zu denjenigen, bei denen es nicht geklappt hat». Nach knapp zwölf Monaten an der Seite des Vaters musste er sich eingestehen, dass eine weitere Zusammenarbeit oder gar Stabübergabe nicht realisierbar war. Konsequenterweise nahm er den Hut «wenn etwas nicht funktioniert, dann muss man es ändern».

Es folgte eine für ihn «ungemein spannende und lehrreiche Zeit» bei Valora; vor allem seinen siebenmonatigen Aufenthalt in Deutschland bezeichnet er «als immense Horizonterweiterung». Nicht nur im geografischen Sinn, denn ausserhalb der Schweiz hat der Berner bislang nicht gelebt. «Hamburg», sagt er und verdreht die Augen, «als die Hamburg sagten, da dachte ich, mein Gott, so weit weg?» Aber er hat sich «gmetzget», sich an den mitunter rüden Umgangston der Deutschen gewöhnt, verbal zu kämpfen gelernt, «irgendwann habe ich kapiert, dass man einfach muss».

Und dann, er war gerade in die Schweiz zurückgekehrt, kam die Anfrage von Loeb. Ein tragender Job in einem Familienunternehmen, war das für jemanden mit seiner Vorgeschichte kein Problem? Vaucher winkt ab. «Das ist für mich kein Thema.» Im Gegenteil, seine Affinität zu Familienbetrieben und das persönlich Erfahrene machten ihn sensibel für deren Probleme. Und er hegt grösste Hochachtung für den Entscheid der Geschwister Loeb, das Unternehmen in Eigenregie weiterzuführen und damit soziale Verantwortung zu übernehmen, «die hätten es sich auch leichter machen und mit Gewinn verkaufen können». So aber empfindet er die starke emotionale Verbindung der Familie zu ihrem Unternehmen als sehr positiv.

Die Aufgabenteilung zwischen den Loebs und ihm sei ganz klar festgelegt. Nicole Loeb repräsentiert die Familie und sitzt ebenso im Verwaltungsrat wie Marc Loeb, der IT- und Finanzmensch, der lieber im Hintergrund werkelt. Und er, Denis Vaucher, kümmere sich um die Warenhäuser, habe die nötige Handlungsfreiheit.

Jetzt taucht er aus den Tiefen des Sessels auf, beugt sich über das Tischchen. Es geht um Strategien, um Ziele, um Profitabilität. Diese ist das vorgängige Ziel, sie soll gesteigert werden. Loeb besinnt sich auf die Kernkompetenzen und will auch sein Filialnetz kritisch unter die Lupe nehmen.

«Wir nehmen uns zu wichtig»

Kurz nach seinem Eintritt in die Firma in Bern kursierende Gerüchte, wonach Loeb nun das Sporthaus Vaucher übernehmen wolle, wischt der CEO mit einer Handbewegung vom Tisch: «So ein Blödsinn.» Er nennt die Dinge gerne beim Namen. Das ist oft unbequem für die anderen. Doch Vaucher mag sich nicht verbiegen. «Ich bin ich, mit allen Ecken und Kanten.» Führen hat für ihn nur zu 10% mit Lob und Nettsein zu tun. 90% sind «unpopuläre Entscheide, Kontrolle und stetes Am-Ball-Bleiben».

Vauchers Arbeitstag beginnt um 5.30 Uhr in Ittigen, wo er mit Frau und zwei Kindern wohnt. Um 6.30 Uhr ist er im Büro. Für die Kinder und seine Frau, eine ausgebildete Sekundarlehrerin, habe er trotz vollem Terminplan genug Zeit. Zwar ist er unter der Woche kaum verfügbar, aber der Sonntag ist heilig. Dann geht die Familie, je nach Jahreszeit, entweder Wandern oder Ski fahren. Der Sohn eines Sportartikelhändlers ist selbstverständlich ein Bewegungsmensch. Auf die hochalpinen Touren, die die Familie für die Zeit geplant hat, wenn der Nachwuchs gross genug sein wird, freut er sich schon jetzt.

Spricht er über die Berge, kommt er ins Schwärmen. Kann sich nicht vorstellen, fernab der Alpen zu leben. Sie sind sein persönliches Reduit, wenn es im Leben stürmt. Dann zieht es ihn hinauf, und angesichts der überwältigenden Natur relativiert sich dann vieles. «Wir nehmen uns zu wichtig», sagt er, «und dabei sind wir doch alle nur kleine Würmchen.»

So unprätentiös wie er selbst ist auch sein Büro an der Christoffelgasse 1 in Bern. Es wirkt etwas abgenutzt. Vaucher nimmts achselzuckend zur Kenntnis, er kennt das Detailhandelsambiente von klein auf, «so ist das halt, das Geld fliesst in die Verkaufsräume, in den Büros macht man schliesslich keinen Umsatz». Ohnehin ist er kein Bürogummi, in jeder sitzungsfreien Minute zieht es ihn dorthin, wo es passiert, nämlich in den Verkauf. Mit dem Personal und notabene den Kunden zu schwatzen, ist ihm ein zentrales Anliegen, nur so könne er verstehen, wo der Schuh drückt. «Wenn man einen solchen Job macht, in einer Dienstleistungsbranche arbeitet, muss man Menschen gern haben, sonst funktioniert das nicht.»



Profil

Name: Denis L. Vaucher

Funktion: CEO der Loeb AG, Bern

Alter: 38

Wohnort: Ittigen

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Karriere

1994-1999 Verschiedende leitende Funktionen in der UBS AG

2000-2002 CEO UBS Leasing AG

2002-2003 VR und Mitglied der Geschäftsleitung bei Vaucher Sport Specialist, Bern

2003-2004 Mitglied der Geschäftsleitung Valora Retail

Seit Mai 2004 CEO der Loeb AG

Firma: Loeb

Ende des 19. Jahrhunderts gegründet, hat sich aus dem Berner Kaufhaus Loeb eine der grössten Kaufhausketten der Schweiz entwickelt. Unter der Leitung von Francois Loeb wurde das Filialnetz ab den 70er Jahren auf andere Städte ausgebaut. Zur Loeb-Gruppe gehören heute auch das Musikfachgeschäft Krompholz & Co. AG, das Smart-Verkaufsgeschäft Loeb Service AG und die Modekette Be+We Bayard Wartmann AG. Die Gruppe erreichte im Geschäftsjahr 2003/04 217,4 Mio Fr. Umsatz. 2003 übertrug Francois Loeb die verschiedenen Präsidien seinen Kindern Nicole und Marc.