Die Reaktion von Links-Aussen Cédric Wermuth ist symptomatisch. Via Twitter lässt SP-Nationalrat verlauten, dass es nicht mehr gehe, «die Zukunft von über 2000 Menschen zu gefährden, um den Gewinn zu steigern». Bund und Kanton, so Wermuth weiter, müssten «das Recht haben, Arbeitsplätze und industrielles Know-how zu sicher. Zum Beispiel mit direkten Beteiligungen an Unternehmen wie Novartis». Unternehmen wie Novartis seien, so Wermuth, «too big to be private».

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Mal abgesehen davon, dass Bund und Kantone gegen 11 Milliarden Franken in die Hand nehmen müssten, um nur schon zu einem 5-Prozent-Anteil an Novartis zu kommen und damit allenfalls zu einer Mitsprache im Verwaltungsrat: Soll die Schweizer verstaatlicht werden? Würde sie so international konkurrenzfähiger? Unwahrscheinlich. Wermuths Argumente sind reine Wählerschafts-Bewirtschaftung – und zeugen von ökonomischer Realitätsverweigerung. Nach dem Super-Abzocker Daniel Vasella hat die SP mit Chef Vas Narasimhan offenbar einen neuen Sündenbock bei Novartis gefunden.

«Nach dem Super-Abzocker Daniel Vasella hat die SP mit Chef Vas Narasimhan offenbar einen neuen Sündenbock bei Novartis gefunden.»

Sicher: Dass Narasimhan in der Schweiz rund 2150 Stellen abbauen – und zwischen 260 und 450 neu schaffen – will, ist ein tiefer Schnitt ins Fleisch der Schweizer Novartis-Organisation und in jenes des Konzerns in Basel. Aber: Nach allem, was die Novartis-Führungscrew um Narasimhan und Präsident Jörg Reinhardt in den letzten Monaten aufgegleist haben, kommt der Abbau nicht aus heiterem Himmel. Novartis hat sich unter dem Duo Reinhardt/Narasimhan von einem diversifizierten Pharmaunternehmen in der Ära Vasella zu einem fokussierten Konzern gewandelt.

Konkret: Die Augenheilkunde-Sparte Alcon bringt Novartis separat an die Börse. Das Geschäft mit simplen Generika in den USA hat Novartis nach Indien verkauft. Das Business mit rezeptfreien Medikamenten wie Hustensaft oder Grippemitteln hat Novartis ebenfalls losgeschlagen. Und auch die Imstoffsparte wurde verkauft. Die Fokussierung auf forschungs-intensive Pharmazeutika ist vielsprechend, aber riskant. Vor allem aber hat sie zur Folge, dass Novartis heute – und insbesondere morgen – ganz andere Produkte herstellen muss als bisher. Ergo muss sie auch in der Produktion um- und abbauen. Kein Wunder deshalb, dass diverse Schweizer Standorte – eben jene, an denen Produkte aus der Vergangenheit hergestellt werden – Federn lassen müssen.

«Wer sich in der industriellen Produktion auskennt, ist auch ausserhalb der Pharmaindustrie eine gesuchte Fachkraft.»

Es ist Narasimhan und seinem Schweiz-Chef Matthias Leuenberger zu gute zu halten, dass sie den betroffenen Mitarbeitern – es sind knapp 1500 – eine breite Palette an Unterstützungsmassnahmen anbieten: Umschulungen, Vorruhestand, Sozialplan. Da ist man sich von global agierenden Konzernen durchaus Anderes gewöhnt. Dass die Novartis-Führung kaum «Härtefälle» erwartet – sprich Angestellte, die beim RAV und wohl in der Aussteuerung landen, ist trotz des Ausmasses des Abbaus realistisch. Denn wer sich in der industriellen Produktion auskennt, ist auch ausserhalb der Pharmaindustrie eine gesuchte Fachkraft.

Bitter ist der Abbau vor allem für jene White-Collar-Angestellten auf dem Basler Campus, deren Stellen – es sind rund 700 – in günstigere Länder verschoben werden. Die Jobs wandern ab nach Irland, Indien, Malaysia, Mexiko und Tschechien. Dort unterhält Novartis bereits Zentralen für interne Dienste wie Personal, Informatik oder Buchhaltung. Und die Leute dort können das Gleiche wie jene in der Schweiz. Aber günstiger. Der Trend zum Offshoring von KV-Jobs wird weiter gehen – nicht nur bei Novartis. Dagegen hilft nur Weiterbildung und Spezialisierung.